
"Wir zeigen hier Dinge, die wir in Meschehyria gefunden haben, der Residenz des geflohenen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Wir haben wirklich alles hier! Nichts wurde weggelassen, nichts wurde versteckt. Ziel der Schau ist es, dass sich die Besucher selbst ein Bild von dem machen, was Janukowitsch für schön, luxuriös und apart gehalten hat",
erklärt der Kurator der Ausstellung, Oleksander Rojtburd, der zu den bekanntesten postmodernen Malern der Ukraine gehört. Rojtburd hat die Ausstellung in mehrere "Bücher" gegliedert. Die Besucher schreiten so wie durch eine Bibliothek, betreten etwa das "Buch des Lichts" in dem ebenso prunkvolle wie kitschige Kandelaber und Kronleuchter zu sehen sind. Im Buch des Geistes wiederum sind einige interessante Ikonen aus dem 14. bis 19. Jahrhundert zu betrachten. In insgesamt 12 solchen "Büchern" spüren die Ausstellungsmacher in Kiew der Frage nach, was die ausgestellten Dinge über die Entwicklung des Kunstgeschmacks von post-kommunistischen Politikern erzählen, die keine Oligarchen und doch zu märchenhaftem Reichtum gekommen sind.
Oleksander Rojtburt: "Dieser Mensch Janukowitsch ist unter komplizierten Bedingungen großgeworden. Er hatte eine schwere Kindheit. Das kann man in den ausgestellten Dingen erkennen. Man erkennt aber vor allem, dass er in seinem Leben unbewusst danach strebte, die erlittenen kindlichen Traumata zu kompensieren. Eine Kompensation war, sich mit Dingen zu umgeben, die seinen Vorstellungen von Reichtum, Schönheit und Luxus entsprechen."
Leben wie Adlige im Zarenreich
Janukowitschs Geschmack steht hier stellvertretend für viele post-kommunistische Politiker seiner janusgesichtigen Generation, die vom Sieg der Arbeiterklasse schwärmte, aber im Innersten davon träumte, so zu leben wie Adlige im Zarenreich.
"Und so entstand eine Kultur der Geschmacklosigkeit, der Pöbelei und eine besondere Ästhetik – eine Ästhetik von Räuberbaronen", meint Oleksander Rojtburt.
Geradezu symbolhaft zeigt sich dies an einem Bild aus dem Besitz von Janukowitschs ebenfalls geflohenen Generalstaatsanwalt Wiktor Pschonka. Es ist einem Gemälde von Anatoli Schepeljuk nachempfunden und zeigt den russischen Generalfeldmarschall Kutusow inmitten seiner Satrapen bei der Schlacht von Borodino. Nur trägt Kutusow auf dem Gemälde das Gesicht von Wiktor Pschonka. Geradezu entsetzt steht eine Besucherin vor dem Bild.
"Dieser Kutusow!? So ein kleines Bild. Aber es weckt die meisten Emotionen. Ich habe es sofort mit dem Handy fotografiert und werde es nun all meinen Freunden zeigen", sagt sie
Olja heißt die Besucherin und was sie am meisten schockiert, ist der unglaublich Narzissmus, der in solchen Gemälden zum Ausdruck kommt. Und doch befinden sich unter all dem Kitsch, dem goldenen Blendwerk kunsthistorisch wertvolle Schätze. So wird im "Buch des Geistes" auch eines der ersten osteuropäischen Druckwerke gezeigt. Ein Exemplar des Buches "Apostol" von Iwan Fedorow stammt aus dem Jahre 1574. Ein anderes Kunstwerk, das Gemälde "Christus und die Sünderin" des Post-Impressionisten Wassilij Poljenow wurde bei einem Londoner Auktionshaus für Janukowitsch ersteigert – für vier Millionen Pfund. Kritikern, die mit der Ausstellung dennoch hauptsächlich den Voyeurismus der Massen befriedigt sehen, antwortet Co-Kuratorin Alissa Loschkina:
"Wir haben uns die Aufgabe gestellt, den Besuchern auch eine Art ethischen Kompass mitzugeben. Die Ausstellung soll den Besucher vermitteln, wie wichtig es ist, dass die Macht sich immer in ein Verhältnis setzt zu der Gesellschaft, der sie ihre Regeln aufzwingt. Sie zeigt, wie unzulässig eine Situation ist, in der ein Staatsoberhaupt beginnt, ein pseudo-zaristisches Leben zu führen, während die Menschen arm sind und das Land zusammenbricht. Das zu zeigen war unser Hauptanliegen."