Archiv


"L'Equipe", Armstrong und die Tour

Lance Armstrong streitet alle Vorwürfe ab, doch sie stehen im Raum und sie wiegen schwer: Am vergangenen Dienstag hatte die französische Sportzeitung "L'Equipe" von postiven Epo-Proben des Tour-Helden berichtet - just jene Zeitung also, die untrennbar mit dem härtesten Radrennen der Welt verbunden ist.

Von Christoph Heinemann |
    Redaktionskonferenz bei "L'Equipe". Claude Droussent, der Chefredakteur der größten französischen Sportzeitung, ruft die einzelnen Ressorts auf. Nicht nur in diesen Tagen steht der Radsport im Vordergrund. Die Zeitung und die Tour de France sind nicht voneinander zu trennen - und das seit 100 Jahren. Damals stand die Sportzeitschrift "L'Auto", die nach dem Krieg unter dem heutigen Namen "L'Equipe" erschien, vor dem finanzielle Ruin, erzählt Chefredakteur Claude Droussent:

    "Herausgeber Henri Desgranges lud eines Tages seinen brillanten Mitarbeiter Géo Lefebvre zum Essen ein und sagte zu ihm: Wenn uns nichts Geniales für die Zukunft einfällt, sind wir erledigt. Lefebvre hatte die Idee einer Tour de France. Es gab damals schon Städtetouren, die zwei Tage dauerten, aber noch keine Rundfahrt in Etappen. So wurde die Tour de France geboren".

    Heute gehört L'Equipe zur Pressegruppe Edition Philippe Amaury, die neben mehreren Sportpublikationen und der Zeitung "Le Parisien" auch Eigentümer des Sportveranstalters ASO ist. Und ASO richtet auch die Tour de France aus. Auch personell sind die Bindungen eng: Jacques Goddet war lange Zeit sowohl Direktor der Tour de France als auch Chefredakteur von "L'Equipe". Jean-Marie Leblanc, der gegenwärtige Chef der Tour, leitete einst die Radsport-Redaktion der Zeitung. Für die Journalisten bedeutet dies eine Gratwanderung zwischen kommerziellen Zwängen und der beruflichen Verpflichtung zur Aufklärung. Der Bedarf ist groß, denn seit Jahrzehnten ist bekannt, dass mancher sportlichen Spitzenleistung eine medizinische Spritzenleistung vorausging.

    1967: Beim Aufstieg auf den Mont Ventoux stirbt der Brite Tom Simpson. Die Autopsie ergibt: Amphitamin-Doping.

    Medikamentenmissbrauch - lange Zeit keine Thema für "L'Equipe", der 1988 gar vorgeworfen wurde, sie hätte den Dopingfall des Toursiegers Pedro Delgado vertuschen wollen. Die Zeitung schrieb lieber Heldengeschichten der Tour de France.

    Die Wende kam 1998. Das gesamte Festina-Team wurde wegen Dopings von der Tour ausgeschlossen. "Als es der Dopingverdacht aufkam, gehörten wir zu den ersten, die darüber offen berichtet haben, obwohl wir auch die Tour organisieren", sagt der "Equipe"-Redakteur Philippe Le Gare:

    "Nicht alle haben das gern gesehen, denn das kommerzielle und das Medienereignis wurde dadurch schon angekratzt. Aber seit 15 Jahren ist die Zeitung in ihrer Berichterstattung von der Organisation der Tour de France vollkommen unabhängig."

    Nach dem Festina-Skandal hatte die Tageszeitung "Le Monde" einen Abbruch der Tour de France gefordert. Jerome Bureau, der damalige Chefredakteur von "L'Equipe" antwortete in einem flammenden Gegenkommentar, man dürfe die Fahrer auf keinen Fall nach Hause schicken. Der heutige Chefredakteur Claude Droussent verteidigt diese Haltung:

    "Ich bin nicht einverstanden mit denjenigen, die behaupten, alle seien gedopt. Ich kenne persönlich junge Fahrer, die nichts nehmen. Wenn das Gegenteil bewiesen wird, werde ich sofort die Leitung der Zeitung "L'Equipe" niederlegen."

    Und nun: "Die Lüge Armstrong" titelte "L'Equipe" am Dienstag und veröffentlichte Untersuchungsergebnisse einer Urinprobe aus dem Jahr 1999, in dem der Texaner seinem ersten von sieben Toursiegen entgegenfuhr - gedopt mit dem verbotenen Mittel EPO.