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Kursiv: Aufstieg und Fall von Donald Rumsfeld

Donald Rumsfeld gilt als hartgesottener Kriegstreiber – als einer jener, die den Irakkrieg mit zu verantworten hatten und den Sitten- und Werteverfall in der amerikanischen Armee. Der US-Journalist Bradley Graham hat jetzt ein Buch über den Ex-Verteidigungsminister geschrieben, das für Diskussionen sorgt.

Von Klaus-Jürgen Haller | 21.09.2009
    Fast jeden Tag stand Donald Rumsfeld vor der Presse: entschlossen, schlagfertig und witzig; so hatte man noch keinen Verteidigungsminister erlebt. Fast im Alleingang bestimmte dieser Virtuose der Selbstdarstellung das Bild des Krieges in Afghanistan und im Irak. Und meistens schien er recht zu behalten. Bis in Bagdad das große Plündern begann, und Rumsfeld nicht wahrhabe wollte, dass sich da ein Guerillakrieg zusammenbraute, auf den niemand vorbereitet war. Er am wenigsten. Nun lesen wir, dass leitende Offiziere im Hauptquartier in Florida stundenlang mit der Vorbereitung der täglichen Rummy-Show beschäftigt und für die Kommandeure im Einsatz nicht erreichbar waren.

    Damals machten Rumsfelds markige Sprüche Schlagzeilen. Er hat nie wiederholt, dass der Widerstand gegen den Irakkrieg für das alte und nicht für das neue Europa stehe; aber das eine Mal schlug in Westeuropa wie eine Bombe ein. Weil es so undiplomatisch wie zutreffend war. Niemand glaubt heute noch, dass der Protest gegen den Krieg der Amerikaner eine europäische Identität begründen könnte.

    Kaum waren die schaurigen Bilder aus dem Gefängnis von Abu Ghraib aufgetaucht, bot Rumsfeld seinen Rücktritt an. Zweimal. Bush lehnte ab. Nachdem seine Strategie im Irak scheiterte und sich der Machtverlust der Republikaner im Kongress abzeichnete, machte sich Rumsfeld 2006 zum Absprung bereit. Und wurde dann doch vom Ende überrascht, weil Bush erklärt hatte, der Verteidigungsminister werde weitermachen. Es kam anders. Nachfolger Robert Gates bewilligte zusätzliche Truppen, strich Waffensysteme und feuerte sogar den Kommandierenden General in Afghanistan. Plötzlich wollte es scheinen, dass Rumsfeld aggressiver Umgang mit Politikern und Militärs mehr Bellen als Beißen gewesen war.

    Bradley Grahams "By his Own Rules" – "Nach seinen eigenen Maßstäben" - sucht dem einflussreichsten wie umstrittensten Verteidigungsminister seit Robert McNamara gerecht zu werden. "Die Ambitionen, Erfolge und das endgültige Scheitern des Donald Rumsfeld" lautet denn auch der Untertitel. Der langjährige außen- und militärpolitische Korrespondent der Washington Post hat ein sorgfältiges und ein sehr menschliches Porträt gezeichnet, das auf billige Polemik verzichtet, ohne das Scheitern zu beschönigen.

    "Das waren Fehler der Strategie, Fehler sich veränderten Bedingungen anzupassen, Fehler im Verhältnis zum Militär, zum Kongress, zu Kollegen in der Administration; letztlich ein Fehler der Führung."
    Der sportliche Erfolg - im Ringen! – hat Rumsfeld einen Studienplatz an der Eliteuniversität von Princeton gesichert. Die Marine bildete ihn zum Piloten aus, und er wäre Soldat geblieben, wenn es zum Kampfpiloten auf einem Flugzeugträger gereicht hätte. So wurde er Mitarbeiter eines Abgeordneten in Washington und dann mit 29 Jahren selbst ins Repräsentantenhaus gewählt. Er gehörte zu jenen, die die Führungsriege der Republikaner im Kongress aufmischten. Er galt als ein Reformer, er setzte sich für die Bürgerrechte ein und - die größte Überraschung für den Rezensenten – er war maßgeblich am Zustandekommen des Freedom-of-Information-Act beteiligt. Jenes Gesetzes, das Regierungen bis heute zwingt, zu veröffentlichen, was sie lieber geheim halten möchten.

    Richard Nixon holte Rumsfeld als Berater ins Weiße Haus; den Watergate-Wirren entging er als Botschafter bei der NATO in Brüssel. Präsident Ford machte Rumsfeld zum Stabschef im Weißen Hauses, und der machte Dick Cheney zu seinem Stellvertreter. Rumsfeld wurde Verteidigungsminister; wenn auch nur für 14 Monate, in denen er die Entspannungspolitik Außenministers Kissingers der Sowjetunion gegenüber zu bremsen verstand. Dann übernahmen die Demokraten das Weiße Haus. Rumsfeld schaffte es aus dem Stand, nacheinander zwei angeschlagene Konzerne zu sanieren. Er wurde reich und blieb trotzdem bescheiden. Zuletzt als Verteidigungsminister überwies er der Staatskasse jährlich 5000 Dollar, falls er irgendwo übersehen haben sollte, einen privaten Vorteil zu erstatten.

    Je länger man dieses Buch liest, umso unverständlicher wird, dass Rumsfeld, der immer alles und zwar ganz genau wissen wollte, dem Angriff auf den Irak so unkritisch gegenüberstand. Seine Planung der Nachkriegszeit war fahrlässig; eine Fehleinschätzung provozierte die nächste. Rumsfeld hat sich von Bradley Graham für dieses Buch mehrfach interviewen lassen; das Thema Irak blieb allerdings tabu. Welchen Einfluss seine einstige rechte Hand Dick Cheney hatte, bleibt weiterhin offen. Leider. Graham glaubt, dass Rumsfeld selber noch nicht weiß, warum so vieles schiefgegangen ist. Rumsfelds eigene Erinnerungen sollen im Herbst 2010 erscheinen und die Cheneys ein Jahr später.

    Klaus-Jürgen Haller über: Graham Bradley: "By His Own Rules – The Ambitions, Successes and Ultimate Failures of Donald Rumsfeld". Erschienen bei Public Affairs, New York: 800 Seiten für ,00