Archiv


Kursiv: Grabenkampf zwischen den Geschlechtern

Demnächst soll es in Frankreich per Gesetz eine Frauenquote in den Chefetagen großer Firmen geben. Die Regierung in Paris stützt sich dabei auf Brigitte Grésy, eine Ministerialbeamtin. Sie hat einen Bericht zur Lage der Frauen in Frankreichs Wirtschaft verfasst und zeigt, wo die wahren Hürden liegen.

Von Suzanne Krause |
    Brigitte Grésy schildert ihre Erlebnisse bei einem Arbeits-Frühstück im Finanzministerium. Ein Treffen hoher Beamtinnen, die gemeinsam den Staat verändern, verbessern wollen. Und die aus dem Nähkästchen plaudern.

    Die Erste, immerhin erste Beraterin in einer Botschaft, wird vom Herrn Botschafter mit "mein Häschen" angeredet. Die Zweite, eine hübsche 40-Jährige, bedauert, dass ihr die Zeit davonrannte und sie nun kinderlos ist. Die Dritte war bereit, einen Posten in der Provinz anzunehmen und ließ dafür Mann und Kinder in Paris zurück. Beim Abschiedsumtrunk im Büro interessierte sich keiner für die persönlichen Opfer, die sie brachte. Aber alle bedauerten den armen verlassenen Gatten. Die Vierte stellt ziemlich genervt fest, dass beim geplanten Kolloquium zur Globalisierung kaum eine Frau zu Wort kommt.

    Ausnahmen? Von wegen. Willkommen im alltäglichen Sexismus. Solche Beispiele kennt Brigitte Grésy zuhauf. Und zitiert Fall über Fall in ihrem Werk. Eine spannend zu lesende Spurensuche. Da geht es um hauchfeine Diskriminierungen. Um permanente feine Nadelstiche. Die aber, wie die Autorin deutlich macht, Methode haben. Das hat Grésy am eigenen Leib erfahren. Seit zehn Jahren bekleidet sie hohe Posten, erst in der Industrie, nun in Pariser Ministerien:

    "Wenn ich früher bei einer beruflichen Versammlung das Wort ergriff, bemerkte ich immer wieder, dass Männer und auch Frauen ganz subtil abfällige Bemerkungen machten oder Blicke austauschten, mich sehr dezent ausgrenzten. Lange meinte ich, das hätte ich selbst verschuldet. Ich sagte mir: Vielleicht kenne ich mein Thema nicht gut genug. Vielleicht bin ich nicht gut genug, vielleicht fehlt es mir an Mut. Soll heißen: Ich beschuldigte mich selbst. Bis es mir nach und nach dämmerte: Da steckt etwas ganz anderes dahinter. Da ging es nicht um meine Person, sondern da handelte es sich um die Beziehung zwischen den beiden Geschlechtern in der Berufswelt. Beziehungen, die geprägt sind vom alltäglichen Sexismus."

    Und von Konkurrenz. Von der wahren Gleichstellung sind weibliche Arbeitnehmer noch weit entfernt. So das Ergebnis eines Berichts, den Brigitte Grésy kürzlich im Auftrag der Regierung verfasste. Und der von allen Medien aufgegriffen wurde. Mit ihrer "kleinen Abhandlung zum alltäglichen Sexismus" allerdings wird die Autorin zur Pionierin: Sie behandelt ein Thema, das bislang als Tabu gilt. Jahrelang hat sie innerlich herumgedoktert, hat mit vielen Frauen gesprochen. Bis es ihr endlich gelang, die offene Wunde in sich zu benennen. Beim Schreiben ihres Buches dachte

    "Ich möchte, dass all diese kleinen Nadelstiche öffentlich, sichtbar gemacht werden. Wie jede Frau mit solchen Erlebnissen dann umgeht, ist ihre Sache. Aber ich möchte, dass das Thema alltäglicher Sexismus bekannt und beschrieben wird. Damit Frauen weniger darunter zu leiden haben."

    Die Autorin belässt es nicht bei einer glasklaren Analyse der Lage. Sie ruft auch, in Ratgebermanier, zum Widerstand auf, in dem Sie Mittel und Wege aufzeigt, wie Frauen auf sexistische Angriffe reagieren können. Grésy ist überzeugt: Wird der Grabenkampf zwischen den Geschlechtern beendet, entspannt sich das Betriebsklima. Und davon profitieren nicht nur die Frauen, sondern alle Arbeitnehmer.

    "Ich habe erfahren, dass Personalberater aus meinem Buch ein Theaterstück machen wollen und einen Comic. Zudem wird das Werk in Italien und in Kanada erscheinen. Neulich hat ein großes Fachblatt für Personalchefs mich interviewt, da ging es darum, dass beim alltäglichen Sexismus die Talente vieler Frauen verschleudert werden. Ich glaube, dass mein Buch etwas beiträgt zur komplizierten Debatte über die Gleichstellung, über weiterhin verbreitete Stereotype."

    Die Kleine Abhandlung zum alltäglichen Sexismus von Brigitte Grésy ist bislang nur auf dem französischen Buchmarkt zu bekommen, herausgegeben von der Edition Albin Michel. 247 Seiten kosten 15 Euro. Die Rezensentin war Suzanne Krause.