Zehn Jahre nach dem Beginn seiner Kanzlerschaft lässt Wolfgang Schüssel eine autorisierte Biografie veröffentlichen. Sie basiert auf 35 Interviews, die der Publizist Alexander Purger innerhalb eines Jahres mit dem ehemaligen Bundeskanzler führte. Purger ist innenpolitischer Korrespondent der "Salzburger Nachrichten" in Wien.
Höhepunkt seiner Kanzlerschaft war aus Sicht Schüssels offenbar die EU-Präsidentschaft Österreichs 2006. Sie brachte die endgültige Rehabilitierung nach den Konflikten des Jahres 2000. Vierzehn EU-Mitgliedstaaten hatten damals Sanktionen gegen das EU-Mitglied Österreich verhängt, weil Schüssel sich von der rechtsradikalen Freiheitlichen Partei hatte zum Kanzler wählen lassen. Der reagierte gereizt auf die Kritik: Es gehe die EU überhaupt nichts an, wie eine demokratisch gewählte Regierung in einem Mitgliedsland zusammengesetzt sei, argumentiert er laut Purger noch heute. Die FPÖ machte ihn zum Kanzler, obwohl seine Partei bei den Wahlen nur an dritter Stelle hinter SPÖ und FPÖ gelegen hatte.
Purger versucht, die Aufregung über die Sanktionen zu erklären:
"Im Rückblick wirken die Sanktionen kurios. Damals, im Frühjahr 2000, sind sie aber überaus bedrohlich: Österreich ist isoliert. Die Botschafter dringen in den Hauptstädten nicht mehr bis zu den Entscheidungsträgern vor. Das heißt, Österreich kann in Europa nicht mehr seine Interessen durchsetzen."
Die Darstellungsform als Fließtext, nicht als Interview, ermöglicht es, von Schüssel erinnerte Szenen in der dritten Person zu beschreiben, ohne sie zu subjektiv oder gar eitel wirken zu lassen. Das Buch beginnt mit der Wahl Schüssels zum Vorsitzenden der Österreichischen Volkspartei und endet mit seinem Abschied aus dem Kanzleramt im Januar 2007. Es ist weitgehend chronologisch gegliedert und beschreibt die Arbeit der schwarz-blauen Koalition, ihre innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten, die Akteure und die internen Konflikte, die sich auch aus der Persönlichkeit des vor einem Jahr tödlich verunglückten Jörg Haider ergaben. Dessen Persönlichkeit wird im Zusammenhang mit einem Streit kurz beschrieben:
Wie immer wohnen zwei Seelen in Haiders Brust: Eine konstruktive, mit der er immer um Anerkennung ringt und etwas aufbauen will. Und eine destruktive, die alles, kaum hat er es aufgebaut, wieder zerstören muss. Das ruhige sachliche Arbeiten ist Haiders Sache nicht. Er braucht immer den Hype, die Emotion – zwischen Überschwang und Harmonie.
Die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright ließ sich laut Purger nur deswegen davon abhalten, sich den Sanktionen der EU anzuschließen, weil Österreich Entschädigungsleistungen für NS-Opfer von mehr als einer Milliarde Dollar zusicherte. Der deutsche Wunsch, den heutigen Bundespräsidenten Horst Köhler als Chef des Internationalen Währungsfonds durchzusetzen, half Schüssel, die Blockade aufzubrechen. Ende Mai beschloss die EU, einen Ausweg zu suchen. Ein eigens einberufener Rat der Weisen erstellte ein Gutachten, das die Aufhebung der Sanktionen empfahl. Am 13. September 2000 wurde das entsprechende Kommuniqué veröffentlicht.
Die Sanktionen zu bestehen, war für die Selbstachtung des Landes ungeheuer wichtig. Die Regierung hat gezeigt, dass sie auch stärkstem Druck standhält und nicht einknickt. Das wirkt sich überaus positiv auf die Stimmung in der Bevölkerung aus.
So beschreibt Purger die Sicht Schüssels. Detailliert lässt Schüssel seine Haltung rechtfertigen, indem die innenpolitischen Reformprojekte, die er mit seinem Koalitionspartner FPÖ realisieren konnte, ausführlich dargestellt werden. Schüssels persönliches Verhältnis zu den FPÖ-Spitzenpolitikern Haider und dem von diesem in die Politik geholten Finanzminister Karl-Heinz Grasser spielte dabei offenbar eine entscheidende Rolle. Obwohl Grasser inzwischen wegen etlicher Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung und zweifelhafter Geschäftspraktiken in Verruf geraten ist, verliert Schüssel kein negatives Wort über den jungen Society-Star.
Der Band enthält viele interessante Details aus Wolfgang Schüssels Kanzlerjahren. Allerdings vermisst man Kritik, Selbstkritik oder eine eventuell zweifelnde Reflexion der Zusammenhänge. Sein größter Vorzug liegt darin, dass er das ambivalente Verhältnis vieler Österreicher zur EU nachvollziehbar macht, Aufschlüsse über Schüssels Motive in der Koalition mit den Freiheitlichen und damit auch über Schüssels Persönlichkeit gibt.
Purgers flüssiger Stil macht das Buch gut lesbar. Allerdings bleibt es weitgehend im Anekdotischen verhaftet, sodass der Leser auf eine tiefer gehende Analyse verzichten muss.
Mariele Schulze-Berndt war das über die Biografie von Wolfgang Schüssel mit dem Titel "Offengelegt". Alexander Purger hat die Lebensgeschichte aufgezeichnet, sie ist im ECOWIN-Verlag erschienen und zum Preis von 24,- Euro zu kaufen (ISBN: 978-3902404763).
Höhepunkt seiner Kanzlerschaft war aus Sicht Schüssels offenbar die EU-Präsidentschaft Österreichs 2006. Sie brachte die endgültige Rehabilitierung nach den Konflikten des Jahres 2000. Vierzehn EU-Mitgliedstaaten hatten damals Sanktionen gegen das EU-Mitglied Österreich verhängt, weil Schüssel sich von der rechtsradikalen Freiheitlichen Partei hatte zum Kanzler wählen lassen. Der reagierte gereizt auf die Kritik: Es gehe die EU überhaupt nichts an, wie eine demokratisch gewählte Regierung in einem Mitgliedsland zusammengesetzt sei, argumentiert er laut Purger noch heute. Die FPÖ machte ihn zum Kanzler, obwohl seine Partei bei den Wahlen nur an dritter Stelle hinter SPÖ und FPÖ gelegen hatte.
Purger versucht, die Aufregung über die Sanktionen zu erklären:
"Im Rückblick wirken die Sanktionen kurios. Damals, im Frühjahr 2000, sind sie aber überaus bedrohlich: Österreich ist isoliert. Die Botschafter dringen in den Hauptstädten nicht mehr bis zu den Entscheidungsträgern vor. Das heißt, Österreich kann in Europa nicht mehr seine Interessen durchsetzen."
Die Darstellungsform als Fließtext, nicht als Interview, ermöglicht es, von Schüssel erinnerte Szenen in der dritten Person zu beschreiben, ohne sie zu subjektiv oder gar eitel wirken zu lassen. Das Buch beginnt mit der Wahl Schüssels zum Vorsitzenden der Österreichischen Volkspartei und endet mit seinem Abschied aus dem Kanzleramt im Januar 2007. Es ist weitgehend chronologisch gegliedert und beschreibt die Arbeit der schwarz-blauen Koalition, ihre innen- und außenpolitischen Schwierigkeiten, die Akteure und die internen Konflikte, die sich auch aus der Persönlichkeit des vor einem Jahr tödlich verunglückten Jörg Haider ergaben. Dessen Persönlichkeit wird im Zusammenhang mit einem Streit kurz beschrieben:
Wie immer wohnen zwei Seelen in Haiders Brust: Eine konstruktive, mit der er immer um Anerkennung ringt und etwas aufbauen will. Und eine destruktive, die alles, kaum hat er es aufgebaut, wieder zerstören muss. Das ruhige sachliche Arbeiten ist Haiders Sache nicht. Er braucht immer den Hype, die Emotion – zwischen Überschwang und Harmonie.
Die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright ließ sich laut Purger nur deswegen davon abhalten, sich den Sanktionen der EU anzuschließen, weil Österreich Entschädigungsleistungen für NS-Opfer von mehr als einer Milliarde Dollar zusicherte. Der deutsche Wunsch, den heutigen Bundespräsidenten Horst Köhler als Chef des Internationalen Währungsfonds durchzusetzen, half Schüssel, die Blockade aufzubrechen. Ende Mai beschloss die EU, einen Ausweg zu suchen. Ein eigens einberufener Rat der Weisen erstellte ein Gutachten, das die Aufhebung der Sanktionen empfahl. Am 13. September 2000 wurde das entsprechende Kommuniqué veröffentlicht.
Die Sanktionen zu bestehen, war für die Selbstachtung des Landes ungeheuer wichtig. Die Regierung hat gezeigt, dass sie auch stärkstem Druck standhält und nicht einknickt. Das wirkt sich überaus positiv auf die Stimmung in der Bevölkerung aus.
So beschreibt Purger die Sicht Schüssels. Detailliert lässt Schüssel seine Haltung rechtfertigen, indem die innenpolitischen Reformprojekte, die er mit seinem Koalitionspartner FPÖ realisieren konnte, ausführlich dargestellt werden. Schüssels persönliches Verhältnis zu den FPÖ-Spitzenpolitikern Haider und dem von diesem in die Politik geholten Finanzminister Karl-Heinz Grasser spielte dabei offenbar eine entscheidende Rolle. Obwohl Grasser inzwischen wegen etlicher Unregelmäßigkeiten in der Amtsführung und zweifelhafter Geschäftspraktiken in Verruf geraten ist, verliert Schüssel kein negatives Wort über den jungen Society-Star.
Der Band enthält viele interessante Details aus Wolfgang Schüssels Kanzlerjahren. Allerdings vermisst man Kritik, Selbstkritik oder eine eventuell zweifelnde Reflexion der Zusammenhänge. Sein größter Vorzug liegt darin, dass er das ambivalente Verhältnis vieler Österreicher zur EU nachvollziehbar macht, Aufschlüsse über Schüssels Motive in der Koalition mit den Freiheitlichen und damit auch über Schüssels Persönlichkeit gibt.
Purgers flüssiger Stil macht das Buch gut lesbar. Allerdings bleibt es weitgehend im Anekdotischen verhaftet, sodass der Leser auf eine tiefer gehende Analyse verzichten muss.
Mariele Schulze-Berndt war das über die Biografie von Wolfgang Schüssel mit dem Titel "Offengelegt". Alexander Purger hat die Lebensgeschichte aufgezeichnet, sie ist im ECOWIN-Verlag erschienen und zum Preis von 24,- Euro zu kaufen (ISBN: 978-3902404763).