Karl Popper begann mit der Arbeit an seinem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" am 13. März 1938, am Tag, als er von Hitlers Einmarsch in Österreich erfuhr. Im Vorwort zur siebenten deutschen Auflage 1992 erläutert Popper das Ziel seines Buches:
Ich hatte es geschrieben als meinen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen. Seine Tendenz war: gegen Nazismus und Kommunismus; gegen Hitler und Stalin, die einstigen Verbündeten des Hitler-Stalin-Pakts von 1939.
Da er diese beiden Namen so sehr verabscheute, dass er sie in seinem Buch nicht erwähnen wollte, ging er auf "Spurensuche". Er wurde fündig in der Geschichte autoritärer und totalitärer Ideen. Platons politisches Programm und seine Idee eines vermeintlich allwissenden Philosophenkönigs kritisierte er als schonungslos totalitär. Die Analysen von Karl Marx beschrieb er als "geistreichen Versuch", aus den Beobachtungen der Gegenwart Schlussfolgerungen für die ökonomischen Entwicklungen in der Zukunft abzuleiten. Doch leider sei der Versuch fehlgeschlagen, weil Prophezeiungen ein kritisches Urteil nicht zuließen.
Dies aber ist das Anliegen Karl Poppers: offen zu sein für ein kritisches Urteil. Er entwickelte daher die Methode des kritischen Rationalismus. Diese Methode eröffnet sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik die Möglichkeit des Lernens aus Fehlern. Es ist das große Verdienst Karl Poppers und erklärt seinen Einfluss weit über die Wissenschaft hinaus, dass er seine philosophischen Erkenntnisse für eine politische Zeitdiagnose nutzte. Karl Popper beließ es freilich nicht allein bei der Kritik. Er entwarf die Grundzüge einer offenen Gesellschaftsordnung, in der Freiheit, Toleranz und kritischer Rationalismus gelebt werden können. Für eine solche offene Gesellschaftsordnung sei nicht die Frage entscheidend, wer regieren solle. Es gehe vielmehr um die neue Frage:
Wie können wir politische Institutionen so organisieren, dass es schlechten oder inkompetenten Herrschern unmöglich ist, allzu großen Schaden anzurichten?
Popper plädiert gegen das Prinzip des Führertums und für das Prinzip demokratischer Institutionen. Dabei ist es die Aufgabe der Institutionen, eine Tyrannei zu vermeiden. Immer wieder betont Popper, dass Institutionen nicht fehlerfrei oder "narrensicher" sein können. Institutionen müssen offen sein für Verbesserungen und für das Lernen aus Fehlern.
Freiheit, Toleranz und kritischer Rationalismus sind Werte, die auch im persönlichen Leben Karl Poppers eine große Rolle spielten. Karl Popper, am 28. Juli 1902 in Sankt Veit in Wien geboren, wuchs in einer liberalen Familie auf. Wer die anschauliche Biographie liest, die Manfred Geier verfasst hat, begegnet einem Lehrer, der seinen Schülern nichts eintrichtern möchte, sondern das Interesse der Kinder am Lernen weckt. Man begegnet einem bescheidenen Wissenschaftler, der erst ermutigt werden muss, seine Gedanken zur Logik der Forschung zu publizieren. Man begegnet einem radikalen Wissenschaftler, der buchstäblich an den Wurzeln der Erkenntnis interessiert ist und mit Erwin Schrödinger, Nobelpreisträger für Physik im Jahr 1933, über Quantenmechanik diskutiert. Und man begegnet einem politisch engagierten Wissenschaftler, der manchmal bis an den Rand der Erschöpfung arbeitet. Das Manuskript "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" hat Karl Popper in den Jahren 1938 bis 1943 in Christchurch in Neuseeland 22 mal mit der Hand neu geschrieben, und seine Frau Josefine Anna hat das Manuskript fünfmal abgetippt .
Das Leben und das Werk Karl Poppers vermitteln uns noch heute wichtige Einsichten. Insbesondere das Wissen des Nichtwissens macht deutlich, dass wir uns nur schrittweise durch Vermutungen und Widerlegungen der Wahrheit nähern können und daher niemals den Himmel auf Erden versprechen sollten.
Der Versuch, den Himmel auf Erden zu errichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition. Und er beruht meiner Ansicht nach auf einem völligen Missverstehen unserer sittlichen Pflichten. Es ist unsere Pflicht, denen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen; aber es kann nicht unsere Pflicht sein, andere glücklich zu machen, denn dies hängt nicht von uns ab und bedeutet außerdem nur zu oft einen Einbruch in die private Sphäre jener Menschen, gegen die wir so freundliche Absichten hegen.
Auch heute gilt, dass die Hölle erzeugt, wer den Himmel auf Erden errichten möchte, und es zugleich unsere Pflicht ist, denen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen. Innenpolitisch bedeutet diese Maxime, dass es bei aller sinnvollen Privatisierung Aufgaben gibt, für die der Staat die Verantwortung übernehmen muss. Dazu gehört zum Beispiel die Verwirklichung der Chancengleichheit in der Bildung, für die Karl Popper ganz explizit Partei ergreift. Außenpolitisch enthält die Maxime die Absage an Kriege, die im Namen bestimmter Ideologien oder unbewiesener Gefährdungen geführt werden. Zugleich wird die Gemeinschaft der Staaten aber auch aufgefordert, dort zu helfen, wo Menschenrechte verletzt werden. Die Aktualität Karl Poppers könnte größer nicht sein.
Karl R. Popper: "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde", Tübingen: J.C.B. Mohr Siebeck, 8. Auflage 2003
Band 1: Der Zauber Platons
Band 2: Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen
(Die Originalausgabe erschien 1945 in London im Verlag Routledge & Kegan Paul unter dem Titel: "The Open Society and Its Enemies".)
Ich hatte es geschrieben als meinen Beitrag zu den Kriegsanstrengungen. Seine Tendenz war: gegen Nazismus und Kommunismus; gegen Hitler und Stalin, die einstigen Verbündeten des Hitler-Stalin-Pakts von 1939.
Da er diese beiden Namen so sehr verabscheute, dass er sie in seinem Buch nicht erwähnen wollte, ging er auf "Spurensuche". Er wurde fündig in der Geschichte autoritärer und totalitärer Ideen. Platons politisches Programm und seine Idee eines vermeintlich allwissenden Philosophenkönigs kritisierte er als schonungslos totalitär. Die Analysen von Karl Marx beschrieb er als "geistreichen Versuch", aus den Beobachtungen der Gegenwart Schlussfolgerungen für die ökonomischen Entwicklungen in der Zukunft abzuleiten. Doch leider sei der Versuch fehlgeschlagen, weil Prophezeiungen ein kritisches Urteil nicht zuließen.
Dies aber ist das Anliegen Karl Poppers: offen zu sein für ein kritisches Urteil. Er entwickelte daher die Methode des kritischen Rationalismus. Diese Methode eröffnet sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik die Möglichkeit des Lernens aus Fehlern. Es ist das große Verdienst Karl Poppers und erklärt seinen Einfluss weit über die Wissenschaft hinaus, dass er seine philosophischen Erkenntnisse für eine politische Zeitdiagnose nutzte. Karl Popper beließ es freilich nicht allein bei der Kritik. Er entwarf die Grundzüge einer offenen Gesellschaftsordnung, in der Freiheit, Toleranz und kritischer Rationalismus gelebt werden können. Für eine solche offene Gesellschaftsordnung sei nicht die Frage entscheidend, wer regieren solle. Es gehe vielmehr um die neue Frage:
Wie können wir politische Institutionen so organisieren, dass es schlechten oder inkompetenten Herrschern unmöglich ist, allzu großen Schaden anzurichten?
Popper plädiert gegen das Prinzip des Führertums und für das Prinzip demokratischer Institutionen. Dabei ist es die Aufgabe der Institutionen, eine Tyrannei zu vermeiden. Immer wieder betont Popper, dass Institutionen nicht fehlerfrei oder "narrensicher" sein können. Institutionen müssen offen sein für Verbesserungen und für das Lernen aus Fehlern.
Freiheit, Toleranz und kritischer Rationalismus sind Werte, die auch im persönlichen Leben Karl Poppers eine große Rolle spielten. Karl Popper, am 28. Juli 1902 in Sankt Veit in Wien geboren, wuchs in einer liberalen Familie auf. Wer die anschauliche Biographie liest, die Manfred Geier verfasst hat, begegnet einem Lehrer, der seinen Schülern nichts eintrichtern möchte, sondern das Interesse der Kinder am Lernen weckt. Man begegnet einem bescheidenen Wissenschaftler, der erst ermutigt werden muss, seine Gedanken zur Logik der Forschung zu publizieren. Man begegnet einem radikalen Wissenschaftler, der buchstäblich an den Wurzeln der Erkenntnis interessiert ist und mit Erwin Schrödinger, Nobelpreisträger für Physik im Jahr 1933, über Quantenmechanik diskutiert. Und man begegnet einem politisch engagierten Wissenschaftler, der manchmal bis an den Rand der Erschöpfung arbeitet. Das Manuskript "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" hat Karl Popper in den Jahren 1938 bis 1943 in Christchurch in Neuseeland 22 mal mit der Hand neu geschrieben, und seine Frau Josefine Anna hat das Manuskript fünfmal abgetippt .
Das Leben und das Werk Karl Poppers vermitteln uns noch heute wichtige Einsichten. Insbesondere das Wissen des Nichtwissens macht deutlich, dass wir uns nur schrittweise durch Vermutungen und Widerlegungen der Wahrheit nähern können und daher niemals den Himmel auf Erden versprechen sollten.
Der Versuch, den Himmel auf Erden zu errichten, erzeugt stets die Hölle. Dieser Versuch führt zu Intoleranz, zu religiösen Kriegen und zur Rettung der Seelen durch die Inquisition. Und er beruht meiner Ansicht nach auf einem völligen Missverstehen unserer sittlichen Pflichten. Es ist unsere Pflicht, denen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen; aber es kann nicht unsere Pflicht sein, andere glücklich zu machen, denn dies hängt nicht von uns ab und bedeutet außerdem nur zu oft einen Einbruch in die private Sphäre jener Menschen, gegen die wir so freundliche Absichten hegen.
Auch heute gilt, dass die Hölle erzeugt, wer den Himmel auf Erden errichten möchte, und es zugleich unsere Pflicht ist, denen zu helfen, die unsere Hilfe brauchen. Innenpolitisch bedeutet diese Maxime, dass es bei aller sinnvollen Privatisierung Aufgaben gibt, für die der Staat die Verantwortung übernehmen muss. Dazu gehört zum Beispiel die Verwirklichung der Chancengleichheit in der Bildung, für die Karl Popper ganz explizit Partei ergreift. Außenpolitisch enthält die Maxime die Absage an Kriege, die im Namen bestimmter Ideologien oder unbewiesener Gefährdungen geführt werden. Zugleich wird die Gemeinschaft der Staaten aber auch aufgefordert, dort zu helfen, wo Menschenrechte verletzt werden. Die Aktualität Karl Poppers könnte größer nicht sein.
Karl R. Popper: "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde", Tübingen: J.C.B. Mohr Siebeck, 8. Auflage 2003
Band 1: Der Zauber Platons
Band 2: Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen
(Die Originalausgabe erschien 1945 in London im Verlag Routledge & Kegan Paul unter dem Titel: "The Open Society and Its Enemies".)