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Lärm als Umweltproblem

Der entscheidende Punkt, auf den die Verbände hinaus wollen, ist ein echter Rechtsanspruch auf Schutz vor gesundheitsgefährdendem Lärm. Den nämlich gibt es zwar zum Beispiel für den Schutz vor Luftverschmutzung oder vor Krankheiten durch kontaminiertes Wasser. Beim Lärmschutz fehlt eine solche grundsätzliche Verordnung. Die Verbände sprechen deshalb von einer historischen Chance, die sich dieses Jahr bietet, durch die beiden anstehendenden Gesetzes-Reformen. Zunächst aber haben die Verbände die Aufmerksamkeit genutzt, um einmal klar zu machen, in welchem Maße unser Leben vom Lärm beeinträchtigt wird. Seit der Industrialisierung sind nämlich lärmfreie Räume immer seltener geworden, der Lärmpegel hat sich vervielfacht, wie Wilfried Kühling, ein Experte des Bundes für Umwelt und Naturschutz, erläutert.

Andreas Baum |
    Wenn man sich das mal vor Augen führt, dann war es so, dass zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine Sirene der Feuerwehr ausreichte, um die Menschen zu warnen, diese Feuerwehrlärmsirenen sind heute 40 Dezibel lauter geworden, um sich in immer lauteren Umgebung durchsetzen zu können, das heißt, dass eine 10.000fach größere Schallenergie heute aufgewendet wird, um diese Sirenen durchdringen zu lassen, was das Gehör als 16 mal lauter empfindet.

    Bei einem solch rasanten Anwachsen des Umgebungslärms mit all seinen Auswirkungen ist es leicht, sich zu verdeutlichen, dass sich der menschliche Organismus nicht ohne Weiteres auf diese neuen Umweltbedingungen einstellen kann. Deshalb leiden Menschen, die Lärm ausgesetzt sind, und die gesundheitlichen Folgen sind teilweise dramatisch.

    Es gibt ein sehr hohes Todesfallrisiko durch Herzinfarkt, hervorgerufen durch lärmbedingten Bluthochdruck. Das macht einige Tausend Tote pro Jahr in Deutschland aus. Der Körper reagiert auf Schlaf- und Kommunikationsstörungen durch Lärm mit Stress, weil das Fatale am Lärm ist, dass das Ohr nicht abschalten kann und stetig die Signale von außen empfängt, vor allem auch Nachts, während des Schlafs.

    Die Lärmverwaltung dagegen, also die Reaktion der zuständigen Behörden, auf die Tatsache, dass immer mehr Menschen am Lärm erkranken, gar sterben, wird als unzureichend bezeichnet, insbesondere werde an der falschen Stelle angepackt: Es wird immer an den Symptomen gewerkelt, sagen die Verbände, statt die Ursachen zu bekämpfen. Das heißt im Klartext: Schallschutzdämme an großen Straßen werden gebaut oder Anwohner von Flughäfen werden mit Schallschutzfenstern ausgestattet. Die Lärmquellen dagegen werden kaum eingeschränkt. Es werde nicht die Ruhe geschützt, sondern der Lärm, so klingt das zugespitzt. Und dagegen hilft nur ein Rundumschlag, eine Gesetzesinitiative, die, so Wilfried Kühling vom BUND, an die Wurzel des Übels gehen müsse.

    Unsere Forderung lautet daher zunächst sehr grundsätzlich: Zusammenführen des Lärmschutzes in ein Gesetzbuch zur Lärmvermeidung und zum Ruheschutz, wobei die Definition rechtliche Verankerung des Ruheschutzes erstmals bewerkstelligt werden muss. Eine rechtliche Verankerung des Vermeidungs- und Vorsorgeprinzips, ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Lärmsanierung ab einem Wert von 55 Dezibel des Tags und 45 Dezibel des Nachts.

    55 Dezibel, der genannte Wert, der am Tag noch als erträglich erachtet wird, entspricht etwa dem Geräuschpegel eines Gespräches in einem Raum. Das klingt erst mal nicht so dramatisch, man muss sich allerdings klarmachen, dass hier von dauerhaften Hintergrundgeräuschen gesprochen wird, und da kann ein solcher Pegel, wenn er ständig herrscht, einigen Schaden anrichten. Das Gesetzbuch zur Lärmverminderung, das hier vorgeschlagen wird, soll dazu führen, dass sich Lärm-Opfer endlich wehren können, was, derzeit noch nicht der Fall ist, wie Dieter Krane vom Deutschen Arbeitsring für Lärmbekämpfung erläutert.

    Da sind die Menschen, die in der Nähe von stark befahrenen Straßen und Schienenwegen wohnen ohne rechtlichen Schutz dem Lärm ausgesetzt, ob er gesundheitsschädlich ist, oder nicht.

    Konkrete Maßnahmen gegen Lärm gibt es viele, man will endlich Standards schaffen, die bestimmen, wann Gebiete als lärmbelastet gelten. Auch soll nicht mehr in unterschiedliche Lärmquellen unterschieden werden. Nach geltendem Recht ist es zum Beispiel so, dass man sich gegen Autolärm wehren kann, nicht aber gegen den gleichen Lärmpegel, wenn er vom Schienenverkehr stammt.