Dienstag, 19. März 2024

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Kunstprojekt "Eternal Employment"
Geld fürs Nichtstun

2.046 Euro fürs Nichtstun: Diese Stelle bietet die Stadt Göteborg an. Die Ausschreibung ist Teil eines Kunstprojekts des schwedischen Duos Goldin+Senneby, mit der die Auffassung von Arbeit auf den Prüfstand gestellt werden soll. Der Haken: Geeignete Kandidaten werden sich niemals bewerben. Eine Glosse.

Von Florian Werner | 23.03.2019
Ein Mann liegt in einer Hängematte und genießt das warme Wetter.
Nichtstun für immer - eine traumhafte Anstellung? (picture-alliance / dpa / Lukas Schulze)
Die Stellenbeschreibung klingt erst einmal attraktiv: Der oder die Angestellte kann nach Lust und Laune zur Arbeit erscheinen, hat keine festgelegten Aufgaben, trägt keine Verantwortung, kann nicht gekündigt werden und erhält ein Einstiegsgehalt von 2.046 Euro. Lebenslang. "Eternal Employment", nennt sich das Kunstprojekt des schwedischen Duos Goldin+Senneby, es könnte aber auch den Titel eines Dire-Straits-Songs aus den 80er Jahren tragen: "Money for Nothing". Geld für Nüscht.
Unpraktiker und Unpraktologen gesucht
Die Künstler verkünden, sie wollten mit der Aktion unsere "Auffassung von Arbeit und dem Arbeitersein" auf den Prüfstand stellen. Die Allerersten sind sie damit nicht: Im benachbarten Finnland ging gerade ein Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen mit 2.000 Teilnehmern erfolgreich zu Ende. Die entscheidende Frage lautet also: Wird überhaupt jemand den Job als Nichtstuer zugeschlagen bekommen? Und wenn ja: Was schreibt er oder sie in die Bewerbung?
Erster Versuch: der Akademiker.
"Sehr geehrter Herr Goldin, sehr geehrter Herr Senneby, ich möchte mich hiermit auf die von Ihnen ausgeschriebene Stelle bewerben. Ein Schwerpunkt meiner wissenschaftlichen Tätigkeit stellt seit jeher die Auseinandersetzung mit Theorien der Passivität dar. Meine Doktorarbeit widmete sich Strategien der Stille in den Werken des Komponisten John Cage. Meine Habilitationsschrift mit dem Titel "I would prefer not to. Anarchie und Arbeitsverweigerung in Hermann Melvilles Erzählung ‚Bartleby‘" wurde nachweislich noch von keinem einzigen Menschen gelesen, demonstriert also auch performativ, wovon sie inhaltlich ... "
"Vielen Dank für Ihre Bewerbung, aber wir suchen keinen Theoretiker des Nichtstuns, sondern einen Praktiker. Oder besser Unpraktiker. Unpraktologen? Egal, Sie wissen schon, was wir meinen."
Sie haben Erfahrungen im Nichtstun? Bitte bewerben!
Zweiter Versuch: der Praktiker.
"Suchen Sie nicht weiter, schmeißen Sie den Stapel mit Bewerbungen in den Papierkorb - ich bin ihr Mann! Schon seit Jahren widme ich mich professionell und extrem erfolgreich der Kunst des dolce far niente, und kann Ihnen bei Interesse gern Empfehlungsschreiben früherer Klienten und Geschäftspartner vorlegen. Mein Arbeitslosigkeitstag beginnt verlässlich morgens um 5: Ich wache auf und bleibe noch ein wenig liegen. Um sechs Uhr mache ich keine Gymnastik, um sieben Uhr kein Frühstück und beantworte um acht Uhr keine Emails, bevor ich Punkt neun Uhr nicht zum Dienst erscheine - jeden Tag außer Sonntag, da lasse ich es ein wenig ruhiger …"
"Danke für Ihre Zuschrift - aber uns scheint, dass Sie die Passivität doch ein wenig, nun: zu aktiv betreiben."
Und der dritte Bewerber? Wäre eigentlich genau der richtige Kandidat für diese Stelle - ist aber leider zu bequem, um sich darum zu bewerben. Ein Anschreiben formulieren? Zu viel Stress! Lebenslauf: Äh, was hab ich eigentlich die letzten Jahre … ? Und müsste man den ganzen Papierkram nicht am Ende auch noch zur Post bringen? Die bittere Nachricht lautet also: Dieser Traumjob ist wirklich schwer zu besetzen. Die gute Nachricht hingegen: Er ist immer noch zu haben! Also nichts wie ran an den Computer. Schnell keine Bewerbung schreiben.