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Kunstrichtung
Street Art- und Graffiti-Szene in Köln boomt

Ist das Kunst, oder kann das weg? Wohl keine andere Kunstrichtung ist häufiger mit dieser Frage konfrontiert als die Street Art. Für den Kölner Verein Artrmx ist die Antwort eindeutig: Street Art ist für sie eine der wichtigsten Kunstrichtungen der Gegenwart. Mittlerweile kann es Köln locker mit der Street Art Metropole Berlin aufnehmen.

Von Simone Schlosser | 01.07.2014
    Ein Wandgemälde zeigt am 13.04.2013 in Köln (Nordrhein-Westfalen) das geistliche Oberhaupt des Tibetischen Buddhismus, den Dalai Lama, der mit einer chinesischen Flagge geknebelt ist. Das elf Meter hohe Gemälde mit dem Motto "Reden ist silber, schweigen ist China", das der Kölner Streetart-Künstler B. Shanty gemalt hat, hatte die Kölner Gruppe von Amnesty International in Auftrag gegeben.
    Das elf Meter hohe Gemälde mit dem Motto "Reden ist Silber, schweigen ist China", das der Kölner Streetart-Künstler B. Shanty gemalt hat. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    "Wir sind jetzt hier am Rudolfplatz Ecke Friesenwall. Den Platz habe ich natürlich bewusst ausgewählt, weil sich hier im Friesenwall einer der Street Art Hot Spots in Köln befindet."
    Der Friesenwall liegt ein bisschen versteckt in der Kölner Innenstadt. Hier vor der Rückseite des ehemaligen UFA-Filmpalasts beginnt die Street Art Führung des Kölner Vereins Artrmx. Geschickt lenkt Sascha Klein den Blick auf die obere Hälfte der Häuserwand. Mehrere Künstler haben hier zusammen ein beeindruckendes Bild geschaffen, in das sie kunstvoll die vorhandenen Plakatwände integriert haben:
    "Wir haben zum einen diese Dunstschwaden hier, die um die Plakatwände aufsteigen. Das könnte sozusagen der heiße Rauch sein, der von dieser Werbung produziert wird. Also man kann schon so ein paar Verweise sehen, was die Künstler so von der Werbung hier halten."
    Im Gegensatz dazu wirkt der untere Teil der Hauswand ziemlich zugeschmiert. Aber auch hier gibt es einige Kunstwerke zu entdecken:
    "Von solchen Biotopen lebt die Street Art, wenn sie eben nicht legal passiert. Hier eben genau unterhalb dieser Wandgestaltung befinden sich ganz viele Kunstwerke. Und zwar vor allen Dingen neben den obligatorischen Graffitis, die wir hier auch haben, viele Paste-Ups. Paste-Ups sind kleine ausgeschnittene Poster, die die Künstler sozusagen mitbringen und dann nachts hier ankleben."
    Permanenter Prozess von Überlagerung
    Verschiedene nationale und internationale Künstler haben hier in den vergangenen Jahren ihre Spuren hinterlassen. Zum Beispiel El Bocho aus Berlin. Eines seiner bekanntesten Motive ist ein Mädchengesicht mit langen Haaren und tief in die Stirn gezogener Mütze. In Köln befinden sich mehrere davon. Das Bild hier auf der Wand ist aber kaum noch zu erkennen.
    "Es können immer wieder neue Sachen hinzugekommen sein. Oder alte können abgerissen oder überklebt oder übersprüht worden sein. Davon lebt sozusagen auch die Street Art. Das ist ein permanenter Prozess von Überlagerung, Kommentierung. Es soll ja auch nicht an ganz versteckten Orten passieren, sondern es soll auch an Orten sein, wo viel Publikum ist."
    Besonders beliebt ist der Kölner Stadtteil Ehrenfeld mit seiner hippen Klub-Szene. Auch im Belgischen Viertel ist viel los. Hier haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Galerien niedergelassen. Auch das zieht Street Artists an. Eine der wichtigsten Galerien ist Die Kunstagentin von Anne Scherer. Die 36-Jährige hat sich schon früh auf Street Art spezialisiert:
    "Meine Galerie ist eine Galerie, die zeitgenössische Kunst ausstellt. Und Urban Art ist ein Aspekt der Gegenwartskunst. Das ist unser Zeitgeist. Das ist die visuelle Bildsprache, in der wir uns jetzt in unserer Generation wiederfinden."
    Respekt verdienen durch Arbeiten im öffentlichen Raum
    Das heißt, natürlich nicht, dass sie irgendwelche Werke von der Straße ausstellt und dann ein Preisschild dran hängt. Die meisten Street Artists haben ein eigenes Atelier. Im öffentlichen Raum sind die zusätzlich aktiv, um auf sich aufmerksam zu machen.
    "In der Regel ist es den Künstlern viel wichtiger, als Künstler anerkannt zu werden. Meistens kommt die Galerievertretung im zweiten Schritt. Der erste Schritt ist, dass sie wahrgenommen werden und respektiert werden durch die Arbeit, die sie im öffentlichen Raum machen."
    Anne Scherer hat vor drei Jahren das erste City Leaks Festival für Urban Art in Köln kuratiert. In diesem Rahmen wurden zahlreiche Street Artists eingeladen, legal in Köln zu malen. Das hat sich in der Szene rumgesprochen:
    "Inzwischen blickt die internationale Street Art Szene wirklich sehr, sehr stark auch auf Köln. Und da es halt qualitativ wirklich sehr hochwertig ist, denke ich, dass wir uns hinter Berlin überhaupt nicht verstecken müssen. Im Gegenteil, das ist wirklich von der Qualität inzwischen weitaus besser."
    Jeden Spot wieder neu entdecken
    Eine richtige Outdoor Galerie ist in den vergangenen Jahren in Köln entstanden. Aber wer nicht aus der Szene kommt, weiß mit Street Artists oft wenig anzufangen. Deshalb hat Anne Scherer jetzt einen Stadtführer geschrieben. Ein Buch, in dem die wichtigsten Werke abgebildet sind. Außerdem hat sie Hintergrundinformationen um die Künstler zusammen getragen:
    "Ich meine, es ist schon schön zu wissen, wenn man an einer Wand vorbei geht und hört: Das ist jetzt eine Künstlerin aus New York, die aber auch schon in Los Angeles im Museum. Die halt schon so einen richtigen hohen Rang international hat, und die kommt nach Köln, und die malt halt hier ein Parkhaus uns an. Das macht ja schon was her, das zu wissen. Und die Menschen wissen es halt nicht. Da hängen ja auch keine Schilder an den Wänden."
    Einige der Wände in dem Stadtführer haben sich mittlerweile wieder verändert. Aber das gehört eben dazu. Wenn Sascha Klein eine Stadtführung gibt, dann entdeckt er jeden Spot wieder neu:
    "Einerseits ist das traurig, wenn man Motive oder Kunstwerke besonders lieb gewonnen hat. Andererseits muss man auch sagen, das ist eben auch Street Art. Street Art ist die vergängliche Kunst par excellence. Da heißt es immer wieder neu anfangen."