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Kunst während des Kalten Kriegs und danach in Deutschland

Die Ausstellung "Geteilt - ungeteilt" geht auf Kunst während der deutsch-deutschen Teilung und die Zeit danach ein - genauer von 1945 bis 2010. In einer zweigeteilten Raumanordnung wird beispielsweise die Grenze des Kalten Krieges verdeutlicht. Breiten Raum erhalten auch Künstler, die in der DDR nur verborgen wirken konnten.

Von Carsten Probst | 07.02.2012
    Erzählt die Geschichte einer großen Kunstsammlung, die deutsche Kunstgeschichte geschrieben hat. Die Vermittlung des Sozialistischen Realismus im "volksnahen Stil" war einst das Kernanliegen des Albertinums, nachdem es 1965 an seinen heutigen Standort an den Brühl'schen Terrassen gezogen war. Doch gesammelt wurde viel mehr, als gezeigt wurde, allein die Dresdner Maltradition wies weit über das sozialistische Programm hinaus. Und so sind auch hier Schicksale enthaltener Werke und deren Schöpfer gesammelt.

    Das macht diese Ausstellung vergleichbar mit der Sammlungspräsentation der Neuen Nationalgalerie in Berlin, die im November unter dem Titel "Der geteilte Himmel" eröffnet wurde. Und obwohl die Dresdner Schau bereits seit 2009 zur Neueröffnung der Albertinums geplant worden war - scheint sie direkt auf einige Behauptungen antworten zu wollen, die in der ungleich prachtvolleren und größeren Ausstellung in Berlin über die Kunst nach 1945 aufgestellt werden: Die Kunst nach 1945 sei eigentlich nicht politisch, Hauptproblem sei die Fragen von Abstraktion und Figuration, und die Politisierung der Kunst habe eigentlich erst durch die Gründung der DDR stattgefunden.

    Die Dresdner Ausstellung widerspricht: Gleich zu Anfang verweist sie auf die von Will Grohmann initiierte 1. Allgemeine Deutsche Kunstausstellung 1946 in Dresden, auf der unter anderem die sogenannte Entartete Kunst auch in Ostdeutschland rehabilitiert werden sollte. Egal ob figurativ, expressiv, realistisch oder abstrakt - allein das Ausstellen dieser Kunst war schon politisch. Realistische Kunst wurde wegen der Nazizeit einerseits als beschädigt wahrgenommen, es wurde also eine neue Figuration gefordert, die sich an den Vorbildern der Vorkriegszeit orientierte. Abstraktion galt in der SBZ jedoch schon damals als Bourgeois, ebenso wie viele andere Tendenzen der Moderne. Der Maler Karl Hofer beklagte, dass durch politischen Einfluss ein volksnaher Bauernstil gefordert werde, als Vorstufe des späteren proletarisch-revolutionären Stils. Beispielhaft ist die Auseinandersetzung um ein expressiv gehaltenes Gemälde vom Wilhelm Lachnit über den "Tod von Dresden" von 1945, das Mutter und Kind in den glühenden Trümmern zeigt. Lachnit, einer der ganz Großen Künstler der Neuen Sachlichkeit in Dresden, wurde nach dem Krieg und in der späteren DDR als Formalist abgetan. Erst 1957 wurde dieses Bild von den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden aufgekauft.

    Wie die Berliner Ausstellung erhebt auch die Dresdner keinen Anspruch auf kunsthistorische Vollständigkeit, aber doch gelingt ihrem Kurator Ulrich Bischoff, dem Direktor des Albertinums, ein wesentlicher Schritt. Er symbolisiert und reflektiert in der zweigeteilten Raumanordnung die politischen Grenzen des Kalten Krieges, lässt jedoch schon lange vor der offiziellen Wiedervereinigung Korrespondenzen zwischen Ost/West stattfinden, die auf dem gemeinsamen Erbe der Moderne fußen. Die eigentlich in der DDR nur im Verborgenen Wirkenden Abstrakten wie Göschel, Müller, Adler oder Glöckner erhalten vergleichsweise breiten Raum und korrespondieren mit entsprechenden Tendenzen in Westdeutschland. Da landet mal eine schöne Skulptur von Hermann Glöckner auf der Westseite in der Nähe von Gotthard Graubner und Hans Arp. Eugen Schönebeck, der ja bei Dresden geboren wurde, vertritt als private Leihgabe die Figuration in der Malerei im Westen. Und man erinnert sich, dass er sich ja selbst auch explizit nie so vehement von der DDR abgrenzen wolle, wie etwa Baselitz und Richter es später getan haben, die in dieser Ausstellung gar nicht vorkommen.

    Sie machen stattdessen Platz für zahlreiche kaum oder gar nicht bekannte Künstler, die es dringend historisch zu würdigen gilt. Bilder des zerstörten Dresdens im neoimpressionistischen Stil von Wilhelm Rudolph aus der Nachkriegszeit, erste Einflüsse von Picasso etwa bei Horst Strempel oder Hans Heinrich Palitzsch, Joseph Hegenbarths ebenfalls stark vom Impressionismus inspirierter Stil - lauter Bilder und Namen, die man schwerlich einem sozialistischen Kontext zuordnen würde. Späterhin ein Manfred Zoller, der seine Tätigkeit im Leichenschauhaus grandios in eine realistisch-abstrakte Malerei umsetzte, oder Siegfried Klotz, der als der Dresdner Lehrer von Eberhard Havekost, Frank Nitsche und vieler anderer eine ganz neue Dresdner Maltradition begründet hat, die heute auf dem Kunstmarkt erfolgreich ist. Dieser Stoff reicht noch für viele weitere hochinteressante Kunstgeschichten aus Dresden.