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Kursiv: Manisches Mundwerk

In den USA ist gerade die Biografie von Larry King erschienen. Larry King - das ist der Mann mit den Hosenträgern, Amerikas berühmtester Talkmaster. Jetzt hat der 75-Jährige die Geschichte seines Lebens aufgeschrieben.

Von Katja Ridderbusch |
    Zum Geschichtenerzählen braucht es den passenden Ort. Für Larry King ist das der alteingesessene Feinkostladen "Nate'n'Al" in Los Angeles. Dort trifft er sich jeden Morgen zum Frühstück mit drei Freunden. Sie kennen schon lange die fröhlichen und grotesken, wundersamen und traurigen Geschichten, von denen Larry King jetzt einige in seinen Memoiren aufgeschrieben hat.

    All die Geschichten führen zurück nach Brooklyn, New York, in die Zeit der Großen Depression. Hier wird Larry King 1933 geboren, als Larry Zeiger, Sohn jüdischer Einwanderer aus Weißrussland. Der Vater hat ein kleines Restaurant, die Mutter ist Näherin. Nach dem frühen Tod des Vaters lebt die Familie von Sozialhilfe. Manchmal, sagt Larry King, fühle er sich noch immer wie Larry Zeiger aus Brooklyn, der kleine Junge mit der Kassenbrille, dem schnellen Mundwerk und einem großen Traum:

    "Ich mache bis heute das, was ich schon immer machen wollte: beim Rundfunk arbeiten. Schon mit fünf Jahren habe ich vor dem Radio gesessen und die Stimmen der Moderatoren imitiert. Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass mich einmal Menschen in aller Welt sehen können. Eigentlich sollte der Titel des Buches heißen: "Was tue ich hier?" Und es ist wirklich so, manchmal kann ich mein eigenes Leben nicht glauben, dann muss ich mich selbst kneifen."
    Nach der Highschool und ein paar Gelegenheitsjobs fährt Larry Zeiger mit dem Bus und 18 Dollar in der Tasche nach Miami. Dort heuert er bei einer lokalen Radiostation an. Zehn Minuten vor seiner ersten Live-Sendung am 1. Mai 1957 meint sein Chef, der Name "Larry Zeiger" klinge "irgendwie zu ethnisch, zu kompliziert". Sein Blick fällt auf eine Zeitungsanzeige des Spirituosenladens "King's Liquor": Aus Larry Zeiger wird Larry King.

    Larry King war acht Mal verheiratet mit sieben verschiedenen Frauen. Er hat fünf Kinder, die beiden jüngsten Söhne sind neun und zehn Jahre alt. Seinen Sohn Larry Jr. lernte er erst kennen, als dieser schon 33 war. Mit seinem CNN-Kollegen Wolf Blitzer spricht Larry King über seine notorische Heiratslust:

    "Wissen Sie, ich bin in der alten jüdischen Tradition erzogen: Wenn man jemanden liebt, soll man ihn heiraten. Wenn ich also glaubte, verliebt zu sein, habe ich eben geheiratet. Dann hat es nicht funktioniert, wir haben uns scheiden lassen, ich habe mich erneut verliebt und wieder geheiratet. Das ging immer so weiter, bis ich Shawn kennenlernte. Unsere Ehe hält jetzt schon zwölf Jahre. Ich habe keine wirkliche Erklärung für meinen Drang zum Heiraten, außer: Ich habe immer alles gegeben."
    Larry King erzählt von Schwächen und Rückschlägen: von seinen Schulden, seinem exzessiven Zigarettenkonsum, seinem Herzinfarkt und seiner fünffachen Bypass-Operation. Larry Kings Geschichte ist typisch amerikanisch: eine Geschichte von Armut, Ehrgeiz und Überlebenswillen, von Aufstieg und Fall und erneutem Aufstieg.

    Es ist das Vertraute, das kalkuliert Altmodische, das den Kult von "Larry King Live" ausmacht: Die Studiodekoration hat sich kaum verändert: ein Tisch vor einer beleuchteten Weltkarte mit einem antiquierten Mikrofon, eine stilisierte Rundfunkkulisse fürs Fernsehformat - und das seit 1985, als Medienmogul Ted Turner den berühmten Radiomann Larry King zu seinem neu gegründeten Nachrichtensender CNN holte.

    Larry King kokettiert gerne damit, dass er sich nicht auf seine Interviews vorbereite, nicht wirklich zumindest, dass er keine Fragen ausarbeite, sondern einfach seiner naturgegebenen Neugier folge. Ohnehin sei das wichtigste an einem guten Interview der Gesprächspartner, egal welcher Profession er nachgehe - Präsident oder Polizist, Popsänger oder Parkwächter.

    "Wenn man jemanden interviewt, der Leidenschaft empfindet für das, was er tut und der das auch in einfachen Worten erklären kann, jemanden, der Sinn für Humor und hoffentlich auch etwas Selbstironie hat; jemanden, der selbstbewusst ist und ein bisschen provokant - dann kann nichts mehr schief gehen, und kein Zuschauer wird abschalten!"
    "My Remarkable Journey" ist eine kurzweilige und wunderbar lakonische Lektüre. Das Buch sei "ebenso Kulturgeschichte wie persönliches Zeugnis", schreibt das Branchenblatt "Publishers Weekly". Und nebenbei erfährt der Leser auch noch die ein oder andere Anekdote aus 25 Jahren "Larry King Live". Zum Beispiel, dass der schwierigste Interviewpartner der Schauspieler Robert Mitchum gewesen sei: Der nämlich beantwortete jede Frage mit maximal drei Worten und bescherte dem erfahrenen Talkmaster die schweißtreibendsten 60 Minuten seiner Laufbahn.

    Der Leser erfährt auch, dass Larry King etwa 150 Hosenträger im Schrank hängen hat - und dass sein Wunschgast J.D. Salinger ist, der zurückgezogen lebende Autor des Kultromans "Der Fänger im Roggen".

    Auf die Frage, was Larry King in der Zeit nach "Larry King Live" machen will, weiß er keine rechte Antwort. Und mit dem Wort "Ruhestand" kann er ohnehin nichts anfangen.

    "In Ruhestand gehen ... wohin? Ich weiß nicht, was ich danach machen werde, ehrlich nicht. Ich würde auf jeden Fall arbeiten, irgendetwas. Wenn nicht bei CNN oder im Mediengeschäft, dann vielleicht ehrenamtlich für ein großes Baseballteam. Baseball ist meine liebste Nebenbeschäftigung. Aber wissen Sie, ich bin keiner, der sich gut ausruhen kann. Das passt einfach nicht zu mir."

    In unserer Rubrik kursiv war das ein aktueller Titel aus Amerika: Die Biographie von Larry King "My Remarkable Journey". Erschienen ist das Buch auf englisch in der Hachette Book Gruop, es hat 304 Seiten und kostet 25 Euro.