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Labor in rauem Wellengang

Ozeanologie. - 70 Kilometer westlich vor Sylt soll "FINO 3" auf hoher See vor Anker gehen: die Beobachtungsplattform wird in rauer Umgebung Wetter- und Winddaten erheben, die der Risikoabschätzung bei zukünftigen Windkraftanlagen dienen.

Von Frauke Schäfer |
    27 Meter tief soll der Pfahl von "FINO 3" in den Meeresboden gerammt werden, ein stattliches Exemplar mit immerhin viereinhalb Metern Durchmesser. Er muss ja auch einiges tragen, erklärt Projektleiter Jan Bachmann. Vom Meeresboden aus gemessen ragt der Gründungspfahl immerhin noch knappe fünfzig Meter in die Höhe:

    "Darauf schließt ein Plattformdeck von 13 mal 13 Metern an, mit einem auskragenden seitlich abgestützten Helideck, und einem Messmast, der 85 Meter hoch ist. Der also dann gesamt bis in 105 Meter Höhe geht. "

    Gespickt sein wird das Ganze mit jeder Menge Messinstrumente. Das fängt schon im Meeresboden an. Dieser besteht am geplanten Standort 70 Kilometer westlich vor Sylt aus Sand, das haben aufwendige Bohrungen jüngst ergeben. Eine zweischneidige Sache, findet Joachim Stahlmann, seines Zeichens Professor für Geotechnik an der Technischen Universität Braunschweig. Der Sand, sagt er, habe eine gute Festigkeit, könne sich andererseits aber auch verflüssigen. Wie ist das denn jetzt zu verstehen?

    "Jeder, der mal einen Weidepfahl schon mal rausgezogen hat, weiß dass das nicht geht, wenn er einfach nur daran zieht, es kommt also zu einer horizontalen Beeinflussung, und es bilden sich Hohlräume, und dann kann man das rausziehen. Diese horizontale Beanspruchung ist eben auch gegeben durch die Wellen, und das auch noch dynamisch, das Ganze wird auch noch immer hin- und her bewegt. Und die Frage ist, ob es zu diesem Phänomen dann kommt..."

    ...der Grund also ins Rutschen kommt und der Pfahl samt Plattform zwar nicht umkippt, sich aber beträchtlich zur Seite neigt. Das darf natürlich nicht geschehen, deswegen wird Professor Stahlmann an FINO 3 messen, wie die Kräfte, die auf den Pfahl wirken, in den Untergrund übertragen werden. Draußen auf See ist ja Bewegung genug, betont Friedwart Ziemer:

    "Das ist nun mitten in der Nordsee bis auf 22 Meter Wassertiefe, und die Wellen haben dort Höhen von weit über zehn Metern, und da kann man sich vorstellen, dass da einige Brecher auf unsere Forschungsplattform zukommen werden."

    Friedwart Ziemer arbeitet am Institut für Küstenforschung der GKSS in Geesthacht, Spezialgebiet: Radarhydrographie. Man könnte auch sagen, dass er sich besonders für Wellen interessiert. Auf FINO 3 wird der Wellenforscher das Brecherfeld insgesamt untersuchen, die Brecher und ihren Verlauf über eine längere Strecke vermessen. Schließlich sind in großen Offshore-Anlagen Windparks mit bis zum 80 Mühlen geplant. Eine Mühle gibt ihre Brecher also an andere weiter:

    "Eventuell können wir sagen, dass es kritische Abstände gibt zwischen den Mühlen, die man dann einhalten sollte, das können wir aber eben nicht vom Schreibtisch aus festlegen, dafür müssen wir eben auf die Plattform selber, um zu sehen, gibt es also von der Plattform eine Rückwirkung auf das Seegangsfeld, so dass man einen gewissen Abstand zur Nachbarmühle einhalten sollte."

    Raus aus seinem Labor möchte auch Professor Klaus Scheibe, jedenfalls möchte er seine Messinstrumente draußen auf hoher See installieren. In der Spitze des Messmastes, in 120 Metern Höhe, will der Kieler Forscher Jagd auf Blitze machen. Die meisten Erkenntnisse über Blitze basieren nämlich auf Beobachtungen zu Lande und die lassen sich nun wirklich nicht auf "Offshore-Verhältnisse" übertragen.

    "Blitzhäufigkeit bedeutet hier in Küstennähe vielleicht zwei, drei, vier Einschläge pro Quadratmeter und Jahr. Haben wir es aber mit einer exponierten Anlage zu tun, dann wird diese natürlich viel häufiger getroffen. Das ist der eine Punkt, den wir dort vornehmen wollen, also die Blitzhäufigkeit bei einem Windpark da draußen zu messen. Bei einem Blitz interessiert zum einen, entwickelt sich der Blitz von der Erde zur Wolke oder umgekehrt, denn damit unterscheiden sich die Blitzparameter, sprich Amplitude, Blitzstromsteilheit, Ladungsmenge, Energie recht unterschiedlich sein können. "

    Neben Blitzen, Wellen und Gründung nehmen die Forscher aber auch noch weitere Aspekte ins Visier. Dazu gehört die Übertragung des Schalls von der Windmühle ins Wasser, spezifische Blattprofile der Rotoren und Windturbulenzen, wie sie nur auf hoher See entstehen können.