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Längst überfällig? Islamische Theologie an deutschen Universitäten

Hamburg ist nicht gerade bekannt dafür, eine besonders religiöse Stadt zu sein. Öffentlich über Glaubensfragen zu diskutieren, hat hier keine Tradition. Vor zehn Jahren überlegte die Universität sogar, aus Sparzwang die Fakultät für Evangelische Theologie ganz abzuschaffen. Die Theologie, so lautete damals das Argument, hätte eben nichts mit den exakten Wissenschaften zu tun.

Albrecht Metzger | 28.06.2001
    Hamburg ist nicht gerade bekannt dafür, eine besonders religiöse Stadt zu sein. Öffentlich über Glaubensfragen zu diskutieren, hat hier keine Tradition. Vor zehn Jahren überlegte die Universität sogar, aus Sparzwang die Fakultät für Evangelische Theologie ganz abzuschaffen. Die Theologie, so lautete damals das Argument, hätte eben nichts mit den exakten Wissenschaften zu tun.

    Doch der Wind in einer Hafenstadt dreht sich schnell. Die Theologen haben nicht nur den Angriff der Skeptiker überlebt, seit kurzem gibt es sogar Bestrebungen, an der Hamburger Uni eine Akademie der Weltreligionen einzurichten. Das wäre einmalig in Deutschland - und es könnte den Weg weisen für eine der großen Herausforderungen, der sich Europa in den kommenden Jahrzehnten wird stellen müssen: nämlich der Integration Millionen von Einwanderern, die aus nichtchristlichen Kulturen stammen.

    In Deutschland betrifft das in erster Linie den Islam. Rund drei Millionen Muslime leben in der Bundesrepublik, das entspricht vier Prozent der Bevölkerung. Der Islam ist damit nach der evangelischen und katholischen Kirche die drittgrößte Religionsgemeinschaft im Land. Den Deutschen fällt es aber noch schwer, sich mit diesem Gedanken vertraut zu machen. Die Angst vor Fundamentalismus, Fanatismus und Terror ist groß.

    Wer an Islam denkt, hat Bilder von schwarz verschleierten Frauen aus dem Iran oder bärtigen Gotteskriegern aus Afghanistan vor Augen. Diese Religion, so die Angst vieler Menschen, passe einfach nicht in das heutige Europa, wo der Glaube doch längst zur Privatsache geworden sei.- Aydan Özuguz, die bei der Körber-Stiftung in Hamburg für Deutsch-Türkische Projekte verantwortlich ist, verfolgt seit langem das Verhältnis zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland.

    Und was mir persönlich einfach immer wieder dabei auffällt, ist folgendes, und ich glaube, dass da durchaus das muslimische Leben hier in Deutschland, aber auch die Kommunikation drunter leidet, dass ist die Tatsache, dass wir keine Theologen haben, die wirklich aussagekräftig sind, also die man auch fragen kann. Da ärgern sich Muslime in meinen Augen zurecht über so genannte Experten, die bei uns dann in ARD oder ZDF auftauchen und im großen und ganzen das Bild des Islam nicht verbessern helfen, und schon gar nicht die Kommunikation wirklich fördern, weil sie manchmal anfangen, Schreckensbilder zu zeichnen, die wir in Deutschland doch noch nie erlebt und gesehen haben und in meinen Augen auch so schnell nicht sehen werden.

    Die Entwicklung von Feindbildern ist eines der Spezialthemen von Gernot Rotter, Professor für Islamwissenschaft in Hamburg. Er hat bereits vor zehn Jahren angeregt, einen Lehrstuhl für Islamische Theologie an der hiesigen Uni einzurichten.

    Und das hätte vor allem auch die Chance, dass wir uns damit vertraut machen, dass wir die Muslime in Europa haben, und dass sie eine Chance haben müssen, einen europäischen Islam zu entwickeln. Das heißt, diese Leute, die in der zweiten, dritten Generation sind, sind auch mit den politischen, gesellschaftlichen Spielregeln des Westens vertraut, und vor allem auch mit der Geschichte, der Aufklärung und so weiter, diese ganzen Entwicklungen haben sie praktisch verinnerlicht, wollen aber doch dennoch nicht - viele von ihnen - vom Islam als ihrem kulturellen Background lassen, dann sind sie eben gefordert, vor diesem Hintergrund, diesem westlichen Hintergrund, eine eigene Form des Islams zu entwickeln.

    Das klingt einleuchtend. Aber wer Neuerungen einführen will, braucht günstige Umstände. Ein Lehrstuhl für Islamische Theologie ist nämlich an keiner deutschen Universität vorgesehen, und ohne die Rückendeckung aus Politik, Hochschule und Kirche lässt sich ein solches Projekt nicht durchsetzen. Vor allem aber braucht man einen Partner auf muslimischer Seite, der glaubhaft versichern kann, er spreche für die Mehrheit seiner Glaubensgemeinschaft.

    Eine derartige Konstellation hat es in der Bundesrepublik bisher nicht gegeben. Doch in Hamburg, so hat es nun den Anschein, ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um einen Lehrstuhl für Islamische Theologie an der Universität einzurichten: Dies wiederum könnte der erste Schritt in Richtung einer Akademie der Weltreligionen sein, die auch Buddhismus, Hinduismus und Judentum aufnähme.

    Weshalb ausgerechnet Hamburg eine Vorreiterrolle in dieser Diskussion spielt, hat verschiedene Gründe. Zum einen hat sich das politische Klima in der ganzen Republik verändert. Migranten sind zu einem Wählerpotential geworden und haben deswegen das Interesse der Parteien auf sich gelenkt. Zum anderen herrscht wohl gerade in Hamburg ein liberales Klima, das die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Religionen erleichtert. - Durch das neue Staatsbürgergesetz, das eine schnellere Einbürgerung von Migranten ermöglicht, erscheinen die drei Millionen Muslime plötzlich in einem völlig anderen Licht. Udo Steinbach, der Leiter des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, sieht dies als günstige Ausgangsbasis.

    Das halte ich für sehr wichtig. Weil auf diese Weise aus den muslimischem Mitbürgern hier tatsächlich auch Wähler werden, aus Migranten werden Wähler. Und man geht mit ziemlicher Offenheit jetzt auf die politischen Parteien zu und fragt: Was tut ihr für uns in den Anliegen, die wir haben, vom Religionsunterricht bis zum Moscheebau, erstaunlicherweise werden viele, oder eine zunehmende Zahl von Muslimen Mitglieder in den Parteien...

    Dabei ergeben sich mitunter erstaunliche Konstellationen. In Hamburg sind es etwa die Grünen, die sich bereits seit Jahren für die religiösen Bedürfnisse der Muslime einsetzen. Christa Goetsch, die schulpolitische Sprecherin der Grün Alternativen Liste, sieht darin keinen Widerspruch zu den eher säkularen Ursprüngen ihrer Partei.

    Ich glaube, das hängt damit zusammen, wenn wir uns als Zivilgesellschaft verstehen und über Religionsfreiheit auseinander setzen, dann denke ich ist bei den Grünen nie von Opium für das Volk gesprochen worden, sondern es geht dann um gleichberechtigte Teilhabe.

    Bislang hat bei Wahlen im gesamten Bundesgebiet vor allem die SPD die Stimmen türkischer Migranten eingefahren. Mittlerweile hat aber selbst die CDU erkannt, dass viele Muslime eigentlich zu ihrem natürlichen Wähler-Reservoir gehören könnten.

    Ich sehe das genauso, aber ich gebe ganz offen zu, das gibt noch viele Menschen in der CDU, die das sich noch nicht vorstellen können, weil es lange nicht Thema öffentlicher Diskussion war. Aber gucken sie sich den ganzen Mittelstand an, alle möglichen Restaurantbesitzer und Menschen, die selbständig etwas aus dem Boden stampfen, das sind klassische CDU-Wähler im Grunde. Und viele haben auch ganz konservative Familienwerte, also da sind wir ja schon zum Teil liberal gegen, was einige türkische Familien für eine Sicht dort haben.

    Bettina Machaczek ist Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Interessengemeinschaft und CDU-Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft. Wie die Grüne Christa Goetsch begrüßt sie die Initiative, in Hamburg einen Lehrstuhl für Islamische Theologie einzurichten. Dabei kann sie sich auf den Antrag mit dem Titel: "Zuwanderung steuern, Integration fördern" berufen, den die CDU-Vorsitzende Angela Merkel erst vor kurzem dem Bundesausschuss ihrer Partei vorgestellt hat. Darin heißt es:

    "Auf der Basis des Grundgesetzes soll islamischer Religionsunterricht eingerichtet werden in deutscher Sprache, mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern und unter deutscher Schulaufsicht. Zu prüfen ist die Ausbildung von Lehrern und Geistlichen an eigenen theologischen Fakultäten in Deutschland."

    Doch gerade wenn es um religiöse Fragen geht, kann die Politik allein nicht viel ausrichten. Sie braucht Partner auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Und da hat Hamburg einiges zu bieten.

    Das fängt an der Universität an. Seit Jahren diskutieren in Hamburg Religionspädagogen darüber, wie staatliche Schulen am besten auf die Herausforderungen einer multireligiösen Gesellschaft reagieren können. Ihr Konzept vom - Zitat: - "Religionsunterricht für alle" gilt bundesweit als bahnbrechend. Danach werden Kinder nicht nach Konfessionen und Religionen getrennt unterrichtet - wie es in den anderen Bundesländern üblich ist -, sondern evangelische, katholische und auch muslimische Kinder lernen unter einem Dach.

    Untersuchungen Hamburger Erziehungswissenschaftler zufolge fördert dies die Toleranz und regt Kinder dazu an, stärker über Sinnfragen des Lebens nachzudenken. Der Lehrplan des "Religionsunterrichts für alle" soll am 1. August in Kraft treten. An seiner Ausarbeitung haben Vertreter der verschiedenen Religionen teilgenommen. Allein dass Christen, Muslime, Juden und Buddhisten gemeinsam an einem Tisch sitzen und jetzt bereits über derlei Fragen diskutieren, dürfte einmalig sein in der Bundesrepublik.

    Der Südafrikaner Gordon Mitchell, der seit vier Jahren an der Hamburger Uni Religionspädagogik lehrt, sieht in dieser Konstellation eine große Chance:

    Es gibt eine unglaubliche Bereitschaft, was zusammen zu machen, und das ist eine soziale Kapital, was man in Hamburg hat. Man hat es nicht überall in Europa und in andere Länder auch. Es gibt eine Klima von Zusammenarbeit, und ich glaube, man sollte das schätzen und benutzen.

    Dieses Klima der Zusammenarbeit wird nicht zuletzt von der evanglisch-lutherischen Kirche in Hamburg gefördert. Ihr gehören - zahlenmäßig - die meisten christlichen Gläubigen in der Stadt an. Sie steht aber zugleich in einer liberalen Tradition, die anderen Religionen ihre Freiräume lässt. Um einen fruchtbaren Dialog führen zu können, bedarf es aber eines gleichwertigen Gegenübers. Und daran mangelt es bislang auf muslimischer Seite. Kein Wunder, denn eine in Deutschland staatlich anerkannte Ausbildung für islamische Geistliche gibt es bislang nicht. So werden die Imame an den deutschen Moscheen meistens aus der Türkei oder aus arabischen Ländern importiert, die mit den hiesigen Lebensbedingungen wenig vertraut sind. Grund genug also, um einen Lehrstuhl für Islamische Theologie einzurichten, an dem muslimische Geistliche und Religionslehrer ausgebildet werden.

    Bei aller Bereitschaft, dieses Projekt in die Tat umzusetzen, bleibt jedoch ein fundamentales Problem:

    Wer soll auf muslimischer Seite der Ansprechpartner sein, mit dem Inhalt und Form eines solchen Lehrstuhls abgestimmt werden können? Eine geistliche Hierarchie wie in den christlichen Kirchen gibt es im Islam nicht. Und keiner der islamischen Dachverbände in Deutschland hat es bislang geschafft, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden.

    In Hamburg nun haben sich vor zwei Jahren über 40 Moscheen und islamische Vereinigungen zum sogenannten "Rat der islamischen Gemeinden in Hamburg" vereinigt. Der Rat nennt sich auch kurz "Schura" - das arabische Wort für "Beratung". Das Besondere an dieser Organisation ist ihre nationale und religiöse Vielfalt: Türkische, arabische, iranische, albanische, bosnische und Muslime anderer Herkunft haben sich hier zusammen geschlossen, ebenso wie Sunniten und Schiiten. Nach eigenen Angaben vertritt die Schura damit 85 Prozent der islamischen Gemeinschaften in Hamburg. Aydan Özuguz von der Körber-Stiftung ist selbst Muslimin und begrüßt die Zusammenarbeit der deutschen Seite mit dem Rat.

    Und diese Schura ist eine große Chance für Hamburg. Denn so ein Verbund mit ich glaube 43 Moscheen, alle unter einem Hut, unter einem Dach, das ist doch einzigartig bundesweit, und das muss man nutzen. Dann haben die schon geschafft, so etwas zustande zu bringen und bieten sich an, und wenn man das nicht nutzt, denke ich, hat man dann selber so ein bisschen Pech gehabt, gar nichts daraus gemacht zu haben.

    Die Schura fordert seit ihrem Bestehen die Errichtung eines Lehrstuhls für Islamische Theologie und bietet den deutschen Behörden ihre Zusammenarbeit an.

    Es ist ein Schritt im Hinblick auf die Anerkennung der islamischen Religionsgemeinschaft, als eine ebenbürtige Glaubensgemeinschaft wie die jüdische oder auch die evangelische oder auch katholische Kirche. Insofern wäre die Errichtung eines Lehrstuhls für islamische Theologie ein Schritt, um dem lang ersehnten Status einer Religionsgemeinschaft auch von offizieller Seite zu würdigen.

    Mustafa Yoldasch, in der Türkei geboren und als Kind nach Deutschland gekommen, ist Leitender Vorsitzender der Schura - und im Öffentlichen Leben eine feste Größe. Yoldasch sucht bewußt den Kontakt zu allen gesellschaftlichen Kräften und spricht sich stets ausdrücklich für eine Integration der Muslime in Deutschland aus. Doch es bleibt ein Haken: Yoldasch ist nicht nur Mitglied bei der Schura, sondern auch bei Milli Görüsch. Und bei diesem Namen stehen vielen Türken buchstäblich die Haare zu Berge. Milli Görüsch ist nämlich der deutsche Ableger der Refah-Partei von Necmettin Erbakan, die aus der Türkei einen islamischen Staat machen wollte. Deshalb haben die türkischen Behörden die Refah-Partei längst verboten.

    Der deutsche Verfassungsschutz observiert Milli Görüsch seit Jahren - weil sie einen "islamischen Weltstaat" auf der Basis des Korans anstrebe, und weil ihre Zeitschriften in der Vergangenheit antisemitische Hetze betrieben haben.

    Mustafa Yoldasch gibt zu, dass bei Milli Görüsch Fehler gemacht worden sind. Er sieht sich dagegen als Vertreter der neuen Generation. Seinen türkischen Kritikern in Deutschland spricht er hingegen einfach die Kompetenz ab, für den Islam zu sprechen.

    Diese Menschen, die mit der Religion nichts am Hut haben, die nicht fasten, die nicht beten, deren Frauen keine Kopftücher tragen und somit in Anführungsstrichen gar nicht auffallen als Muslime, sie wollen verhindern, dass wir uns als Muslime auf behördlicher Ebene, auf staatlicher Ebene Anerkennung verschaffen und als Vertreter des Islam aktiv sind.

    Doch auch deutsche Kenner der islamischen Szene bezweifeln, ob die Schura für sich in Anspruch nehmen kann, generell Muslime in Deutschland zu vertreten.

    Wir haben immer noch mehrheitlich in Deutschland türkische Gläubige, die sich durch solche Gemeinschaften nicht vertreten fühlen, wir haben unter den Muslimen in Deutschland 74 Prozent Türken, und diese 74 Prozent von Türken bekennen sich mehrheitlich zu dem in der Türkei praktizierten Islam, ich würde diese bezeichnen als schweigende, konservative, gläubige Mehrheit, die wir in Deutschland, die wir überall in der Welt kennen: unspektakulär, nicht radikal, nicht fanatisch - Gläubige, die an ihrer Religion hängen und sich aber auch zu dem bekennen, was nun Islam in der Türkei genannt wird, und die Schura geht ja so weit zu sagen, das sei nicht mehr als Islam zu bezeichnen, dadurch wird die große Mehrheit ausgeschlossen von dem Anspruch, sich als Muslim zu bekennen.

    Petra Kappert ist Professorin für Turkologie. Sie ist eine der wenigen in Hamburg, die die Einrichtung eines Lehrstuhls für Islamische Theologie für überstürzt halten. Sie fürchtet, dass die Schura letztlich versuchen wird, Einfluss auf die Entscheidungsprozesse zu nehmen. Anfang April wurde sie in ihren Zweifeln bestärkt. Auf einer öffentlichen Podiumsdiskussion verlangte Mustafa Yoldasch quasi ein Mitspracherecht für die Schura bei der Besetzung des Lehrstuhls - andernfalls würden sich die Muslime weigern, ihre Kinder dorthin zu schicken. Das hat selbst Christa Goetsch von den Grünen verwundert, die Yoldasch seit langem kennt.

    Also diese Aussage von Herrn Yoldasch hatte doch Züge von ich sage mal fast expresserischen Stichworten, also ich muss sagen ich war sehr irritiert, ich verfolge die Schura seit ihrer Gründung und wir haben auch einen sehr guten Kontakt, aber ich fand es ehrlich gesagt unnötig, mit solchen Drohgebärden bei einer solchen hochkarätigen Veranstaltung aufzutreten.

    Letztlich geht es bei dem Disput um zwei verschiedene Integrationsmodelle. Die einen setzen auf langfristige historische Prozesse. Sie erhoffen sich, dass der Islam durch die Auseinandersetzung mit den westlichen Wissenschaften seine Dogmen zu hinterfragen beginnt. Ein Blick auf die europäischen Erfahrungen, so der Hamburger Islamwissenschaftler Gernot Rotter, könne da lehrreich sein.

    Ich meine, das war ja bei uns auch ein langer Prozess, der erst im 19. Jahrhundert begonnen hat. Erst in der protestantischen Theologie, und die Katholiken haben sich auch noch lange dagegen gesträubt. Und das solche Fehler, die in meiner Ansicht wirkliche Fehler sind und der islamischen Welt nur schaden - wie die Exilierung von Abu Zaid oder solchen Leuten, die sich ja ganz eindeutig als Muslime bezeichnen, als gläubige Muslime, aber denen nicht erlaubt wird, sich rein sprachwissenschaftlich mal mit dem Koran auseinanderzusetzen - das wird sich nach meiner Ansicht ohnehin ändern. Und das kann sich gerade durch den Kontakt islamischer Theologen mit den westlichen Theologen, auch mit den christlichen Theologen, kann sich das sehr fruchtbar entwickeln.

    Die Kritiker des Lehrstuhls für Islamische Theologie hingegen wollen vorerst an der gängigen Praxis festhalten. Da die meisten Muslime in Deutschland türkischstämmig seien, sollte auch die Türkei der erste Ansprechpartner in religiösen Dingen bleiben. Dann sei wenigstens gewährleistet, dass kein fundamentalistisches Gedankengut in Deutschland verbreitet werde. Denn die Türkei praktiziere bereits eine Art aufgeklärten Islam - auch wenn Religion im öffentlichen Leben heute wieder eine größere Rolle spielt als früher, wie auch Petra Kappert einräumt.

    Dennoch ist das eine Form des Islams, die sich mit der modernen Welt irgendwo arrangiert hat, auch mit einem modernen Staat, auch mit einem säkularen Staat, und das sind Bedingungen, die in Deutschland auch bestehen und die ich für sehr wichtig halte - das Arrangement von Religion mit Modernität in einem Land, in dem jeder nach seiner Fasson selig werden kann und wo eine Vielfalt gewährleistet sein muss.

    Doch über kurz oder lang wird man in Deutschland wohl nicht umhin kommen, islamische Theologen und Religionslehrer im eigenen Land auszubilden. Kürzlich hat Bayern als erstes Bundesland beschlossen, ab dem kommenden Schuljahr in den Grundschulen islamischen Religionsunterricht auf deutsch anzubieten. Mit Lehrern aus der Türkei, die den Islam nur in ihrer Muttersprache lehren können, ist dann nicht mehr gedient.