Archiv

Kunststoff-Recycling
Giftige Stoffe in Haarspangen und Zauberwürfeln

Elektroschrott ist wertvoll, das Recycling von Kunststoffen gewünscht. Bei der Kunststoff-Wiederverwertung landen jedoch zuweilen giftige Stoffe in Billigprodukten - auch in Spielzeug. Mehrere Umweltverbände haben eine starke Belastung in Zauberwürfeln, Schlüsselanhängern und Haarspangen festgestellt.

Von Ralph Ahrens |
    Ein Schüler dreht am Freitag (30.04.2010) in Balingen (Zollernalbkreis) während des Landesfinales "Schüler experimentieren" an einem "Zauberwürfel".
    Auch Zauberwürfel können hormonschädlliche Stoffe enthalten. (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Knapp 800.000 Tonnen an alten Computern, Smartphones und anderen elektrischen Geräten werden in Deutschland jährlich gesammelt. Dieser Elektroschrott ist wertvoll: Recyclingfirmen trennen Kupfer und ein wenig Kunststoff ab und verkaufen dies. Der meiste Kunststoff aus Gehäusen oder Kabeln enthält jedoch Flammschutzmittel und wird nicht recycelt. Dies können giftige Flammhemmer wie polybromierte Diphenylether sein, erklärt Manuel Fernandez vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Das sind Giftstoffe, die sehr langlebig sind, also sich in der Umwelt kaum abbauen, sich in Lebewesen anreichern. Und es sind so genannte endokrine Disruptoren, also hormonschädliche Chemikalien."
    Flammschutzmittel landen oft in billigem Spielzeug
    Diese Substanzen können über ihre hormonähnliche Wirkweise bei Kindern die Entwicklung des Gehirns schädigen. Solche Kunststoffe werden teils in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Teils werden aus ihnen auch – dies meist außerhalb der EU – Billigprodukte hergestellt: "Beispielsweise Spielzeug, Zauberwürfel, Schlüsselanhänger, Haarspangen, Küchenutensilien, alles Mögliche."
    Und ein Teil dieser Produkte aus recyceltem Elektroschrott ist hoch belastet mit giftigen polybromierten Diphenylethern. Das zeigt die aktuelle Studie europäischer Umweltverbände. Pro Kilo Kunststoff enthalten sie oft viele hundert Mikrogramm der hormonschädlichen Stoffe. Neu hergestellter Kunststoff darf jedoch nur maximal 10 Mikrogramm dieser Flammschutzmittel pro Kilo enthalten. Und dieser Unterschied ist zulässig. Manuel Fernandez.
    Für Recycling-Produkte gilt ein höherer Grenzwert als für Neuware
    "Das ist in unseren Augen ein großer Skandal. Denn für Recyclingprodukte, also für Produkte aus recycelten Materialien aus altem Elektroschrott, gilt ein hundertfach höherer Grenzwert als für Neuware."
    Diese Ungleichbehandlung begann 2009. Über das Stockholmer Übereinkommen über langlebige organische Schadstoffe, den POPs, wurde damals der Einsatz dieser Flammschutzmittel weltweit verboten. Auf Drängen der EU wurde aber die Ausnahme für recycelte Produkte erlassen. "Also, es wurde, aus unserer Sicht nur darauf geschaut, dass man um jeden Preis höhere Recyclingquoten bekommt. Und dabei hat man es mit den Folgen für Umwelt und Gesundheit nicht so genau genommen."
    Umweltverbände wie der BUND fordern jetzt, diese Ausnahmeregelung zu beenden, zumal Spielzeuge oder Haarspangen keine Flammschutzmittel enthalten müssen. Manuel Fernandez‘ Wunsch ist eine schadstofffreie Kreislaufwirtschaft. Dies sei auch im ureigenen Interesse der Recyclingunternehmen, meint Björn Hansen, Direktor der Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki. "Je weniger gefährliche Stoffe man in einem Material hat, desto sicherer ist man, dass dieses Material eine Zukunft hat in der Kreislaufwirtschaft."
    BUND fordert Stopp der Ausnahmeregelung für Recycling-Produkte
    Die verwendeten Kunststoffe sollten also mit der Zeit sauberer werden. Doch wohin mit den Altlasten – also den heute mit Giftstoffen belasteten Kunststoffen aus dem Elektroschrott? Für Manuel Fernandez vom BUND ist klar: "Schadstoffhaltige Materialien müssen konsequent aussortiert und angemessen entsorgt werden. Oder man deponiert sie solange, bis die dafür notwendigen Techniken verfügbar sind."
    Kunststoffe aus Elektroschrott mit gesundheitsschädlichen Flammschutzmitteln sind also erst zu recyceln, wenn sich diese Giftstoffe entfernen lassen. Wichtig ist dem BUND außerdem, dass dieser Giftmüll nicht in Entwicklungsländer mit niedrigen Umwelt- und Sicherheitsstandards landet.