Die leeren Patronenhülsen fallen klingelnd auf den schwarzen, polierten Steinboden: Ein ziemlich beeindruckend aufgerüsteter Theaternaturalismus. Es kann also kein Zweifel daran bestehen, dass Thomas Ostermeier, der mit seiner ersten Ibsen-Inszenierung einen großen Erfolg erzielte, den norwegischen Dramatiker genau an der Stelle wieder zu packen bekommen will, wo Ibsen in seinem pessimistischen Blick auf die Spiele und in die Seelen des Bürgertums auf mörderische Handgreiflichkeiten zusteuert.
Das schön Unheimliche an dieser Inszenierung um die böse Geschichte einer zutiefst frustrierten Dame ist ihr softer Unterton. So als sollten Gefühle weggetupft werden, klingt die Musik, so als wären die Figuren im naturnahen Biotop der ewigen Seeligkeit angekommen wirkt das Dekor: Bodentiefe, rahmenlose Glasflächen trennen das Innen vom Außen auf dieser Drehbühne, über der weit oben ein gewaltiger zum Publikum geneigter Spiegel angebracht ist.
So kann man immer wieder auch von oben in das Eigenheim hineinschauen, wie in einen Rattenkäfig, in eine Versuchsanordnung. Und wenn es Nacht wird oder der Szenenwechsel ansteht, werden schwarz-weiss-Filmbilder auf das drehende Dekor projiziert, Blattwerk, die Straßenseite einer Villengegend. Aber diese beiläufigen Bilder sind nicht so unheimlich wie etwa bei David Lynch, sondern eher milde optimistisch wie bei Billy Wilder. Die Inszenierung und ihre Mimikri: Sie versteckt ihren Suspence in optischen und akustischen Beruhigungsmitteln.
Als mit Nora vor drei Jahren eine Frau zu zeigen war, die durch wachsende Enttäuschung in ihrer Ehe zu einer militanten Megäre wurde, da spielte Anne Tismer eine Aufgebrachte, eine zurecht Entrüstete, eine gegen den kalten Karrieristen ankämpfende Ehefrau. Jetzt aber, mit Katharina Schüttler in der Titelrolle sehen wir eine ungleich gefährlichere Kämpferin. Denn in dieser Hedda ist schon seit langem ein innerer Krieg ausgebrochen, der – durch perfektes emotionales Selbst-Management im Zaum gehalten – sich nicht nach außen verrät. Hedda hat einen Opportunisten geheiratet, weil dessen Professur als sicher galt und muss nun erkennen, dass sie das verlogene Mittelmaß ihrer Entscheidung nicht erträgt, zumal der von ihr verstoßene akademische Rivale ihres Mannes durch die fürsorgliche Liebe einer anderen Frau zum Zug und zu großer Anerkennung kommen könnte.
Lars Eidinger spielt Hedda Gablers Ehemann als ziemlich offensichtlichen Waschlappen, Kay Bartholomäus Schulze den genialen, aber von Alkoholexzessen bedrohten Konkurrenten als attraktive Leidensfigur. Alle, rings um diese Hedda, spielen ihre Ibsen-Figuren, ihre Verzweiflung, ihre Jämmerlichkeit, ihre Gier und ihre Konvention, bei aller Aktualisierung von Dekor, Kostüm und Gestik mit den klassischen Mitteln der Darstellung. Aber Katharina Schüttler lässt mit ihrem Versteckspiel einen destruktiven Charakter erkennen, der mit dem 21. Jahrhundert viel mehr zu tun hat als mit Ibsens Bürgertum des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn alles scheint beiläufig, leise, untheatralisch, perfide, provozierend harmlos und deshalb gefährlich.
Hedda und ihr trotteliger Jorgen Tesman geistern und lümmeln durch das von Jan Pappelbaum gebaute Fragment einer ehrgeizigen Architektur, so als wären sie nicht die neuen Besitzer sondern nur die Kinder von Leuten, die verreist sind: Eine Erbengeneration, die mit dem schicken Ambiente Probleme hat. Ostermeiers Inszenierung ist so auch eine Bilanz von vier deutschen Neureichenjahrzehnten. Wo der Mann mit Wohlstandsduckmäusertum durchzukommen hofft, zerstört die Frau jeden Rest falscher Konvention, und die Früchte der eigenen feigen Lebenslüge, bis zum abschließenden Selbstmord.
Am Ende von Nora war der Mann tot und Anne Tismer lehnte mit leerem Blick und leerer Seele an der Außenwand ihres Hauses – bereit für eine Zukunft aus "Nichts". Am Ende von Hedda Gabler lehnt die Frau mit durchschossener Schläfe an der Wand ihrer Diele und die anderen basteln weiter an ihren längst entleerten Biografien. Beide Male hat Ostermeier in den Seelen von Männern und Frauen seiner Generation ein großes Stück Ibsen-Land entdeckt.
Das schön Unheimliche an dieser Inszenierung um die böse Geschichte einer zutiefst frustrierten Dame ist ihr softer Unterton. So als sollten Gefühle weggetupft werden, klingt die Musik, so als wären die Figuren im naturnahen Biotop der ewigen Seeligkeit angekommen wirkt das Dekor: Bodentiefe, rahmenlose Glasflächen trennen das Innen vom Außen auf dieser Drehbühne, über der weit oben ein gewaltiger zum Publikum geneigter Spiegel angebracht ist.
So kann man immer wieder auch von oben in das Eigenheim hineinschauen, wie in einen Rattenkäfig, in eine Versuchsanordnung. Und wenn es Nacht wird oder der Szenenwechsel ansteht, werden schwarz-weiss-Filmbilder auf das drehende Dekor projiziert, Blattwerk, die Straßenseite einer Villengegend. Aber diese beiläufigen Bilder sind nicht so unheimlich wie etwa bei David Lynch, sondern eher milde optimistisch wie bei Billy Wilder. Die Inszenierung und ihre Mimikri: Sie versteckt ihren Suspence in optischen und akustischen Beruhigungsmitteln.
Als mit Nora vor drei Jahren eine Frau zu zeigen war, die durch wachsende Enttäuschung in ihrer Ehe zu einer militanten Megäre wurde, da spielte Anne Tismer eine Aufgebrachte, eine zurecht Entrüstete, eine gegen den kalten Karrieristen ankämpfende Ehefrau. Jetzt aber, mit Katharina Schüttler in der Titelrolle sehen wir eine ungleich gefährlichere Kämpferin. Denn in dieser Hedda ist schon seit langem ein innerer Krieg ausgebrochen, der – durch perfektes emotionales Selbst-Management im Zaum gehalten – sich nicht nach außen verrät. Hedda hat einen Opportunisten geheiratet, weil dessen Professur als sicher galt und muss nun erkennen, dass sie das verlogene Mittelmaß ihrer Entscheidung nicht erträgt, zumal der von ihr verstoßene akademische Rivale ihres Mannes durch die fürsorgliche Liebe einer anderen Frau zum Zug und zu großer Anerkennung kommen könnte.
Lars Eidinger spielt Hedda Gablers Ehemann als ziemlich offensichtlichen Waschlappen, Kay Bartholomäus Schulze den genialen, aber von Alkoholexzessen bedrohten Konkurrenten als attraktive Leidensfigur. Alle, rings um diese Hedda, spielen ihre Ibsen-Figuren, ihre Verzweiflung, ihre Jämmerlichkeit, ihre Gier und ihre Konvention, bei aller Aktualisierung von Dekor, Kostüm und Gestik mit den klassischen Mitteln der Darstellung. Aber Katharina Schüttler lässt mit ihrem Versteckspiel einen destruktiven Charakter erkennen, der mit dem 21. Jahrhundert viel mehr zu tun hat als mit Ibsens Bürgertum des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Denn alles scheint beiläufig, leise, untheatralisch, perfide, provozierend harmlos und deshalb gefährlich.
Hedda und ihr trotteliger Jorgen Tesman geistern und lümmeln durch das von Jan Pappelbaum gebaute Fragment einer ehrgeizigen Architektur, so als wären sie nicht die neuen Besitzer sondern nur die Kinder von Leuten, die verreist sind: Eine Erbengeneration, die mit dem schicken Ambiente Probleme hat. Ostermeiers Inszenierung ist so auch eine Bilanz von vier deutschen Neureichenjahrzehnten. Wo der Mann mit Wohlstandsduckmäusertum durchzukommen hofft, zerstört die Frau jeden Rest falscher Konvention, und die Früchte der eigenen feigen Lebenslüge, bis zum abschließenden Selbstmord.
Am Ende von Nora war der Mann tot und Anne Tismer lehnte mit leerem Blick und leerer Seele an der Außenwand ihres Hauses – bereit für eine Zukunft aus "Nichts". Am Ende von Hedda Gabler lehnt die Frau mit durchschossener Schläfe an der Wand ihrer Diele und die anderen basteln weiter an ihren längst entleerten Biografien. Beide Male hat Ostermeier in den Seelen von Männern und Frauen seiner Generation ein großes Stück Ibsen-Land entdeckt.