Pekings Führer benähmen sich wie die "Herren der Welt", war jüngst im "SPIEGEL" zu lesen. Provozierend spielten sie überall die Störenfriede. Die Zeitschrift "Cicero" beliefert die öffentliche Debatte über das rätselhafte Großreich mit zwei gegensätzlichen Texten. So schildert zunächst Ruth Kirchner die erbarmungswürdige Situation der ansteigenden Zahl von Bittstellern vor den Petitionsämtern:
Zitat-Cicero:
"Manche Bittsteller werden verprügelt, in Auffanglager gebracht. Zudem sind Fälle von Bittstellern dokumentiert, die für Monate in psychiatrischen Anstalten oder Arbeitslagern verschwanden. Die Petenten seien der 'Willkür hilflos ausgesetzt'. Und trotzdem wird in China der Hunger nach Gerechtigkeit immer größer. Das ineffiziente Petitionssystem leistet seinen eigenen Beitrag dazu, die Bittsteller zu radikalisieren."
Deutsche Sinologen pflegen dem brutalen Regime stets wohlwollendere Urteile auszustellen. Ein darin Geübter ist Tilman Spengler, dem im "Cicero" die freiheitlichen Maßstäbe ein wenig durcheinander geraten. Denn er erkennt in den brachialen Praktiken des Repressionsregimes nur eine Angleichung an die westliche Moderne:
Zitat-Cicero:
"Plötzlich führen die Chinesen sich auf, wie die meisten anderen sich aufführen in unserer Weltgemeinschaft. Sie unterhalten heimliche Staats- und Foltergefängnisse, sie brechen Verträge und lügen in aller Öffentlichkeit, sie verpesten die Umwelt, überziehen das Land mit Abhöranlagen, missachten die Rechte des Bürgers. Anders gesagt: Die Chinesen sind in der Moderne angekommen, und vielleicht ist es das, was uns am meisten nervös macht – in unserer eigenen Blase der Selbstgerechtigkeit und aufgeklärten Selbstüberschätzung."
In der Zeitschrift "Merkur" bezieht Thomas E. Schmidt gegen diese Position Stellung. Nicht China ist in der Moderne angekommen, sondern die "vulgäre Moderne", wie sie das Großreich vertrete, gehöre der Vergangenheit an:
Zitat-Merkur:
"Dem Land wird zwar eine kulturelle Tradition konzediert, aber keine Kulturidee. China gilt als ein Land ohne intellektuelle und emotionale Anziehungskraft. Jede Form seines Eigeninteresses ist Ausdruck eines Nationalismus, den wirklich zivilisierte Nationen seit 1945 hinter sich gelassen haben. Die vulgäre Moderne ist vorbei"."
Andere halten sich bei ihrem unkritischen Umgang mit China an die Parole "Wandel durch Stabilität" , bei der man automatisch auf die Seite der Machthaber gerät und jede oppositionelle Regung als störend begreifen muss. In der SPD-nahen "Neuen Gesellschaft" bleibt sogar die maßgebliche Rolle der Volksrepublik am gigantischen Scheitern des Weltklimagipfels von Kopenhagen ausgespart. Wo doch gerade der Klimaschutz zur obersten Prüfungsinstanz geworden ist, um ökonomische Machtpolitik zu hinterfragen. Thomas E. Schmidt legt dies im "Merkur" überzeugend dar:
Zitat-Merkur:
""Europas Selbstbild verbietet, militärische Macht zu akkumulieren, es verbietet mittlerweile auch, sich mit allen ökologischen Konsequenzen als dynamische Wachstumsregion zu definieren. Derzeit kann es sein Machtdefizit nur als ethische Überlegenheit verbrämen. Klimaschutz, will sagen, der Verweis auf die ökologischen Nebenfolgen jeder Wachstumspolitik, sind nichts weniger als der Versuch, in der globalen Öffentlichkeit dem Geschichtsprozess ein anderes Ziel zu unterlegen."
An der Freiheits- und Menschenrechtsfrage spaltet sich nicht nur der Chinadiskurs, sondern auch die Islamdebatte. Die "Blätter für deutsche und internationale Politik" werden in der Regel ideologisch eng geführt. Umso mehr überrascht eine spannende Kontroverse zum Thema Islamkritik. Zunächst diskutiert Achim Bühl die umstrittene Auffassung des Antisemitismus-Forschers Wolfgang Benz, wonach die unterstellte Islamfeindschaft in unserer Gesellschaft an den Berliner Antisemitismus-Streit von 1879 erinnere. Parallelen sieht der Autor nicht nur in den Synagogen- und Moscheebaudebatten damals wie heute, sondern auch in der Haltung zur Integration und Gleichstellung:
Zitat-Blätter:
"Die 'Fremdenfeinde' stören sich gerade nicht an 'desintegrativen Tendenzen', sondern eher am Maß der bereits erreichten Integration und Normalität. Sie befürchten eher einen fortschreitenden Normalisierungsprozess, in dem Assimilationsforderungen und –tendenzen durch die Betonung gegenseitiger Bereicherung und Befruchtung abgelöst werden."
Der konservative Jurist Josef Isensee benennt im Gegenzug in den "Blättern" die strukturellen Widerstände dafür, warum die angestrebte Integration nicht – oder besser: noch nicht - gelingen mag:
Zitat-Blätter:
"Die letzte Ursache, dass Integration heute zum ungelösten und, soweit absehbar, zum unlösbaren Problem geworden ist, liegt an der Integrationsresistenz des Islam, an seinem fundamentalen Widerspruch zum Geist der Moderne (nicht dagegen zu seinen technischen Errungenschaften), zur Säkularität des Staates, zur Verortung der Religion in einer offenen, auf Wettstreit der Geister ausgerichteten pluralistischen Gesellschaft."
Zitierte Zeitschriften:
Cicero 3/10.
NG 1-2/10.
Merkur 3/10
Blätter für deutsche und internationale Politik,
3/10.
Zitat-Cicero:
"Manche Bittsteller werden verprügelt, in Auffanglager gebracht. Zudem sind Fälle von Bittstellern dokumentiert, die für Monate in psychiatrischen Anstalten oder Arbeitslagern verschwanden. Die Petenten seien der 'Willkür hilflos ausgesetzt'. Und trotzdem wird in China der Hunger nach Gerechtigkeit immer größer. Das ineffiziente Petitionssystem leistet seinen eigenen Beitrag dazu, die Bittsteller zu radikalisieren."
Deutsche Sinologen pflegen dem brutalen Regime stets wohlwollendere Urteile auszustellen. Ein darin Geübter ist Tilman Spengler, dem im "Cicero" die freiheitlichen Maßstäbe ein wenig durcheinander geraten. Denn er erkennt in den brachialen Praktiken des Repressionsregimes nur eine Angleichung an die westliche Moderne:
Zitat-Cicero:
"Plötzlich führen die Chinesen sich auf, wie die meisten anderen sich aufführen in unserer Weltgemeinschaft. Sie unterhalten heimliche Staats- und Foltergefängnisse, sie brechen Verträge und lügen in aller Öffentlichkeit, sie verpesten die Umwelt, überziehen das Land mit Abhöranlagen, missachten die Rechte des Bürgers. Anders gesagt: Die Chinesen sind in der Moderne angekommen, und vielleicht ist es das, was uns am meisten nervös macht – in unserer eigenen Blase der Selbstgerechtigkeit und aufgeklärten Selbstüberschätzung."
In der Zeitschrift "Merkur" bezieht Thomas E. Schmidt gegen diese Position Stellung. Nicht China ist in der Moderne angekommen, sondern die "vulgäre Moderne", wie sie das Großreich vertrete, gehöre der Vergangenheit an:
Zitat-Merkur:
"Dem Land wird zwar eine kulturelle Tradition konzediert, aber keine Kulturidee. China gilt als ein Land ohne intellektuelle und emotionale Anziehungskraft. Jede Form seines Eigeninteresses ist Ausdruck eines Nationalismus, den wirklich zivilisierte Nationen seit 1945 hinter sich gelassen haben. Die vulgäre Moderne ist vorbei"."
Andere halten sich bei ihrem unkritischen Umgang mit China an die Parole "Wandel durch Stabilität" , bei der man automatisch auf die Seite der Machthaber gerät und jede oppositionelle Regung als störend begreifen muss. In der SPD-nahen "Neuen Gesellschaft" bleibt sogar die maßgebliche Rolle der Volksrepublik am gigantischen Scheitern des Weltklimagipfels von Kopenhagen ausgespart. Wo doch gerade der Klimaschutz zur obersten Prüfungsinstanz geworden ist, um ökonomische Machtpolitik zu hinterfragen. Thomas E. Schmidt legt dies im "Merkur" überzeugend dar:
Zitat-Merkur:
""Europas Selbstbild verbietet, militärische Macht zu akkumulieren, es verbietet mittlerweile auch, sich mit allen ökologischen Konsequenzen als dynamische Wachstumsregion zu definieren. Derzeit kann es sein Machtdefizit nur als ethische Überlegenheit verbrämen. Klimaschutz, will sagen, der Verweis auf die ökologischen Nebenfolgen jeder Wachstumspolitik, sind nichts weniger als der Versuch, in der globalen Öffentlichkeit dem Geschichtsprozess ein anderes Ziel zu unterlegen."
An der Freiheits- und Menschenrechtsfrage spaltet sich nicht nur der Chinadiskurs, sondern auch die Islamdebatte. Die "Blätter für deutsche und internationale Politik" werden in der Regel ideologisch eng geführt. Umso mehr überrascht eine spannende Kontroverse zum Thema Islamkritik. Zunächst diskutiert Achim Bühl die umstrittene Auffassung des Antisemitismus-Forschers Wolfgang Benz, wonach die unterstellte Islamfeindschaft in unserer Gesellschaft an den Berliner Antisemitismus-Streit von 1879 erinnere. Parallelen sieht der Autor nicht nur in den Synagogen- und Moscheebaudebatten damals wie heute, sondern auch in der Haltung zur Integration und Gleichstellung:
Zitat-Blätter:
"Die 'Fremdenfeinde' stören sich gerade nicht an 'desintegrativen Tendenzen', sondern eher am Maß der bereits erreichten Integration und Normalität. Sie befürchten eher einen fortschreitenden Normalisierungsprozess, in dem Assimilationsforderungen und –tendenzen durch die Betonung gegenseitiger Bereicherung und Befruchtung abgelöst werden."
Der konservative Jurist Josef Isensee benennt im Gegenzug in den "Blättern" die strukturellen Widerstände dafür, warum die angestrebte Integration nicht – oder besser: noch nicht - gelingen mag:
Zitat-Blätter:
"Die letzte Ursache, dass Integration heute zum ungelösten und, soweit absehbar, zum unlösbaren Problem geworden ist, liegt an der Integrationsresistenz des Islam, an seinem fundamentalen Widerspruch zum Geist der Moderne (nicht dagegen zu seinen technischen Errungenschaften), zur Säkularität des Staates, zur Verortung der Religion in einer offenen, auf Wettstreit der Geister ausgerichteten pluralistischen Gesellschaft."
Zitierte Zeitschriften:
Cicero 3/10.
NG 1-2/10.
Merkur 3/10
Blätter für deutsche und internationale Politik,
3/10.