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Kunstbuchmesse Editionale
Kunstschätze zwischen zwei Buchdeckeln

Parallel zu den großen Literaturevents, der Leipziger Buchmesse und der LitCologne findet in vergleichsweise kleinem Rahmen die Minimesse Editionale in Köln statt. Bleisatzdruck, handgeschöpftes Papier, illustrierte Lyrik in Kleinauflagen oder als Unikatbuch: Die Editionale ist eine Leistungsschau der klassischen Buchdruckkunst.

Von Peter Backof | 14.03.2014
    Altes Buch mit vergilbten Seiten und angestoßenen Kanten am Buchdeckel
    Bücher, die selber schon Kulturlandschaften sind, findet man auf der Editionale. (dpa / Jens Kalaene)
    "Das ist noch guter, alter Bleisatz! Die traditionelle Art und Weise des Buchdrucks. Frottura, Mager und Halbfett, wer sich da auskennt, weiß Bescheid."
    Gernot Cepl blättert, in einem dicken Buch. Guter alter Bleisatz, woran erkenne ich den? Die Serifenschrift, diese Lettern, die seit Gutenbergs Zeiten so verschnörkelt sind, damit sie sich passgenau in einen Layout-Rahmen fügen und ein gerades Zeilenbild ergeben, die werden es nicht sein: Serifenschrift kann ich mir ja auch schnell auf mein E-Book-Lesegerät laden. Nein, fühlen sie mal! - sagt Gernot Cepl. Und tatsächlich, wie bei einer Blindenschrift kann man Bleisatzdruck mit den Fingerkuppen ertasten.
    "Das ist auch noch mal eine Spielerei oder eine Art von Auffassung,"
    ordnet der Leiter der Editionale ein: Denn der Bleisatz ist schon ein ausgesprochener Anachronismus, passt aber sehr gut zum dicken Buch, von Peter Malutzki: ein Buch über den Rhein. Man hätte es bei einer Zugfahrt dabei, entlang der Rheinstrecke, die im Vergleich zur schnellen ICE Trasse südwärts auch ein wenig anachronistisch wirkt. Lyrisches von Heine und Co, Aquarelle und Fakten: Hier, an dieser Stelle am Fluss, hat jemand mal sein Auto versenkt. Aha. Bücher, die selber schon Kulturlandschaften sind, findet man auf der Editionale. Die Nische auf dem Buchmarkt, zwischen Kleinauflage und künstlerischem Unikat. Gernot Cepl und Co-Leiterin richten die Minimesse im Zweijahrestakt aus.
    "Aber es ist leider immer noch so, dass das Künstlerbuch doch nicht den Stellenwert hat wie das Bild an der Wand."
    "Der Maschinenmensch" von Jules Verne mit Cyborg-Illustrationen oder ein Bildessay zu Ludwig Wittgensteins "Tractatus logico-philosophicus", verfertigt aus historischen Papieren der 1920er. In Paris gibt es für alte Papiere sogar eine Messe. Manches gedruckt, anderes collagiert, geklebt oder aufwendig gefaltet und perforiert. Das Buch als Spielwiese - überrascht mit erstaunlich niedrigen Preisen. Eher Buchpreise als Kunstmarktpreise. Nach Aufwand gerechnet, auch wenn es um von Künstlern gestaltete Unikate geht. Warum ist das so?
    "Wunderbare Kunstschätze zwischen zwei Buchdeckeln"
    Ich besuche Patricia Corboud, Kunstgaleristin aus Wesseling am Rhein, die jetzt zum ersten Mal auf der Editionale ausstellt.
    "Das liegt natürlich auch daran, dass Künstlerbücher so eine Art Nischendasein haben, was wirklich was für Kenner und Kunstliebhaber ist. Zwischen zwei Buchdeckeln wunderbare Kunstschätze, die man in einem normalen Galeriebetrieb gar nicht zeigen kann. Auf einer Vernissage haben Sie gar nicht die Gelegenheit, Besuchern das eine oder andere Künstlerbuch, so wie ich das jetzt mache, vorzuführen."
    Filigrane Papierarbeiten, abstrakt Expressives in einer Künstlermappe oder das Buch selber, modifiziert zum kleinen Objekt, das ist einfach für den Kunstmarkt nicht spektakulär genug, ein Nebenschauplatz auf Kunstmessen, sagt die Galeristin, die jetzt wie zwanzig andere Aussteller ihren tapeziertischgroßen Stand im Neuen Kunstforum aufstellt.
    "Ich sag immer: Es ist eine stille Gattung, weil man sie öffnen muss."
    Es ist das Kommunikationsmodell "Ich und das Buch", das, wie beim Lesen, den Rest der Welt fast auszuschließen scheint.
    Gernot Cepl und Elisabeth Broel betreiben auch die kleine "Galerie der Editionale" ganzjährig und über ihre Messe hinaus, eine Bibliothek der Möglichkeiten des Buchs. Hier werden die Fäden gesponnen, wer bei der Editionale ausstellen wird, Künstler und Drucker reisen in diesem Jahr aus vielen europäischen Ländern an. Und hier wird auch vermittelt: Welche Großbücherei könnte sich entscheiden, eine neue Enzyklopädie anzukaufen, die dann doch 14.000 Euro kosten müsste? Eines ist die Editionale nicht: nur Lobby für das Gute, Alte:
    "Es gibt alle möglichen Denkweisen, wo eben auch elektronische Medien verarbeitet werden: von Bleisatz bis digital!"
    Denkbar ist, dass Kunstdrucker elektronische Sichtfelder in ein Buch einbinden, also Illustration, die als digitale Grafik funktioniert. Ein E-Book im echten Buch, aktuell herstellbar in Miniauflage. Prototypen für das Buch von Morgen? Anders gesagt: Die große zivilisatorische Epoche des echten, gedruckten Buchs muss nicht unbedingt zu Ende gehen. Sie wird sich verändern.