Tony Ourslers bekannteste Arbeit ist ein in eine Kiste gezwängtes, nur aus einem babyhaften Mondgesicht bestehendes Wesen, das den Zuschauer mit einer quäkenden, flehenden Stimme anspricht und ihn in ein Gespräch verwickeln will. Es ist eine menschliche Rumpfkreatur von Beckettscher Traurigkeit, die klagt, schreit und flüstert, die sofort Schrecken und Mitgefühl erregt, ein Kleiderrest hängt trübe aus seiner sargähnlichen Behausung heraus – und das Beste ist, dass die Machart dieses Kunstwerks offen zutage liegt. Von einem Projektor wird das gefilmte Babyface auf ein weißes Kissen geworfen, der Ton kommt aus Lautsprechern.
Solche Werke, die auf der Grenze zwischen Skulptur und Video balancieren, nennt Tony Oursler "Dummies", also Attrappen, Versuchs-Puppen. Auch in seinen raumgreifenderen Arbeiten nutzt der frühere Punkmusiker Oursler gern Soundtracks und theatralische Elemente. Zwar hat Oursler in den großen Museen und auch auf der Documenta ausgestellt – aber ein ganzes Haus konzeptuell mit Video-Installationen zu bespielen, wie er es jetzt in Bregenz versucht, das ist noch mal eine andere Herausforderung: Alles ist aufeinander bezogen, eine Kette theatraler und plastischer Ereignisse, die bestimmte Themen fortspinnen.
Oursler beginnt mit einer Art Höhlengleichnis: Zwei Film-Figuren führen Dialoge in einem kleinen, hohlen Stein, während man auf einer leeren Wand in schneller Folge mit Reise-, Alltags- und Satellitenbildern bombardiert wird. Von Platon bis Google Earth: Nach dieser Exposition arbeiten wir uns durch drei Stockwerke hinan, in denen jeweils Rauch nach oben steigt (wenigstens visuell) und Flüssigkeiten heruntertropfen. In jeder Etage gibt es eine Videowand mit einem Chor: einen schreienden, unheimlichen Kinderchor mit schwarzen Negativgesichtern; dann eine Gruppe von Drag Queens, bunt ausstaffierte Transvestiten in Show-Posen, die lautmalende Oursler-Poeme über das Glück rezitieren; schließlich einen Chor von fünf Frauen, die zu beten oder zu meditieren scheinen.
Dies sind unsere Anchormen, unsere Fremdenführer durch eine surreale Welt optischer Zeichen, die Tony Oursler für uns aufgebaut hat: chemische Formeln, Flüssigkeitsleitungen, fragmentierte Körperteile. Es geht um Input und Output, und dies in körperlicher, geistiger und medialer Hinsicht; also um Alkohol und Nikotin, um Stoffwechsel, um das Gefühl, um Fernsehkonsum, um den Tod. Der Kreislauf wird in Gang gesetzt von einem simplen Kippschalter, der das Licht an- und wieder ausmacht. Auf einer skulpturalen Wand gegenüber implodiert daraufhin eine Glühbirne, als hätte man mindestens eine Atombombe gezündet. Vor einer Ziegelmauer, die von Geisterhand im Video immer wieder auf- und abgebaut wird, steht überlebensgroß und schön der nackte Fuß eines Kleinkinds, während daneben eine Zigarette verglimmt – und mit ihr unsere Lebenszeit.
In den anderen Stockwerken gehen Feuerzeuge an, Flüssigkeiten laufen durch Schläuche, Getränkedosen schäumen auf. Finger reiben über Rubbel-Spiele und suchen Glück und Gewinn, eine schwarze Sängerin erzählt einen "Slime Text", ein wirbelsäulenartiges plastisches Konstrukt schraubt sich nach oben und zeigt auf Schautafeln Synapsen und physiologische Werte; und eine Batterie von Fernbedienungen unterstellt, dass man diese Geisterbahnfahrt auch wieder abschalten kann.
Kann man aber nicht. Der Zuschauer ist gefangen in einem Labyrinth aus vagen Andeutungen und angsteinflößenden Stimuli, die als Einzelteile von höchst unterschiedlicher Qualität sind. Als System kann man ihnen nicht entkommen. Man fühlt sich ein bißchen wie jene Figur (wahrscheinlich Oursler selber), die in einer Installation von einer glibberigen grünen Masse übergossen wird. Im Detail ist Oursler ein Meister des medial inszenierten Schreckens. Diese dubiose Ausstellung scheint als Ganzes aber eher eine Kopfgeburt oder eher: eine intellektuelle Mißgeburt zu sein.
Service:
Die Ausstellung von Tony Oursler ist bis 17. Januar 2010 im Kunsthaus Bregenz zu sehen.
Solche Werke, die auf der Grenze zwischen Skulptur und Video balancieren, nennt Tony Oursler "Dummies", also Attrappen, Versuchs-Puppen. Auch in seinen raumgreifenderen Arbeiten nutzt der frühere Punkmusiker Oursler gern Soundtracks und theatralische Elemente. Zwar hat Oursler in den großen Museen und auch auf der Documenta ausgestellt – aber ein ganzes Haus konzeptuell mit Video-Installationen zu bespielen, wie er es jetzt in Bregenz versucht, das ist noch mal eine andere Herausforderung: Alles ist aufeinander bezogen, eine Kette theatraler und plastischer Ereignisse, die bestimmte Themen fortspinnen.
Oursler beginnt mit einer Art Höhlengleichnis: Zwei Film-Figuren führen Dialoge in einem kleinen, hohlen Stein, während man auf einer leeren Wand in schneller Folge mit Reise-, Alltags- und Satellitenbildern bombardiert wird. Von Platon bis Google Earth: Nach dieser Exposition arbeiten wir uns durch drei Stockwerke hinan, in denen jeweils Rauch nach oben steigt (wenigstens visuell) und Flüssigkeiten heruntertropfen. In jeder Etage gibt es eine Videowand mit einem Chor: einen schreienden, unheimlichen Kinderchor mit schwarzen Negativgesichtern; dann eine Gruppe von Drag Queens, bunt ausstaffierte Transvestiten in Show-Posen, die lautmalende Oursler-Poeme über das Glück rezitieren; schließlich einen Chor von fünf Frauen, die zu beten oder zu meditieren scheinen.
Dies sind unsere Anchormen, unsere Fremdenführer durch eine surreale Welt optischer Zeichen, die Tony Oursler für uns aufgebaut hat: chemische Formeln, Flüssigkeitsleitungen, fragmentierte Körperteile. Es geht um Input und Output, und dies in körperlicher, geistiger und medialer Hinsicht; also um Alkohol und Nikotin, um Stoffwechsel, um das Gefühl, um Fernsehkonsum, um den Tod. Der Kreislauf wird in Gang gesetzt von einem simplen Kippschalter, der das Licht an- und wieder ausmacht. Auf einer skulpturalen Wand gegenüber implodiert daraufhin eine Glühbirne, als hätte man mindestens eine Atombombe gezündet. Vor einer Ziegelmauer, die von Geisterhand im Video immer wieder auf- und abgebaut wird, steht überlebensgroß und schön der nackte Fuß eines Kleinkinds, während daneben eine Zigarette verglimmt – und mit ihr unsere Lebenszeit.
In den anderen Stockwerken gehen Feuerzeuge an, Flüssigkeiten laufen durch Schläuche, Getränkedosen schäumen auf. Finger reiben über Rubbel-Spiele und suchen Glück und Gewinn, eine schwarze Sängerin erzählt einen "Slime Text", ein wirbelsäulenartiges plastisches Konstrukt schraubt sich nach oben und zeigt auf Schautafeln Synapsen und physiologische Werte; und eine Batterie von Fernbedienungen unterstellt, dass man diese Geisterbahnfahrt auch wieder abschalten kann.
Kann man aber nicht. Der Zuschauer ist gefangen in einem Labyrinth aus vagen Andeutungen und angsteinflößenden Stimuli, die als Einzelteile von höchst unterschiedlicher Qualität sind. Als System kann man ihnen nicht entkommen. Man fühlt sich ein bißchen wie jene Figur (wahrscheinlich Oursler selber), die in einer Installation von einer glibberigen grünen Masse übergossen wird. Im Detail ist Oursler ein Meister des medial inszenierten Schreckens. Diese dubiose Ausstellung scheint als Ganzes aber eher eine Kopfgeburt oder eher: eine intellektuelle Mißgeburt zu sein.
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Die Ausstellung von Tony Oursler ist bis 17. Januar 2010 im Kunsthaus Bregenz zu sehen.