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Lärmschutz bei der Bahn
"Lauter als ein Kampfjet"

Mehrmals pro Nacht aufwachen, weil ein Güterzug mit 110 Dezibel vorbeibrettert - damit soll jetzt Schluss sein. Die Bahn und Bundesregierung haben Pläne für einen leiseren Schienenverkehr vorgestellt. Dass es aber bis 2020 auf deutschen Schienen endgültig leise wird, ist unwahrscheinlich.

Von Anja Nehls | 03.03.2015
    Ein Güterzug fährt durch den Ort Rees (NRW)
    Ein Güterzug fährt durch den Ort Rees (NRW) (picture alliance / dpa / Oliver Berg )
    Die Flüsterbremse soll kommen, möglichst bald. Denn es ist einiges technisch heutzutage schon möglich, das wurde heute eindrucksvoll präsentiert: In Zusammenarbeit mit der Berliner TU vor einer rieseigen halbrunden Leinwand, bei der man das Gefühl hatte, direkt neben einem vorbeifahrenden Güterzug zu stehen - in 25m Abstand zu den Gleisen.
    Wenn ein Güterzug ohne Flüsterbremsen, also mit herkömmlichen Graugussbremssohlen vorbeifährt, sind das im Mittel ungefähr 88 Dezibel - ein Güterzug mit modernen Verbundstoffsohlen ist da schon wesentlich leiser:
    Das sind dann nur noch ungefähr 77 Dezibel. Von solchen Werten ist man allerdings an vielen Bahnstrecken in Deutschland noch weit entfernt. Willi Pusch wohnt im Niederrheintal, an der höchstbelasteten Strecke überhaupt in Deutschland. 550 Züge in 24 Stunden, Tendenz steigend:
    "In der Nacht haben wir zwischen sieben und acht Aufweckreaktionen, das heißt, das sind Spitzenwerte über 110 Db, das ist lauter als ein Kampfjet der Bundeswehr. Und wenn Sie da wieder in Ruhe kommen wollen, da sind Sie gerade eingeschlafen, da kommt schon der nächste Zug und das führt so zu einer Dauerbelastung und Sie werden richtig krank davon."
    Mehrkosten von ca. 700 Millionen Euro
    60.000 Güterwagen hat die Bahn bzw. ihr Tochterunternehmen DB Schenker Rail und die sollen nun alle auf die sogenannten Flüsterbremsen umgerüstet werden. Bis Ende des Jahres sollen es bereits 20.000 Wagen sein und bis 2020 dann alle. Bahnchef Rüdiger Grube ist zwar optimistisch, dass das klappt, weist aber darauf hin, dass allein die Umrüstungskosten von 230 Millionen Euro nicht ausreichen:
    "Stichwort: häufigere Inspektion oder schnellere Radsatzverbräusche. Insgesamt, so schätzt die Bahnbranche, belaufen sich die Mehrkosten auf rund 700 Millionen Euro. Ich kann vor diesem Hintergrund nicht verhehlen, dass wir eine Förderung der Betriebsmehrkosten sehr begrüßen würden."
    Das richtet sich an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Der will die Umrüstung mit 152 Millionen Euro fördern und mindestens 130 Millionen Euro für Lärmschutzmaßnahmen, wie Schallschutzwände oder Schallschutzfenster bei betroffenen Anwohnern zur Verfügung stellen. Und er will bis 2020 den Schienenverkehrslärm halbieren - und das auch gesetzlich verankern:
    "Das heißt, wir werden das Gesetz, das die Fahrt von lauten Wagen auf unseren Schienen ab 2020 untersagt, in den nächsten Monaten umsetzen. Ab 2020 haben laute Güterwägen auf deutschen Schienen nichts mehr verloren."
    Thema muss europaweit angegangen werden
    Nun fahren aber in Deutschland nicht nur Züge der Deutschen Bahn, sondern es gibt allein bei uns 200 Eisenbahnverkehrsunternehmen mit ganz unterschiedlich vielen Waggons und Zügen. Dass die alle bis 2020 leise sind, bezweifelt Michael Hasse vom Deutschen Bahnkundenverband, denn das Problem beträfe ja nicht nur Deutschland:
    "Dann muss man ja auch die vielen Ausländer, die bei uns fahren, sehen. Und da stellen viele Firmen, z. B. bei der slowakischen Staatsbahn, ihre Wagen ein und da habe ich, da ich selber die Slowakei bereist habe im letzten Urlaub, eigentlich keinen leisen Wagen gesehen oder gehört."
    Insgesamt 400.000 Schienengüterwaggons sind in Europa unterwegs. Deshalb müsste das Thema eigentlich auch europaweit angegangen werden, meint auch Bahnchef Rüdiger Grube. Mit einem Info-Mobil zum Thema Lärmschutz soll jetzt jedenfalls weiterhin bei allen Entscheidern, Politikern und Betroffenen für das Thema sensibilisiert werden.