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Lärm gegen Lärm

Technologie.- Lärm nervt und kann sogar krank machen. Deshalb arbeiten Forscher an verschiedensten Methoden, mit denen man sich vor dem lästigen Schall schützen kann. Auf der "Euronoise" in Edinburgh werden neue Lösungen im Kampf gegen den Krach vorgestellt.

Von Frank Grotelüschen |
    Lärmschutzwände schirmen Wohngebiete gegen Verkehrsgeräusche ab. Da sie den Schall ganz einfach schlucken, zählen sie zu den passiven Lärmschutz-Maßnahmen. Doch Experten wie Colin Hansen von der University of Adelaide in Australien setzten verstärkt auf eine andere Strategie – die aktive Lärmkompensation.

    "Bei der aktiven Lärmkompensation versucht man, störenden Schall mithilfe von Lautsprechern und Mikrophonen gezielt auszulöschen. Das Mikrophon misst den Lärm und steuert damit über einen Computer einen Lautsprecher. Dieser Lautsprecher erzeugt dann einen Antischall, der den störenden Schall regelrecht auslöscht."

    Zum Einsatz kommt der Antischall bereits bei Propellerflugzeugen. Dort bekämpft er das Dröhnen der Propeller, dem die Passagiere im Innenraum normalerweise ausgesetzt sind. Zu kaufen gibt es auch schon Antischall-Kopfhörer. Sie dämpfen die Geräuschkulisse in Passagierjets, sodass man sich die Filme des Bordprogramms ungestört anschauen kann. Colin Hansen aber will den Antischall nun auch in Umgebungen einsetzen, die viel lauter sind als eine Flugzeugkabine – zum Beispiel in Fabrikhallen. Dort muss der Arbeiter an einem Steuerstand bislang einen klobigen Schallschutz über seine Ohren stülpen. Der ist unbequem und behindert die Kommunikation mit der Außenwelt. Ein Antischall-Kopfhörer wie im Flugzeug kommt dabei nicht in Frage. Er kommt gegen den Fabriklärm schlicht nicht an. Deswegen will Hansen mit Lautsprechern arbeiten – aber das wirft ein Problem auf. Denn Schall und Antischall löschen sich nur an bestimmten Punkten im Raum aus, an anderen Punkten wird der Lärm sogar noch verstärkt. Nun bleibt der Arbeiter aber nicht wie festgenagelt an seinem Steuerpult stehen. Also wäre es wünschenswert, dass der Antischall dem Arbeiter folgt – so wie der Lichtspot dem Schlagersänger auf der Bühne. Und das will Hansen wie folgt schaffen:

    "Wir bringen mehrere Mikrofone an, und zwar über den Raum verteilt. Sie messen das Schallfeld im Raum. Gleichzeitig erfasst ein Ultraschall-Sensor, wo sich der Kopf des Arbeiters gerade befindet. Mit Hilfe all dieser Signale und einer ausgefeilten Software, können wir simulieren, wie das Schallfeld am Ohr aussieht. Und damit können wir den Antischall dann so bündeln, dass er seine maximale Wirkung immer dort entfaltet, wo der Arbeiter gerade ist."

    Virtual Sensing – virtuelles Abtasten – so heißt die Methode. Im Labor von Colin Hansen funktioniert sie schon ganz gut. Das zeigt ein Experiment mit einem Kunstkopf-Dummy, der einem unangenehmen Pfeifton ausgesetzt ist. Jetzt wird Antischall dazu geschaltet, und das Pfeifen verschwindet fast völlig. Dann aber fängt der Kunstkopf an, sich langsam hin- und herzudrehen. In einigen Positionen gerät er dabei soweit aus der Einflusssphäre des Antischalls, dass der Lärm fast wieder genauso laut ist wie vorher. Doch dann aktiviert Colin Hansen die neue Methode, das Virtual Sensing.

    Jetzt folgt der Computer dem Ohr des sich drehenden Kunstkopfes – und kann den Antischall dabei so bündeln, dass er für jede Position seine optimale Wirkung entfaltet. Bis die Methode praxistauglich ist, wird es aber noch Jahre dauern. Bislang sind die Systeme schlicht zu teuer und nicht immer für die raue Welt der Werkhallen geeignet. Das gibt auch Lärmforscher Hansen zu.

    "Die Antischall-Systeme haben Probleme mit der schmutzigen Umgebung, die oft in Industrieanlagen herrscht. Ein Beispiel: Wenn die Spezialelektronik, die Mikrofone und Lautsprecher, die man für unsere Technologie braucht, zu stark verschmutzt werden, funktionieren sie nicht mehr. Aber ich bin optimistisch, dass wir die Systeme bald robuster bauen können. Wir arbeiten jedenfalls daran."