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Kunstmarkt
Der Aldi-Erbe, die Kunst und das Geld

Die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen gegen den Kunstberater Helge Achenbach auf einen früheren Geschäftspartner ausgedehnt. Er soll gewusst haben, dass Achenbach zu hohe Provisionen verlangt habe, erklärt DLF-Kulturredakteur Stefan Koldehoff. Angehörige und Erben des Aldi-Erben Berthold Albrecht fordern knapp 20 Millionen Euro Schadenersatz.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Karin Fischer | 02.09.2014
    Helge Achenbach
    Der Kunstberater Helge Achenbach. (dpa)
    Karin Fischer: Seit gestern steht der erste Verhandlungstermin fest. Der Skandal um den Kunstberater Helge Achenbach wird am 11. November vor Gericht kommen. In einem Zivilprozess vor dem Düsseldorfer Landgericht fordern Angehörige und Erben des Aldi-Erben Berthold Albrecht ganz erheblichen Schadenersatz, knapp 20 Millionen Euro nämlich. Es geht um Kunstwerke ebenso wie um Oldtimer, und Achenbach soll jeweils die Preise eigenmächtig erhöht und dadurch deutlich mehr Provision eingestrichen haben, als ihm zugestanden hätte. Bei Ausgaben von 121 Millionen Euro läppert sich das. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf einen früheren Geschäftspartner ausgeweitet. Frage an meinen Kollegen Stefan Koldehoff: Wer ist das und was wissen Sie darüber, was ihm zur Last gelegt wird?
    Stefan Koldehoff: Das ist ein Mann, der durchaus in der Kunstwelt einen klingenden Namen hat, der an führender Stelle bei einem großen deutschen Kunstversicherer tätig war, dann aber 2011 gemeinsam mit Helge Achenbach und der Berenberg Bank, einer Düsseldorfer Privatbank, die Berenberg Kunstberatung gegründet hat. Ziel war, reichen Anlegern nicht nur Finanzprodukte anzubieten, sondern ihnen auch die Möglichkeit zu offerieren, gegebenenfalls in Kunst Geld anzulegen, und da war natürlich dieser Mensch, der für die Versicherung gearbeitet hat, zusammen mit dem Kunstberater Achenbach und einem weiteren, einem Kunsthistoriker, Thomas Kellein nämlich, der letztlich dann, weil ihm einiges Spanisch vorkam, den ganzen Fall ins Rollen gebracht hat, da war das natürlich ein gutes Trio zusammen mit einem vierten, einem Mitarbeiter der Bank. Und vorgeworfen wird diesem Menschen, über den wir jetzt sprechen, dass er von krummen Geschäften, von zu hohen Provisionen und damit möglicherweise von Betrug gewusst haben soll.
    Fischer: Achenbach selbst sitzt seit Juni in Untersuchungshaft. Es soll auch Unregelmäßigkeiten bei seinen Geschäften mit dem Pharma-Unternehmer Christian Boehringer gegeben haben. Das Ganze riecht sehr nach Kir Royal und Prominentenstadel und ist natürlich ein tolles Thema, allein schon deswegen, weil man vermuten kann, alle diese Unternehmer hätten keine Ahnung von Kunst und natürlich auch keine Zeit, sich zu kümmern. Erklärt das diese machtvolle Rolle von Achenbach?
    Preise sind reine Verhandlungssache
    Koldehoff: Da darf man sicherlich nicht verallgemeinern. Das was Sie gerade sagen, das trifft sicherlich auf einen Teil, aber auf nicht alle Menschen zu, die Kunst nicht nur kaufen, um schöne Bilder an der Wand hängen zu haben, sondern auch, weil sie eine Investition darin sehen. Helge Achenbach hat sehr früh, nämlich schon Ende der 70er-Jahre erkannt, dass solche Menschen Beratung haben wollen, und hat ihnen angeboten, wenn ihr - ich sage es jetzt mal so ganz ungeschützt - euch profilieren wollt mit Kunst, wenn ihr soziales Prestige über Kunst gewinnen wollt, aber vielleicht auch, wenn ihr die Kunst tatsächlich mögt, dann bin ich derjenige, der euch sagt, was gut ist, was angemessene Preise sind, der euch die Bilder besorgt und der dafür dann ein Honorar bekommt. Dass dabei dann natürlich auch die Möglichkeit besteht, Preise so zu gestalten, wie man das selbst möchte, das ist seit jeher am Kunstmarkt so üblich gewesen, denn man darf nie vergessen: Kunstmarkt, reinste Form der Marktwirtschaft, ein Anbieter, ein Nachfrager, und schon ist jeder Preis möglich, weil es eben nicht wie für ein Kilo Schinken oder für ein Kilo Gold oder für ein bestimmtes Auto Listenpreise gibt, sondern das reine Verhandlungssache ist. Und genau das wird Achenbach jetzt vorgeworfen, er habe mit gefälschten Rechnungen gearbeitet, er habe überhöhte Provisionen kassiert, er habe nicht ehrlich gegenüber diesen Kunstkäufern, diesen sehr reichen Leuten - von vieren oder fünfen ist inzwischen die Rede - gehandelt. Er selbst äußert sich dazu im Moment überhaupt nicht und der Mensch, über den wir zu Anfang dieser Sendung, der jetzt auch Beschuldigte, sprachen, der sagt, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen.
    Fischer: Das soll Achenbach jetzt auch gar nicht entschuldigen, aber das Phänomen haben wir ja heute generell. Der Kunstmarkt ist deswegen so aufgeheizt und dreht so turbomäßig an der Geldschraube, weil immer mehr Anleger nicht mehr so genau wissen, wohin mit ihren Millionen in Zeiten, in denen ja sogar Deflation droht.
    Kunst als neue Schwarzgeld-Konten
    Koldehoff: Das ist genau so, wie Sie es beschrieben haben, Frau Fischer. Und es kommt noch ein Faktor hinzu. Das Schweizer Bankgeheimnis beispielsweise bröckelt. Staaten wie Liechtenstein oder Luxemburg, die früher safe havens für Schwarzgeld gewesen sind, sind das heute nicht mehr durch internationale Kontrollabkommen. Auf der anderen Seite ist am Kunstmarkt so viel Geld unterwegs wie nie zuvor. Ich sprach vor zwei Wochen noch mit einem Kunsthändler, der sagte, wenn das berühmte Selbstbildnis mit verbundenem Ohr, Vincent van Gogh, in griechischem Privatbesitz, auf den Markt käme, dann wäre das wahrscheinlich das erste Bild, das die 300 Millionen überspringen würde, und er hätte auf Anhieb 20 Leute, die er sofort anrufen könnte, die ihm sofort, ohne mit der Wimper zu zucken, dieses Bild abkaufen würden. Also man kann fast sagen, dass die Kunst so etwas wie die neuen Schwarzgeld-Konten sind, aber auch da wieder darf man nicht verallgemeinern. Es gibt natürlich, Binsenweisheit, überall solche und solche.
    Fischer: Herzlichen Dank, Stefan Koldehoff, für diese Einschätzungen zum Fall Achenbach und zum internationalen Kunstmarkt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.