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Kunsthalle Wien
Die neuen Rechten und die Kunst

Rechter Populismus ist das Geschäft der österreichischen Partei FPÖ - momentan ein sehr ertragreiches angesichts der Zustimmung bei den letzten Landtagswahlen. Die Partei ist unter dem Vorsitzenden Heinz-Christian Strache so stark wie zuletzt unter Jörg Haider - auch weil Strache die popkulturelle Klaviatur mit Virtuosität bespielt.

Von Günter Kaindlstorfer | 07.11.2015
    FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache, Spitzenkandidat bei der Wiener Landtagswahl
    Feiern wie ein Popstar - eine Ausstellung über politischen Populismus in der Kunsthalle Wien (Imago)
    Popkultur und Populismus – das passt nicht schlecht zusammen. H. C. Strache, Máximo Lider der österreichischen Rechtspopulisten, beweist das in schöner Regelmäßigkeit – beispielsweise, indem er als Rapper auftritt:
    "Machen wir Österreich doch gerecht,
    seien wir nicht länger Brüssels Knecht.
    Mit uns wird sich die Arbeit lohnen,
    nur wir erhöhen auch die Pensionen.
    Die Armut stellen wir gemeinsam an,
    in der EU holen wir für Euch Rabatt.
    Für unsere Familien gibt's mehr Geld,
    statt Zuwanderung aus aller Welt."
    Der fesche Rechte
    Strache ist einer, der die popkulturelle Klaviatur mit Virtuosität bespielt. Ob er sich als Revolutionär im Che-Guevara-Look inszeniert oder die Dancefloors der Wiener Diskos unsicher macht, um sich an jugendliche Wähler ranzuschmeißen: Strache nützt die Ästhetik der Popkultur – und kommt an. Klar, dass der fesche Rechte auch auf Facebook zugange ist: 240.000 Followern gefällt das.
    "Also, ich finde die Selbstinszenierung vieler Politiker schon ziemlich schockierend."
    Nicolaus Schaffhausen, Direktor der Kunsthalle Wien, beobachtet den popkulturell gestützten Vormarsch der europäischen Rechten mit Sorge. Der Versuchung, populistischer Politik mit einer populistischen Ausstellung zu begegnen, widersteht der 50-Jährige. Die Wiener Populismus-Schau ist eine anspruchsvolle Sache – mit vielen Videos und hochkomplexen Installationen, deren Sinn sich dem Besucher erst nach eingehenderer Beschäftigung, mit, sagen wir, russischer, polnischer und koreanischer Innenpolitik erschließt. 25 Künstlerinnen und Künstler sind in der Ausstellung vertreten, die meisten von ihnen beschäftigen sich NICHT mit dem Thema Populismus, sondern mit allgemein politischen Themen: Überwachung, Migration und mediale Manipulation zum Beispiel.
    "Künstler arbeiten nicht nur im luftleeren Raum, sondern sind nicht nur vom Alltag unseres Lebens, sondern auch von Politik beeinflusst. Insofern geht es hier schon um Kommentare – manchmal sehr direkt, manchmal eher metaphorisch – auf die politische Textur unseres zeitgenössischen Lebens."
    Putins Mietdemonstranten
    Spannend sind die Temperabilder Johanna Kandl, auf denen favelaartige Stadtlandschaften mit neoliberalen Schönsprech-Slogans versehen sind. Die Koreanerin Minouk Lim beschäftigt sich in einem Video mit einem Trauma der koreanischen Geschichte: den Massenmorden an südkoreanischen Bürgern, 1950 und 1980, die kommunistischer Sympathien verdächtigt wurden. Und die russische Künstlerin Anna Jermolaewa dokumentiert eine ironische Aktion, die sie vor kurzem auf der Kunstbiennale Moskau realisiert hat. Hintergrund des Ganzen: Putins Partei "Einiges Russland" pflegt ihre Manifestationen offenbar mit gemieteten Demonstranten aufzupeppen, auf dass die Putin-treuen Massen auf Moskaus Straßen etwas machtvoller erscheinen. Es gibt in Russland ein eigenes Internetportal, auf dem man solche Mietdemonstranten engagieren kann, erzählt Anna Jermolaewa:
    "Mit diesen Leuten wollte ich arbeiten. Ich habe hundert Leute auf der Plattform rekrutiert – das sind Berufsdemonstranten. Sozusagen politische Körper, die sich verkaufen."
    Und mit denen organisierte Jermolaewa eine, nein, zwei Kundgebungen: eine, die sich FÜR die Kunstbiennale Moskau aussprach, und eine andere, die dagegen war.
    500 Rubel für 3 Stunden Demonstrieren
    "Und dann haben die Leute drei Stunden lang das gemacht, was ich wollte: herumgehen, rausgehen, reingehen. Und dann habe ich sie bezahlt. Jeder hat 500 Rubel bekommen. Das ist der durchschnittliche Preis für drei Stunden Demonstrieren."
    Jermolaewa hat die Moskauer Aktion gefilmt und präsentiert das Ganze nun auf zwei nebeneinander installierten Flatscreens: auf einem der Bildschirme sind die Demos dokumentiert, auf dem anderen sieht man die Manifestanten, die die Früchte ihrer mehrstündigem Demonstrationsarbeit in cash entgegennehmen.
    Nicht alle Positionen der Wiener Schau sind so leicht zu verstehen. Die meisten Arbeiten entziehen sich eindeutiger Interpretation, sind mehrdeutig und polyvalent – ganz so, wie Kurator Nicolaus Schaffhausen es wollte. Schließlich sollte es ja dezidiert KEINE populistische Populismus-Schau werden.