"It's been very therapeutic, this is the first time that I've ever kind of talked about it and explored how I feel about it."
Nach unserem Interview wirkt der britische Jazz- und Soul-Sänger Ola Onabulé fast ein bisschen erleichtert - dabei war es gar nicht so einfach, ihn überhaupt zu einem Gespräch zu überreden. Denn zum einen hatte er vorher noch nie mit einem Journalisten oder einer Journalistin über dieses Thema gesprochen. Zum anderen läuft gerade ein Rechtsstreit und er ist generell sehr vorsichtig, was unser Gesprächsthema angeht.
1.275 Euro für einen Welthit
Ende der 90er-Jahre, ein Aufnahmestudio in Italien: Ola Onabulé und einige andere Sänger wurden über eine Agentur für Sessions zum italienischen Produzenten Gigi D'Agostino eingeladen. Dort hat Onabule "L'amour Toujours" eingesungen und nach eigenen Angaben auch am Text und an der Gesangsmelodie mitgearbeitet. Und er hat damals auch noch ein paar andere Songs für D'Agostino eingesungen, wie zum Beispiel "Another Way". Onabulé flog wieder nach Hause, er bekam für die Session damals umgerechnet 1275 Euro. Danach hat er nie wieder von D'Agostino ge hört. Seitdem hat sich Onabulé eine Karriere als Jazz- und Soul-Sänger aufgebaut und zehn Alben veröffentlicht.
Berührungspunkte mit Dance- oder Popmusik hat Onabulé kaum, er bewege sich musikalisch anderen Genres, weshalb er überrascht war, als ihn 2018 auf Social Media ein Fan angeschrieben und gefragt hat, ob das seine Stimme auf "L’amour Toujours" sei.
Ola Onabulé: "Ich habe dann angefangen, ein bisschen zu recherchieren und mir den Song angehört. Und natürlich habe ich meine Stimme erkannt, egal ob ein Autotune-Effekt drauf liegt oder nicht. Dann habe ich meinen Kindern den Song vorgespielt, sie sind Anfang 20. Und ich habe sie gefragt: Kennt ihr dieses Lied? Und sie meinten nur: Na klar kennen wir das – das ist ein Megahit! Also habe ich auf YouTube nachgeschaut und gesehen, dass er hunderte Millionen Views hat. Da wurde mir klar, dass all das passiert ist, ohne dass ich davon gewusst habe."
D'Agostino, sein Label, sein Management – niemand hätte ihn darüber informiert, dass seine Stimme für den Song benutzt wurde und er sei nirgends als Sänger des Songs registriert worden. Und tatsächlich findet sich nirgendwo der Namen von Onabulé – nicht auf den Tonträgern des Songs, nicht bei der GEMA, nicht in anderen Musik-Datenbanken. Der Brite hatte sich schon damit abgefunden, dass er nie offiziell als Sänger des Songs anerkannt werden wird, dass er nicht fair entlohnt und behandelt wurde. Aber die Geschichte nagte immer mehr an ihm.
Ola Onabulé: "Es ist dieses komische psychologische Phänomen: Wenn jemand zu dir sagt: 'Ich finde, du solltest dir einen SUV von Volvo kaufen' – und plötzlich siehst du genau dieses Auto überall!"
Als er dann vor ein paar Monaten den Film "Uncut Gems" auf Netflix gesehen hat, und im Abspann plötzlich "L'amour Toujours" und seine Stimme zu hören waren, aber in den Credits zum Soundtrack wieder nicht sein Name erschienen ist, hatte er genug.
Erfolglose Kontaktaufnahme
Onabulé hat versucht, D'Agostino zu kontaktieren, aber erfolglos. Auch der Deutschlandfunk hat versucht, mit D'Agostino über diese Geschichte zu sprechen, aber leider haben weder er noch sein Label auf Mails und Nachfragen reagiert. Mittlerweile hat Onabulé einen Anwalt eingeschaltet. Und gute Chancen auf Erfolg, glaubt die Musikurheberrechts-Expertin Anne Ohlen. Nach dem Urheberrecht sei er als Sänger leistungsschutzberechtigt:
"Und ein Leistungsschutzberechtigter hat auf jeden Fall ein Recht auf Namensnennung."
Selbst wenn man wollen würde, könne man dieses Recht auf Namensnennung aus dem Urhebergesetz nicht vertraglich abgeben, so Ohlen. Zwar seien nicht alles Details des Falls bekannt, aber: "Ich halte es für relativ unwahrscheinlich, dass er mit seinem Anspruch nicht durchkommt."
Und dass er offiziell als Sänger von "L'amour Toujours" genannt wird, ist auch das, was Onabulé am wichtigsten ist.
Ola Onabulé: "Ich verdiene meinen Lebensunterhalt als Sänger. Und im Musikbusiness läuft es leider so: je älter man wird, desto weniger Angebote bekommt man. Man muss sich also einen Ruf erarbeiten, um weiterhin gebucht zu werden. Und man muss versuchen, finanziell einigermaßen gut dazustehen, bevor die harten Zeiten beginnen. Und ich glaube, wenn die Leute in den letzten 20 Jahren gewusst hätten, dass ich die Stimme von "L’amour Toujours" bin, hätte das zu mehr Arbeit für mich geführt. Ich habe also 20 Jahre potenzieller Jobs verloren. Und dieses Gefühl, dass ich durch die Nicht-Nennung viele Möglichkeiten verpasst habe, ist sehr schmerzhaft. Es wäre also schön, wenn man das wieder gut machen und dafür sorgen würde, dass mein Name mit dem Song verbunden wird."