Donnerstag, 18. April 2024

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Kunstschau zur Alt-Right
"Nicht so blauäugig durch Netz und Welt gehen“

Künstlerische Arbeiten aus zwölf Ländern spüren in der Ausstellung „Der Alt-Right-Komplex“ in Dortmund Strategien, Mechanismen und Inhalte des Rechtspopulismus im Netz auf. Dabei zeigt sich: Künstler*innen sind nicht gegenmissionarisch tätig, sondern mit analytischer, aufklärerischer Absicht.

Von Peter Backof | 29.03.2019
Mehrere neben- und übereinander angeordnete Monitore zeigen Filme von Steve Bannon im Werk von Jonas Staal, „ Steve Bannon: A Propaganda Retrospective, Study“ von 2018
Jonas Staal, „ Steve Bannon: A Propaganda Retrospective, Study“, 2018 (Remco van Bladel and Jonas Staal)
Im Echoraum von "Ubermorgen". Eine Powerpoint-Präsentation hämmert Bilder und Begriffe im Zehntelsekundentakt auf drei Wände. "Die neue Frühjahrsmode"; sie "ist politisch", heißt es da. Und: "Die Komfortkultur ist endlich zurück!" Eine algorithmische Mechanik, die mit Nazi-Bild-Folklore, mit Hitler und Co, so gar nichts zu tun hat. Ist das politisch rechts? Ganz schön verklausuliert und smart, die neue "Kunst für Rechte", die das österreichisch-schweizerische Künstlerduo "Ubermorgen" hier ironisch anbahnt.
Museumsleiterin Inke Arns: "Naja, 'Ubermorgen', die machen ja schon seit 2000 sehr spannende Projekte. Die haben zum Beispiel eine Wahlmaschine-Online gebaut, mit der jeder seine Stimme meistbietend hätte verkaufen sollen. Sie sind daraufhin natürlich bei CNN eingeladen worden. 20 Minuten live bei CNN: Das haben nicht viele Künstler, meine ich."
Aus dem CNN-Clip: "Literally offering to buy your vote!"
Keine simple Ironie, keine Mission
Künstlerinnen und Künstler, die über die eigene Blase hinaus auch Hacker sind, Aktivisten oder Journalisten, aus zwölf verschiedenen Ländern, bilden das Portfolio von "Der Alt-Right-Komplex". Dahinter steckt keine simple Ironie und auch keine Mission gegen die alternativen und neuen Rechten, die im letzten Jahrzehnt international aufgepoppt sind. "Ubermorgen" arbeiten zum Beispiel analytisch heraus, wie bei "Breitbart News", die einflussreichste Plattform der Alt-Right, mit Wohlfühlbildern so etwas wie Familienzugehörigkeit als Gefühl suggeriert wird. Keine Gegenargumentation also, sondern ein Entlarven von Strategien.
"Warum mache ich überhaupt so eine Ausstellung? Weil wir, glaube ich, zu wenig uns darüber im Klaren sind, was im Moment im Netz passiert. Da gehen viele Leute immer noch viel zu blauäugig irgendwie durch das Netz und durch die Welt und denken sich: Ist doch alles so schön hier."
Kaum bekannt, dass Steve Bannon, der Trump-nahe Rechtspopulist, auch als Filmemacher agiert. Der niederländische Künstler Jonas Staal hat die Bildsprache der Dokus und Imagefilme von Bannon analysiert. Zu sehen in Dortmund als Reihe von zwölf Monitoren mit dessen Leitmotiven. Steve Bannon beruft sich auf narrative Techniken von Leni Riefenstahl. Zum Beispiel die Sturm-Metapher: Ein Stoppschild wackelt heftig im Sturmwind. Die Apokalypse steht unmittelbar bevor. Oder ist es die eigene Bewegung, die unaufhaltsam voran schreitet? Das bleibt vage und offen.
Von "Cuckservatives" bis "4Chan"
Dann geht es einen enger werdenden Korridor entlang, zu einem Glossar jenseits der künstlerischen Arbeiten, mit Begriffen und Biografien. "Steve Bannon", "Breitbart News" und die "Identitäre Bewegung" sind am ehesten noch durch Nachrichten bekannt, aber was sind "Cuckservatives" und "4Chan"? Was ist "Microtargeting"? Unabdingbar, meint Inke Arns, die Gruppen und Grüppchen der rechten Szene, ihre Codes, Strategien und ihre Vernetzung nochmal eigens darzustellen. Stimmt, denn die Menge der Namen und Begriffe wäre sonst einfach zu verwirrend.
"Wir reden hier wirklich von einem globalen Phänomen, was in der Tat von den USA seinen Ausgangspunkt genommen hat und im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 zum ersten Mal so ein bisschen öffentlicher geworden ist. Und ich glaube, dass das Netz und vor allem die sozialen Medien als Verstärker gedient haben und auch Beschleuniger."
So wurde "4Chan" - ursprünglich eine Trash-, Spam- und Hass-Plattform für Pubertierende in den USA - nachher von der Alt-Right entdeckt und genutzt, informiert das Glossar, und setzt dann eine Verknüpfung zu "Merkel muss weg"-Grüppchen auf Facebook. Weil dort das gleiche zu sehen ist: Lustig daher kommende Memes, mit maximalen Provokationen, die die Grenze des Sagbaren immer weiter hinausschieben. Diese Meinungsmache-Industrie wird aus Sicht von Inke Arns bislang bei weitem unterschätzt. Weil niemand zugeben möchte: Ich bin vielleicht auch manipulierbar.
"Dummerweise haben wir inzwischen gelernt, dass Wahlmanipulationen in der Tat sehr gut funktionieren. Stichwort 'Cambridge Analytica', die massiv mitgemischt haben, bei der US-Wahl, aber auch vorher schon, bei der Abstimmung über den Brexit."
"Stärkung der Demokratie! Nichts anderes"
Beim neuseeländischen Künstler Simon Denny wird gamifizierte Wirklichkeit beängstigend real. Er hat herausgefunden, dass Peter Thiel - ein Trump-naher Silicon-Valley-Millardär, sich in Neuseeland Land gekauft hat, für den eventuellen Fall des Weltuntergangs. Ein so genannter "Prepper". Daneben ist Thiel Brettspielfan und Simon Denny hat für ihn ein Spiel kreiert. Ob sich Peter Thiel jemals für das Spiel begeistern wird? Und ob überhaupt auch Besucher kommen werden, die nicht von vornherein gegen Rechts eingestellt sind? Das wird sich während der Laufzeit zeigen.
Eine bunte Spielanleitung des Künstlers Simon Denny: „Game of Life: Collective vs Individual Rules“ von 2017
Simon Denny: „Game of Life: Collective vs Individual Rules“, 2017 (Nick Ash)
Keine Gegenmission, aber ein verzweifeltes Sich-Abarbeiten, eine Ohnmacht der Künstler, ist zunächst zu sehen. Was wäre auch tun? Wenn das Netz Rechte hoch spült, ist es dann böse? Sollte es zensiert werden? Uploadfilter für politische Meinungen?
Inke Arns: "Nein, auf keinen Fall. Stärkung der Demokratie! Nichts anderes. Technische Lösungen, die funktionieren meiner Meinung auch nicht, beziehungsweise sie zerstören mehr als wir wollen."