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Kunstraub mit Einkaufsliste

Südafrikansiche Kunst erfreut sich steigender Beliebtheit. Bei einem Kunstraub im südafrikanischen Pretoria haben die Täter dem Museumsmitarbeiter an der Kasse mit vorgehaltener Pistole eine Wunschliste präsentiert. Die Räuber hatten offenbar wenig Ahnung, die teuersten Bilder ließen sie zurück, eines davon auf dem Bürgersteig.

Das Gespräch führte Beatrix Novy | 12.11.2012
    Beatrix Novy: Mit jeder Nachricht von einem neuen Sensationspreis, den ein Kunstwerk wieder mal bei einer Auktion erzielt hat, steigen auch die Aktien für den nächsten Kunstraub. Bei solchen Preisen lohnt sich eben das Risiko. Dass die Branche mit der Sicherheitstechnik immer Schritt hält, ist ja auch eine alte Jacke. Aber Räuber, die mit quasi einer Einkaufsliste ins Museum kommen und dann nicht mal das Teuerste mitnehmen, das hat es noch nicht gegeben. Zumal Kunstraub auf Bestellung noch nie nachgewiesen wurde. Also den so beliebten schwerreichen verrückten Sammler, den gibt es nach übereinstimmenden Aussagen überhaupt nicht. Wenn aber doch, dann hat er den merkwürdigen Kunstraub in Pretoria in Südafrika veranlasst, den jetzt unser Korrespondent Claus Stäcker schildern wird.

    Claus Stäcker: Merkwürdig trifft es wohl am besten. Insgesamt sind fünf Bilder gestohlen worden mit einem Gesamtwert von mehr als 15 Millionen Rand, das sind immerhin gute 1,4 Millionen Euro. Und dieses Trio, offensichtlich ein älterer Mann von 50 bis 60 Jahren und zwei im Alter von ungefähr 20, die haben sich da als Kunstlehrer und Kunststudenten ausgegeben, haben ordnungsgemäß ihren Eintritt bezahlt, der beträgt pro Person zehn Rand, also weniger als einen Euro, und haben dann sogleich dem Museumsmitarbeiter an der Kasse eine Pistole vorgehalten, eine Wunschliste gezeigt, das sind die Gemälde, die wir haben wollen, und dann sind die beiden mit ihrer Geisel in die Galerie gegangen und haben genau diese Bilder abgenommen. Dabei handelt es sich ausschließlich um südafrikanische Werke von in Europa nicht ganz so bekannten Künstlern, aber hier sehr, sehr prominenten. Da ist zum Beispiel ein Bild dabei gewesen von Irma Stern, die zu gut Deutsch Irma Stern heißt und in Weimar und Berlin studiert hat zu Zeiten der Weimarer Republik und eigentlich eine sehr Prominente war, eine Expressionistin, die unter anderem auch mit Max Pechstein gearbeitet hat, aber in Südafrika geboren und auch schon in den 20er-Jahren zurückgekehrt nach Südafrika. Hier ist sie allerdings erst nach ihrem Tod 1966 zu Ruhm gekommen, hier hatte man sich etwas schwer getan mit ihren Bildern. Heute ist sie natürlich eine der Teuersten überhaupt. Ein zweiter ganz berühmter Gerard Sekoto: Das ist eigentlich der schwarze afrikanische Maler, der überhaupt schwarze Malerei aus Südafrika aufs Tapet gebracht hat. Er hat Township-Szenen gemalt in schillernden Farben und es damit wirklich zu internationalem Ruhm gebracht. Das sind zwei der Bilder, aber etwas absurd war, dass nicht alle Bilder in das Fluchtauto gepasst haben, ein relativ kleiner Toyota, und ausgerechnet das teuerste Bild, nämlich ein weiteres Bild von Irma Stern, dessen Versicherungswert allein auf 1,2 Millionen Euro geschätzt wird, das Bild haben sie einfach auf dem Bürgersteig liegen lassen und sind abgefahren.

    Novy: …, was darauf schließen lässt, dass die Räuber keine Ahnung hatten von den Bildern?

    Stäcker: Dafür spricht auch, dass sie einige doch sehr teuere Bilder im Museum gelassen haben. Da gibt es auch Bilder von William Kentridge, das ist eigentlich der Superstar schlechthin von den lebenden südafrikanischen Künstlern, der jüngst auch auf der "documenta" zu sehen war, der erzielt schon mit seinen Kohlezeichnungen Preise von 200.000 Euro. Also William Kentridge haben sie in Ruhe gelassen und nicht angerührt, das spricht wirklich dafür, dass ein Auftraggeber dahinter gesteckt haben könnte.

    Novy: … und diese Bestellung sich doch dann mehr auf südafrikanisch relevante Kunst bezog als auf international bekannte, oder?

    Stäcker: Das ist genau der Punkt und deshalb vermutet zum Beispiel auch ein Versicherungsfachmann für Kunsthandwerk, dass die Hintermänner sicherlich auch Südafrikaner sind, denn bei Auktionen, die zuletzt, auch wenn es in London war, bei Bonhams oder Sotheby’s, hervorragende Preise erzielt haben, zum Teil über eine Million Pfund, manchmal sogar drei Millionen Pfund, das waren fast immer südafrikanische Käufer, entweder Exil-Südafrikaner, oder sehr reiche Familien aus Südafrika, die dort ganz gezielt gekauft haben, und das legt die Vermutung nahe, dass es auch diesmal Südafrikaner waren, die möglicherweise, wenn es denn ein Auftragsdiebstahl war, dahinter stecken und keine internationalen Kunsthändlerringe.

    Novy: Nun sagt man ja, bisher gibt es keinen erwiesenen Fall von direkter Auftraggeberschaft für Kunstraub. Glauben Sie, dass hier wirklich ein Fall vorliegt, bei dem man von vornherein sagen kann, ja das ist wohl so, das ist sicher?

    Stäcker: Die Indizien und auch die Aussagen von einigen Galeristen und dem eben zitierten Versicherungsfachmann für Kunsthandwerk würde sehr dafür sprechen. Ich finde das sehr logisch, davon auszugehen, dass es einen südafrikanischen Hintergrund hat. Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass das international ist, wobei, wenn ich an Bonhams und Sotheby’s denke, die südafrikanische Werke so teuer verkauft haben, natürlich ist das theoretisch auch denkbar, dass Händlerringe sich einfach dieses kleine Juwel Südafrika, diesen Nischenmarkt herausgesucht haben. Aber es spricht schon eher dafür, dass es einen rein südafrikanischen Hintergrund hat.

    Novy: Und es gibt keinen bestimmten Verdacht?

    Stäcker: Nein, es fehlt bis jetzt jede Spur. Von der Galerie kam bis jetzt noch keine einzige Aussage. Sie hat nur inzwischen schon zu einer kleinen politischen Debatte geführt, zumindest in den Stadtgrenzen von Pretoria, denn offensichtlich hat es schon Warnungen von der Opposition gegeben, die reichhaltige Museumslandschaft besser zu schützen. Nun hat man die Quittung bekommen und das Büro des Bürgermeisters musste sogar zugeben – das war ja die große Frage: Wie konnten die überhaupt rauskommen, warum ist kein Alarm losgegangen, warum gab es keine Videoüberwachung -, sie mussten heute einräumen, dass es eine Fehlermeldung gab, nämlich schon am Donnerstag, und dass die Videokameras erst heute repariert worden sind. Das war natürlich ein bisschen zu spät.

    Novy: Nur ein ganz kleines bisschen zu spät, aber es hat gereicht – Claus Stäcker war das über den Kunstraub in Pretoria.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.