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LABOR: Quizzen im Unterricht
Mit der falschen Antwort zu mehr Wissen

Auswendiglernen, Üben mit Karteikarten oder am Computer recherchieren: Es gibt viele Möglichkeiten, zu lernen. Eine neue Studie hat jetzt herausgefunden: Quizzen kann beim Lernen helfen - und bringt den größten Erfolg, wenn man dabei erstmal auf die falsche Antwort tippt.

Von Afanasia Zwick |
    Menschen mit Bildern mit Fragezeichen vor ihrem Gesicht.
    Quizzen regt zum Nachdenken an (imago stock&people)
    Mathe zählt nicht gerade zu Veras besten Fächern:
    "Gestern war es zum Beispiel so, dass wir Funktionsgleichungen ableiten mussten und ich hab dann auch so meine Überlegungen angestellt, was man vielleicht wie kombinieren könnte und diese Kombination von den Gleichungen war dann am Ende falsch. Es hat mich dann noch den Tag über beschäftigt, wieso sich das nicht so zusammengesetzt hat."
    Was der Zehntklässlerin des Frankfurter Goethe-Gymnasiums beim Lernen hilft: Ihr Lehrer verrät die korrekte Antwort oft erst mal nicht. Stattdessen lässt er die Klasse nachdenken, was weshalb stimmen könnte. Laut Garvin Brod, Forscher am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung, prägen sich so Schüler den Stoff besser ein:
    "Man weiß aus vielen Studien, dass Vorhersagentreffen eine sehr gute Möglichkeit ist, um Denkprozesse in Lernenden auszulösen."
    Auch die falsche Antwort kann zum Lernziel führen
    "Vorwissensaktivierung" heißt das in der Forschung. Aber: "Ganz spezifisch die Fragestellung zu den genauen kognitiven Mechanismen, die der lernförderlichen Wirkung zugrunde liegen – dazu gibt’s wenig, das hat mich überrascht, als ich angefangen habe, in dieser Forschungsrichtung zu arbeiten."
    Brod hat in Kooperation mit der Berkeley-Universität in Kalifornien dieses Forschungsgebiet nun um eine neue Erkenntnis erweitert. Für die Studie hat er mittels Eyetracking die Pupillenerweiterung seiner Probanden gemessen – und damit deren Überraschungsreaktion:
    "Was wir sehen im Experiment ist, dass dieses Ausmaß dieser Überraschung zusammenhängt mit ihrem späteren Lernerfolg. Und wir sehen, dass diese Überraschungsreaktion nur auftritt, wenn das Vorwissen sich als falsch herausstellt. Und das ist ein durchaus ziemlich spannendes Ergebnis, sprich man könnte die Überraschung wirklich als eine zusätzliche Lerngelegenheit auffassen."
    36 Studierende sollten einschätzen, welches von zwei Ländern größer ist. Dabei sah eine Gruppe direkt die richtige Antwort und musste dann erst sagen, ob sie das auch so vermutet hätte. Die andere Gruppe musste zuerst vermuten und erfuhr dann die Lösung.
    Quiz als Unterrichtsmethode
    In einem zweiten Schritt untersuchten die Forscher: Bei welcher Gruppe haben sich die Einschätzungen am meisten verbessert, also wer hat dazu gelernt?
    a) die Gruppe, die keine Vorhersage getroffen hat
    b) die Gruppe, die eine Vorhersage getroffen hat oder
    c) die Gruppe, die eine falsche Vorhersage getroffen hat
    Richtig ist: Antwort c): Die, die falsch lagen, haben am meisten gelernt, so Brod. Unterm Strich gilt: Durch Frage-Antwort-Spiele im Unterricht könnten Schüler mehr lernen.
    Dominik Christ, Politik- und Wirtschaftslehrer am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Frankfurt, testet seine Schüler regelmäßig mit einem selbst gebastelten Quiz à la "Wer-wird-Millionär". Für ihn eine vielseitige Lehrmethode:
    "Vor Arbeiten ist es ganz gut, nochmal zu wiederholen, die Kerngebiete abzuklopfen. Auch um neue Themen einzuführen und das Interesse zu wecken: Hallo, was gibt’s da, was ist meine momentane Einstellung zu der Thematik. Gerade die Konfrontation der Schüler und Schülerinnen mit ihrer falschen Vermutung, die sie in dem Moment hatten, hilft natürlich weiter im Lernfortschritt."
    Auf der Suche nach der richtigen Antwort
    Vera sagt: In der Unterstufe hat es sie demotiviert, wenn sie sich geirrt hat. Inzwischen aber sieht sie mehr Vorteile im Quiz:
    "Ich geh’ alle Antworten durch und versuch eine logische Erklärung dafür zu finden und wenn es wirklich so Kleinigkeiten sind, wo beides möglich sein könnte, kann man sich das besser merken."
    Ob eher Multiplechoice oder offene Fragestellungen hilfreich sind; ob ein Quiz in jedem Fach und für jede Altersstufe lernförderlich ist – das ist bisher noch unerforscht, sagt Brod. Auch auf die Frage von Schülerin Lena Schumacher habe die Wissenschaft noch keine Antwort:
    "Diesen Überraschungseffekt, muss man den dadurch bekommen, dass man falsch liegt? Ich meine, generell, wenn man eine gewisse Emotion verspürt, dann hilft das weiter, dass man Zusammenhänge besser erkennt."
    Quizzen hat viele Vorteile
    Fest steht, dass ein Quiz Schüler zum Überlegen und Lehrer zum Überraschen anregt. Auch Schulbuchverlage nutzen diese Form zur Vorwissensaktivierung. Und es gibt digitale Lernplattformen mit Frage-Antwort-Spielen: "Kahoot" oder "Plickers" zum Beispiel. Rafael Stephan, Biolehrer am Frankfurter Goethe-Gymnasium, öffnet die Plickers-App.
    "Mit welcher Phase ist die Mitose abgeschlossen?"
    Er sagt, die Quizergebnisse helfen auch, um den Unterricht genauer auf die Klasse zuzuschneiden:
    "Idealerweise, wenn man schon mal Aufgaben in den Jahren davor gestellt hat und dann schaut, welche Antwortmöglichkeit wurde sehr oft gegeben, die falsch ist, daran merkt man ja, okay, da gibt’s irgendeine Fehlvorstellung. Das ist ja auch ein Ziel dieser Aufgaben, dass man die aufdeckt."
    Schüler uneinig über Lehnmethode
    Seine Schüler sind sich über den Erfolg der Quizmethode nicht ganz einig:
    "Wenn ich mal was falsch hatte, dass ich zum Beispiel b) hatte und dann war a) richtig, dann hat man sich mehr gemerkt, dass a) richtig war als die Antwort. " - "Wenn man drangenommen wird und man weiß die Antwort nicht, dann ist es immer ein bisschen blöd, aber wenn man bei einem Quiz mal die Antwort nicht richtig hat, dann ist es ok."- "Es ist auch eine gute Abwechslung, aber es ist nicht das, was mich mega viel weiter gebracht hat."
    Vera sagt, je trickreicher Frage- und Antwortmöglichkeiten gestellt seien, umso mehr begreife sie das Ergebnis:
    "Ich werd’ das auch für die nächste Arbeit anwenden können."