Wie wohnen? Gute Frage. Mangels Kapitalaufkommen verbieten sich viele Utopien von selbst: die vom strengen Mies van der Rohe gebaute und möblierte Villa im Tessin, die die EsPeDe uns deutschen Arbeitern dann wieder wegnehmen will, wird eher die Ausnahme sein gegenüber jenem spröden, aber bezahlbaren IKEA-Charme, der heute die allermeisten Wohnungen des Mittelstands durchflutet. Wer die Inneneinrichtung von Bekannten vor dem inneren Auge Revue passieren lässt, der weiß: die Möblierung unseres Intimsten und Allerheiligsten, des täglichen Lebensumfelds, ist eine konsequent eklektizistische Übung, die nach sehr praktischen Gesichtspunkten bewältigt wird.
Meist bescheidet man sich damit, die gröbsten Grässlichkeiten zu vermeiden. Insofern haben die großen programmatischen Wohnausstellungen des 20.Jahrhunderts, auf die das Vitra-Design-Museum nun zurückblickt, vielleicht doch ihren Sinn gehabt. Andererseits muss man, auf die Gesamtgesellschaft hochgerechnet, die erzieherische Wirkung dieser Veranstaltungen als begrenzt ansehen: noch heute hausen ältere Ehepaare begeistert zwischen Häkeldeckchen, Brokatkissen und röhrenden Hirschen und, um das andere Extrem zu nehmen, Studenten zwischen Apfelsinenkisten und Foutons.
Der elitäre Wille zur Form, mit dem die Jugendstil-Adepten Josef Maria Olbrich und Peter Behrens 1901 in Darmstadt sieben Künstlerhäuser bauten und einrichteten, ist auch heute nur wenigen möglich: die Kunst durchdrang das Leben, und der Salon als Forum für Essen, Musik und gepflegte Konversation war eine Oase der Oberschicht. Programmatisch relevanter aber war vor dem Ersten Weltkrieg das mit allerlei Nippes und turmartigen, repräsentativen Eichenholz-Möbeln voll gestellte bürgerliche Wohnzimmer, dem die Bauhaus-Leute dann in den 20iger Jahren ihr entschiedenes "So nicht" entgegenschleuderten. Willi Baumeister hatte in seinem Plakat zur Stuttgarter Weißenhof-Ausstellung 1927 den Bürgerkram gleich ganz durchgestrichen, und statt der in Einzelarbeit feist gepolsterten Sofas gab es dann preisgünstige Stahlrohrmöbel, die in Serie hergestellt wurden, und eine streng rationale, multifunktionelle, offene Raumaufteilung. Trotzdem kann es einen manchmal frösteln beim Anblick der kühlen, entbeinten und übrigens ziemlich engen "Wohnmaschinen" des Weißenhof: wie in einer Klosterzelle kommt man sich vor; sie ist gut zum Arbeiten, zum Leben schon weniger.
Obwohl die Schau im Vitra-Museum drohend das "Ende der Gemütlichkeit" im Titel führt, kann man dann aber verfolgen, dass es ganz ohne Menschenfreundlichkeit doch nicht geht. Vor allem die Ausstellung "Organic Design in Home Furnishings" von Charles Eames und Eero Saarinen im "Museum of Modern Arts" 1941 verband kühle, geschwungene Formen mit warmen Materialien, also mit naturbelassenem Holz und vorsichtiger Polsterung. Das war auch der Vorläufer der bundesdeutschen Nachkriegs-Nierentisch-Revolution, die seltsamerweise bei Vitra gar nicht vorkommt.
Im Grunde haben die skandinavischen Designer mit ihren "demokratischen" Holzformen den Massengeschmack lang dauernd geprägt; IKEA ist ihr Nachfahre. Jedenfalls tourte "Design in Scandinavia" in den 1950iger Jahren durch 22 Städte der USA und erhielt begeisterte Kritiken. Verrückter wurde es erst wieder in den 1960iger Jahren mit Verner Panthon und Joe Colombo, also mit Liegewiesen, Schalensitzen, Wohnlandschaften, ausziehbaren Möbeln und Multifunktions-Einheiten. Das hatte viel zu tun mit den Cockpits der NASA und dem Flug zum Mond, mit Fortschrittsglauben und Aufbruchstimmung und vor allem mit neuen, synthetischen Materialien. Nach Colombo kam der Sperrmüll: Signum der Ausstellung "Gefühlscollagen: Wohnen von Sinnen" war 1986 ein Stuhl namens "Consumer’s Rest" von Stiletto, dessen Sitzfläche aus dem Gestänge eines ausrangierten Supermarkt-Einkaufswagens bestand. Daneben gibt es Plattenspieler aus Beton, stählerne Sofas für Masochisten, Möbel als hartherzige, bedeutungsbeladene Wohn-Skulpturen. Wer, bitte, möchte einen eisernen Bundesadler als Rückenlehne haben?
Neben allerlei pop-artigen Versatzstücken zeigt der letzte Teil der Vitra-Ausstellung vor allem, dass wir mittlerweile gelernt haben, uns selbst avantgardistisch zu quälen: schick ist es oft, aber nicht unbedingt bequem. Gar keine Gemütlichkeit ist auch nicht gut – es müssen ja nicht gleich Brokat-Deckchen sein.
Meist bescheidet man sich damit, die gröbsten Grässlichkeiten zu vermeiden. Insofern haben die großen programmatischen Wohnausstellungen des 20.Jahrhunderts, auf die das Vitra-Design-Museum nun zurückblickt, vielleicht doch ihren Sinn gehabt. Andererseits muss man, auf die Gesamtgesellschaft hochgerechnet, die erzieherische Wirkung dieser Veranstaltungen als begrenzt ansehen: noch heute hausen ältere Ehepaare begeistert zwischen Häkeldeckchen, Brokatkissen und röhrenden Hirschen und, um das andere Extrem zu nehmen, Studenten zwischen Apfelsinenkisten und Foutons.
Der elitäre Wille zur Form, mit dem die Jugendstil-Adepten Josef Maria Olbrich und Peter Behrens 1901 in Darmstadt sieben Künstlerhäuser bauten und einrichteten, ist auch heute nur wenigen möglich: die Kunst durchdrang das Leben, und der Salon als Forum für Essen, Musik und gepflegte Konversation war eine Oase der Oberschicht. Programmatisch relevanter aber war vor dem Ersten Weltkrieg das mit allerlei Nippes und turmartigen, repräsentativen Eichenholz-Möbeln voll gestellte bürgerliche Wohnzimmer, dem die Bauhaus-Leute dann in den 20iger Jahren ihr entschiedenes "So nicht" entgegenschleuderten. Willi Baumeister hatte in seinem Plakat zur Stuttgarter Weißenhof-Ausstellung 1927 den Bürgerkram gleich ganz durchgestrichen, und statt der in Einzelarbeit feist gepolsterten Sofas gab es dann preisgünstige Stahlrohrmöbel, die in Serie hergestellt wurden, und eine streng rationale, multifunktionelle, offene Raumaufteilung. Trotzdem kann es einen manchmal frösteln beim Anblick der kühlen, entbeinten und übrigens ziemlich engen "Wohnmaschinen" des Weißenhof: wie in einer Klosterzelle kommt man sich vor; sie ist gut zum Arbeiten, zum Leben schon weniger.
Obwohl die Schau im Vitra-Museum drohend das "Ende der Gemütlichkeit" im Titel führt, kann man dann aber verfolgen, dass es ganz ohne Menschenfreundlichkeit doch nicht geht. Vor allem die Ausstellung "Organic Design in Home Furnishings" von Charles Eames und Eero Saarinen im "Museum of Modern Arts" 1941 verband kühle, geschwungene Formen mit warmen Materialien, also mit naturbelassenem Holz und vorsichtiger Polsterung. Das war auch der Vorläufer der bundesdeutschen Nachkriegs-Nierentisch-Revolution, die seltsamerweise bei Vitra gar nicht vorkommt.
Im Grunde haben die skandinavischen Designer mit ihren "demokratischen" Holzformen den Massengeschmack lang dauernd geprägt; IKEA ist ihr Nachfahre. Jedenfalls tourte "Design in Scandinavia" in den 1950iger Jahren durch 22 Städte der USA und erhielt begeisterte Kritiken. Verrückter wurde es erst wieder in den 1960iger Jahren mit Verner Panthon und Joe Colombo, also mit Liegewiesen, Schalensitzen, Wohnlandschaften, ausziehbaren Möbeln und Multifunktions-Einheiten. Das hatte viel zu tun mit den Cockpits der NASA und dem Flug zum Mond, mit Fortschrittsglauben und Aufbruchstimmung und vor allem mit neuen, synthetischen Materialien. Nach Colombo kam der Sperrmüll: Signum der Ausstellung "Gefühlscollagen: Wohnen von Sinnen" war 1986 ein Stuhl namens "Consumer’s Rest" von Stiletto, dessen Sitzfläche aus dem Gestänge eines ausrangierten Supermarkt-Einkaufswagens bestand. Daneben gibt es Plattenspieler aus Beton, stählerne Sofas für Masochisten, Möbel als hartherzige, bedeutungsbeladene Wohn-Skulpturen. Wer, bitte, möchte einen eisernen Bundesadler als Rückenlehne haben?
Neben allerlei pop-artigen Versatzstücken zeigt der letzte Teil der Vitra-Ausstellung vor allem, dass wir mittlerweile gelernt haben, uns selbst avantgardistisch zu quälen: schick ist es oft, aber nicht unbedingt bequem. Gar keine Gemütlichkeit ist auch nicht gut – es müssen ja nicht gleich Brokat-Deckchen sein.