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Kunst zu Geld machen

Uwe Schneede, ehemaliger Direktor der Hamburger Kunsthalle, hat scharf kritisiert, dass der Stiftungsrat der Kunsthalle den Verkauf von Kunstwerken zur finanziellen Sanierung des Hauses fordert. Das sei ein "unverantwortliches Vorpreschen" des Aufsichtsgremiums, sagte Schneede.

Uwe Schneede im Gespräch mit Mascha Drost | 09.12.2009
    Mascha Drost: "Wir wollen nicht ein Museum, das dasteht und wartet, sondern ein Institut, das tätig in die künstlerische Erziehung unserer Bevölkerung eingreift." Das war die Maxime von Alfred Lichtwark, Direktor der Hamburger Kunsthalle von 1886 bis 1914 - und er griff heftig ein, begründete bis heute wichtige Sammlungen, vergab Auftrage an Maler und schaffte über 1000 Bilder, 900 Plastiken, Tausende Zeichnungen, Aquarelle und Fotografien an. Es war die Zeit des Aufbaus. Sprung, 100 Jahre später, in die Jetzt-Zeit: Vor wenigen Tagen wurde der Direktor der Hamburger Kunsthalle Hubertus Gaßner aufgefordert, eine Liste zu erstellen mit entbehrlichen Kunstwerken. Das Museum ist hoch verschuldet, fast 1,5 Millionen Euro, und das, obwohl es vor nur anderthalb Jahren durch den Senat entschuldet wurde. Frage an Professor Uwe Schneede, ehemaliger Direktor der Kunsthalle von 1991 bis 2006: Der Verkauf von Kunstwerken, um das Museum zu sanieren - ist das ein Dammbruch?

    Uwe Schneede: Na ja, zunächst mal muss man sagen: Dass so eine Liste von einem Museum erstellt wird, ist eigentlich nichts Ungewöhnliches, das kommt alle Weile vor, und tatsächlich ist es ja auch richtig, schon mal zu prüfen, ob es vielleicht Werke in der Sammlung gibt, von denen man sich auch mal trennen kann. Es gibt eigentlich unter Museumsleuten, gerade zu meiner Zeit, so Überlegungen, dass man sagte: Es muss der Verkauf kein Tabu sein, aber wenn verkauft werden kann, dann können es überhaupt nur Werke sein, die eigentlich nicht in die Sammlung hineinpassen, die auf irgendeine Weise im Laufe der Zeit mal angeschwemmt worden sind, und dann müsste die Entscheidung darüber auch nicht den Direktoren und schon gar nicht den Politikern obliegen, sondern einem externen Fachleutegremium. Also, daran zu denken wäre durchaus möglich. Was in Hamburg passiert, ist ja dann noch etwas anderes, dass nämlich ein Mitglied des Stiftungsrats sträflicherweise vorgeschlagen hat, Werke von Gerhard Richter zu verkaufen, ein Stiftungsratmitglied, das also dem Haus, für das er sich einzusetzen hat, in den Rücken gefallen ist, und das hat das Ganze eigentlich erst zum Skandal gemacht.

    Drost: Gerhard Richter ist also für Sie kein entbehrliches Kunstwerk, wahrscheinlich für die meisten. Was sind denn überhaupt entbehrliche Kunstwerke? Erfahrungen aus vergangenen Zeiten haben ja gezeigt, dass so etwas auch zeitgebunden ist, also, was heute entbehrlich ist, ist vielleicht morgen ein herber Verlust.

    Schneede: Ja. Das ist so und deswegen sollten die Entscheidungen auch nicht allein bei einer Person liegen, sondern bei einem Gremium. Um ein Beispiel zu sagen, das hier in Hamburg naheliegend ist, aber nicht mit meinem eigenen Bereich zu tun hat: Wilhelm Hornbostel, der frühere Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe, hat mehrfach öffentlich gesagt, einige Benin-Bronzen, also afrikanische Arbeiten in seiner Sammlung, gehörten eigentlich viel eher in ein Völkerkundemuseum und er könne sich vorstellen, sie zu verkaufen. Seine Nachfolgerin Sabine Schulze sagt ganz ausdrücklich: Auf gar keinen Fall, sie gehörten zum Bestand des Museums. Das sind zwei legitime Haltungen, die sich total widersprechen. Das zeigt eigentlich sehr deutlich die schwierige Situation. Tatsächlich ist es ja auch so, dass, wenn wir zurückschauen, wenn ich zurückschaue auf die Geschichte der Hamburger Kunsthalle, dann haben die Vorgänger bis auf Werner Hofmann haben alle vorher schon Verkäufe getätigt, nicht immer glückliche Hand bei den Verkäufen gehabt. Ich würde einen Kokoschka heute beispielsweise nicht verkaufen, wie es mein Vorvorgänger getan hätte. Also, eine Objektivierung ist da natürlich unbedingt vonnöten.

    Drost: Museen sind ja nicht nur Ausstellungsräume, sie haben auch archivarische Funktion. Mit solchen Forderungen könnte man ihnen ja auch den Boden entziehen. Aber das könnte doch auch noch eine andere fatale Folge haben, nämlich, dass kein Stifter mehr seine Kunstwerke zur Verfügung stellen würde, wenn er befürchten müsste, sie könnten verkauft werden.

    Schneede: Absolut. Man muss natürlich vor allem betonen, dass Museumsleute nicht zum Verkaufen da sind, sondern zum Bewahren - das ist ihre eigentliche, von der Öffentlichkeit auferlegte Aufgabe - und zum weiteren Ausbau der Sammlungen und damit auch der Schätze eines solchen Hauses. Und: Ja, es ist sehr wohl so, wie Sie sagen - und in Hamburg natürlich besonders auffällig aber anderswo ja genauso -, dass der größte Teil der Werke im Laufe der Zeit durch Erbschaften, durch Stiftungen, durch Schenkungen ins Haus gekommen sind. Bis auf den heutigen Tag spielen diese privaten Anteile eine ganz erhebliche Rolle. Und insofern ist man da natürlich auch in der Verantwortung gegenüber all denen, die so ein Museum mit erweitert haben und in seiner Qualität gestärkt haben.

    Drost: Letzte Frage: Ist denn das Schielen nach aktuellen Preisen und Werten, wie man es vom Kunstmarkt kennt, auch schon in die deutschen Museen eingezogen? Das würde ja das implizieren, was ein Mitglied des Stiftungsrates vorgeschlagen hat mit den Richter-Bildern.

    Schneede: Nein, nein. Das ist überhaupt nicht in die Museen eingezogen. Die Museen urteilen, spekulieren ja nicht, wenn sie kaufen, sie denken ja nicht an irgendwelche künftigen Marktwerte, sondern sie denken ausschließlich an die künstlerische Bedeutung dessen, was sie da sich für das Haus sichern. Nein, das sind Einzelne und in diesem Fall eben ein unverantwortliches Vorpreschen nicht aus dem Museum selbst heraus, sondern aus dem Aufsichtsgremium.