Mark Wallingers erstmals in Deutschland zu sehende Groß-Installation "State Britain" von 2007 ist vermutlich das prominenteste Werk dieser Hamburg-Berliner Doppelausstellung, ein Hauptwerk schon aufgrund seiner schieren Ausmaße - erstreckt es sich doch über die ganze Länge der Haupthalle des Hamburger Kunstvereins, 43 Meter mit über 600 Plakaten eines Protestcamps gegen den Irakkrieg, das 2001 der in England mittlerweile legendäre Anti-Kriegsaktivisten Bernhard Haw vor dem britischen Regierungssitz initiiert hatte, ehe es von der Polizei unter Berufung auf das Bannmeilengesetz gewaltsam entfernt wurde. Mark Wallinger sammelte die Überreste und rekonstruierte das Camp schließlich 2007 wieder anlässlich des Turner Prize in der Londoner Tate Britain, den er damit bekanntermaßen auch gewann. Tate Britain - State Britain, Kunstmuseum und Staatsgebilde - das Wortspiel verdeutlicht die Ambivalenz dieser Protestaktion, die offenkundig nur in ihrer Umwidmung zum Kunstwerk den Schutz der Öffentlichkeit genießt. Offensichtlich, weil der Kunstbereich aufgrund der ihm allseits zugestandenen "Narrenfreiheit" der letzte Rückzugsort wahrer Meinungsfreiheit ist, während draußen, im wirklichen Leben der repräsentativen Demokratie, andere Regeln gelten. Sicherheitsgesetze zum Beispiel, denn wo Sicherheit walten soll, muss die Meinungsfreiheit natürlich schon einmal zurückstehen, war es nicht so? Oder es gilt, wie von den Westerwelles und Sarrazins unserer Tage so wortreich beklagt, das Diktat der Political Correctness, die alles mundtot machen will, was nicht auf Linie zu bringen ist. Freiheitskämpfer sie alle, und allen voran die "Bild"-Zeitung mit ihrer Kampagne: "Man wird doch wohl noch sagen dürfen."
Wallingers Arbeit verhilft dem Hamburger Teil der Ausstellung nicht nur zu einer physisch und visuell sehr viel eindrucksvolleren Präsenz, als es der kleinteilig-kabinetthafte Ausstellungsteil in den vergleichsweise engen Räumen des Neuen Berliner Kunstvereins leisten könnte. Sie bündelt in sich auch die Kernfragen dieser höchst aufschlussreichen und interessanten Ausstellung: die Fragen nach dem Außen- und dem Innenraum demokratischer Öffentlichkeit: nach der offenen und geschlossenen Gesellschaft, nach dem, was diese Öffentlichkeit aushält und was anscheinend nicht und was deshalb als Kunstaktion oder Narrenstück bemäntelt beziehungsweise verharmlost werden muss, damit es überhaupt erscheinen darf. Hamburgs Kunstvereinsdirektor Florian Waldvogel warnt jedenfalls davor, Meinungsfreiheit mit Meinungshoheit zu verwechseln, Andersdenkende unter fadenscheiniger Berufung auf die freie Rede letztlich nur zu delegitimieren:
"Das kann unserer Meinung ja nicht Freedom of Speech sein, weil dann wäre quasi jegliche Lüge, die publiziert wird, könnte man quasi unter dem Deckmäntelchen der Redefreiheit publizieren und hätte absolut überhaupt keine gesellschaftliche Konsequenz. Wenn man der Bild-Zeitung oder verschiedenen anderen Medien, die bewusst also mit einer Lüge Dinge steuern, dann frage ich mich, warum man dann nicht auch Kindern zugesteht, dass sie ihre Eltern anlügen oder warum man beim Steuerbetrug nicht sagen kann, das ist doch quasi Meinungsfreiheit, ich bin davon ausgegangen, das ist so richtig. Wenn man für Redefreiheit ist, dann muss man für Redefreiheit in jeglicher Form sein."
Sind - anderes Beispiel - die ominösen Mohammed-Karikaturen des eigentlich gar nicht so witzigen dänischen Witzboldes Kurt Westergaard ein so hohes kulturelles Gut, dass der Mann in Deutschland mit Preisen zur Pressefreiheit und Zivilcourage überhäuft werden muss? Oder feiert sich hier eine christlich-westliche Leitkultur selbst, die anderen Kulturen gern ihre Demokratiedefizite vorrechnet und die eigenen, wie sie in den Karikaturen ja nicht zuletzt auch zum Ausdruck kommen, generös weglächelt? Das Publikum darf selbst entscheiden. Nicht allen wird es in dieser Ausstellung leicht gemacht.
Wallingers Arbeit verhilft dem Hamburger Teil der Ausstellung nicht nur zu einer physisch und visuell sehr viel eindrucksvolleren Präsenz, als es der kleinteilig-kabinetthafte Ausstellungsteil in den vergleichsweise engen Räumen des Neuen Berliner Kunstvereins leisten könnte. Sie bündelt in sich auch die Kernfragen dieser höchst aufschlussreichen und interessanten Ausstellung: die Fragen nach dem Außen- und dem Innenraum demokratischer Öffentlichkeit: nach der offenen und geschlossenen Gesellschaft, nach dem, was diese Öffentlichkeit aushält und was anscheinend nicht und was deshalb als Kunstaktion oder Narrenstück bemäntelt beziehungsweise verharmlost werden muss, damit es überhaupt erscheinen darf. Hamburgs Kunstvereinsdirektor Florian Waldvogel warnt jedenfalls davor, Meinungsfreiheit mit Meinungshoheit zu verwechseln, Andersdenkende unter fadenscheiniger Berufung auf die freie Rede letztlich nur zu delegitimieren:
"Das kann unserer Meinung ja nicht Freedom of Speech sein, weil dann wäre quasi jegliche Lüge, die publiziert wird, könnte man quasi unter dem Deckmäntelchen der Redefreiheit publizieren und hätte absolut überhaupt keine gesellschaftliche Konsequenz. Wenn man der Bild-Zeitung oder verschiedenen anderen Medien, die bewusst also mit einer Lüge Dinge steuern, dann frage ich mich, warum man dann nicht auch Kindern zugesteht, dass sie ihre Eltern anlügen oder warum man beim Steuerbetrug nicht sagen kann, das ist doch quasi Meinungsfreiheit, ich bin davon ausgegangen, das ist so richtig. Wenn man für Redefreiheit ist, dann muss man für Redefreiheit in jeglicher Form sein."
Sind - anderes Beispiel - die ominösen Mohammed-Karikaturen des eigentlich gar nicht so witzigen dänischen Witzboldes Kurt Westergaard ein so hohes kulturelles Gut, dass der Mann in Deutschland mit Preisen zur Pressefreiheit und Zivilcourage überhäuft werden muss? Oder feiert sich hier eine christlich-westliche Leitkultur selbst, die anderen Kulturen gern ihre Demokratiedefizite vorrechnet und die eigenen, wie sie in den Karikaturen ja nicht zuletzt auch zum Ausdruck kommen, generös weglächelt? Das Publikum darf selbst entscheiden. Nicht allen wird es in dieser Ausstellung leicht gemacht.