Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Kunstausstellung von Lars Eidinger
Fotografien aus dem Insta-Feed

Bilder von Totenköpfen, echt oder aus Pappe, ein Mann im Mickymaus-Kostüm oder ein leuchtender Diskowürfel: Lars Eidingers Ausstellung ist wirklich unterhaltsam. Aber nur, wenn der Künstler anwesend ist, um sein Werk zu erklären.

Von Ramona Westhof | 24.06.2019
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Der Schauspieler Lars Eidinger probiert sich jetzt auch als Foto & Video Künstler aus (Kerstin Janse)
Zwei Männer stehen um einen bunt leuchtenden Lichtwürfel. Der Würfel steht auf einem Sockel, dreht sich hektisch und brummt dabei. Sie diskutieren, wie sie das Stromkabel des Lichtwürfels am besten im Sockel verschwinden lassen.
Einer der beiden Männer, der Künstler hinter dieser Skulptur, hat sich als "Lars" vorgestellt. Wäre nicht nötig gewesen: Wer einen Fernseher hat oder schon mal im Kino war, kennt den Schauspieler Lars Eidinger.
Die erste Solo-Ausstellung
Nun ist er neben Theater- und Filmschauspieler auch noch Künstler.
Der Neue Aachener Kunstverein zeigt Lars Eidingers erste Solo-Ausstellung "Autistic Disco". Er selbst ist überzeugt: "Bei jedem Motiv oder Bild oder Video hier in der Ausstellung drängt sich der Begriff ‚Autistic Disco‘ nahezu auf."
Einige der Motive sind dabei sicher aufdringlicher als andere. Eidinger sagt, den Titel "Autistic Disco" habe er wegen des Widerspruchs gewählt. Der öffne einen Raum, aus dem er kreativ schöpfen könne.
"Das ist eigentlich so die Faszination von Widersprächen im Allgemeinen. Shakespeare oder Brecht das sind ja auch Leute, die – Shakespeare vor allem spielt ja ganz viel mit diesen Begrifflichkeiten."
Totenköpfe und selbstverliebte Emojis
In der Ausstellung gibt vor allem Alltagsbeobachtungen zu sehen, die meisten in Form von Fotos und Videos: Die Motive sind witzig, absurd oder auch einfach nur schräg: Ein Kissen mit Herzchenaugen liegt auf dem Armaturenbrett und schaut verliebt auf sein Spiegelbild in der Windschutzscheibe. Ein Straßenkünstler bereitet sich auf seinen Auftritt vor, versteckt unter einem schwarzen Sack. Es gibt gleich mehrere Bilder von Totenköpfen: Aus Pappe, Plastik - oder echt. Den Echten hat Eidinger von einem Bekannten geschenkt bekommen, erzählt er.
Vom Elektroladen in die Galerie
Der brummende Lichtwürfel ist die einzige Skulptur in der Ausstellung:
"Was kann die, außer Geräusche machen?"
"Das, was sie kann macht sie gerade. Ein Lichtobjekt, wie man es aus Diskotheken kennt, im Grunde auch eine autistische Disko. Das Gerät funktioniert ja auch für sich und trotzdem kriegt es oft gar nicht die Aufmerksamkeit. Aber die Idee ist schon, dass am Ende noch diese Haube draufgeht. Die Befürchtung ist, dass es unter der Glashaube zu warm wird. Und im Elektroladen, als ich erzählt habe, was ich damit vorhabe, haben die gesagt, nee, also das geht nicht."
Die Videos und fast alle Fotos sind mit dem Handy aufgenommen. Wer schon einmal Lars Eidingers Instagram-Profil gesehen hat, weiß: Dieser Mann filmt und fotografiert fast alles. Eidinger ist wirklich sehr aktiv auf Instagram. Überschneidungen zwischen Social-Media-Profil und Ausstellungsbildern sind dabei kein Zufall: "Ich glaube, die habe ich alle bei Instagram gepostet, ja."
Social Media als Plattform für Kunst
Und wie kommt man auf die Idee, aus den eigenen Instagram-Posts eine Ausstellung zu machen?
"Ist ja völlig legitim, dass man das so interpretiert, aber es ist natürlich umgekehrt: Die Frage wäre eher, wie bis du auf die Idee gekommen, deine Kunst auf Instagram zu zeigen? Ich hab die Bilder ja nicht gemacht, um sie auf Instagram zu zeigen, sondern ich hab Instagram genutzt, um meine Bilder zu zeigen."
Gut, also andersrum: Wieso zeigt ein Künstler seine Kunst bei Instagram?
"Man braucht nicht mehr den Umweg über eine Galerie und man braucht nicht mehr den Umweg über einen Verlag, sondern ich habe einen ganz direkten Zugang zum Publikum und es sehen halt unglaublich viele Leute. Die Viralität find ich so attraktiv. Meine Storys auf Instagram gucken am Tag 20.000 Leute, schaff’s mal, dass 20.000 Leute durch eine Galerie laufen."
Ausstellung mit Promibonus
In den Neuen Aachener Kunstverein, wo Eidinger seine Kunst ausstellt, würden so viele Menschen auch gar nicht passen. Trotzdem: Der berühmte Name dürfte auch offline einige Besucher anziehen. Die Ausstellung soll den Kunstverein bekannter machen, neues Publikum anlocken. Falls es zu voll werden sollte, hat man für die Eröffnung vorgesorgt, sagt Direktor Maurice Funken: "Ich sag mal, unsere Räumlichkeiten, die packen so 200 bis 250 Leute. Wir haben zum ersten Mal einen Türsteher, der dann einen Einlassstopp machen wird. Also wir rechnen schon damit, dass es voll wird."
Die Eröffnungsparty, bei der Lars Eidinger auch auflegen soll, findet sicherheitshalber in einer größeren Location um die Ecke statt.
Es ist bemerkenswert, wie viel der Künstler in seine eigenen Werke hineininterpretieren kann. Sie zeigen Narzissmus, den ja Freud mit Autismus gleichgesetzt habe, die Verbindung von Kunst und Kapitalismus oder den Amerikanischen Traum - dargestellt durch ein zwölfminütiges Handyvideo von einem Mann im Mickymauskostüm. Der Bildschirm hängt noch nicht. Eidinger muss das Video beschreiben.
Sich so durch die Ausstellung führen zu lassen, hat etwas von einer Performance – mit einem wirklich guten Künstler-Darsteller.
Vielleicht reicht es, die Bilder online zu sehen
Nach der Eröffnung wird "Autistic Disco" allerdings für sich selbst sprechen müssen. Und ob die Werke ohne ihren unterhaltsamen Schöpfer noch so viel Aussagekraft haben, ist fraglich. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig. Die Fotos finden sich ohnehin alle auf Lars Eidingers Instagram-Kanal, zusammen mit tausenden anderer Fotos. Und auf die Videos - wie einen zweieinhalbstündigen Film, der aus seinen künstlerisch wertvollsten Instagram-Storys besteht - kann man vielleicht auch verzichten.