Archiv


Lärmschutz für Orchestermusiker

Physik. - Im Schatten der großen Trommel oder bei den Blechbläsern ist es im Orchester besonders laut. Lauter als es das Ohr verträgt. Deshalb leiden ältere Musiker oft an Schwerhörigkeit. Bis vor wenigen Jahren nahm man das mehr oder minder als Schicksal hin. Ohrstöpsel können die Musiker schlecht benutzen, sie müssen ja hören, was gespielt wird. Besonders schlimm sind enge Orchestergräben. Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart hat das Problem gelöst.

    Orchestermusik ist nicht nur schön, sie ist auch laut. Sehr laut sogar: Pauken und Blechbläsern erreichen durchaus 115 Dezibel. Zum Vergleich: Am Arbeitsplatz ist ab 90 Dezibel ein Gehörschutz vorgeschrieben. Im Probensaal des Stuttgarter Staatstheaters ist die Musik seit Neuem nicht mehr unerträglich laut. Grund sind Schallschutzmaßnahmen, die das Fraunhofer Institut für Bauphysik ausgetüftelt hat. "Das ist für uns deutlich spürbar", sagt Orchestervorstand Hans Christoph Bernhard. Man könne jetzt wesentlich besser spielen und proben. Das Stuttgarter Staatstheater hat sowohl im Orchestergraben als auch im Probensaal den Schutz der Musiker verbessert. Die Änderungen im Orchestergraben sind im Orchester durchaus umstritten, während der neu gestaltete Probensaal auf allgemeine Zustimmung stößt, so Hans Christoph Bernhard: "Zum Orchestergraben gibt es Stimmen, die sagen, es sei zu matt geworden." Das könne aber auch an der Position der einzelnen Musiker liegen. Bernhard selbst kann eine Verbesserung feststellen, auch ein vor lautstarken Kollegen sitzender Klarinettist begrüßt die Maßnahme: "Also ich empfinde es als angenehmer. Es ist wesentlich besser geworden!"

    Zuständig für die bessere Raumakustik ist Professor Helmut Fuchs vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart. Vor allem die Reflektionen des Schalls im Raum wurden gedämpft. Weil die Instrumente den Raum bei Frequenzen, die mit ihren ursprünglichen Tönen direkt nichts zu tun haben, zusätzlich anregen, wird nutzlose Schallenergie erzeugt, die eine ausgefeilte Akustik schlucken muss, erklärt Fuchs: "Dann kommen auch die Bässe mit ihren Tönen und Obertönen klar durch, und man kann ein leises Pizzicato an jeder Stelle im Orchestergraben wahrnehmen."

    Die Forscher hatten außer mit dem akustischen Problem auch mit Platzmangel im engen Orchestergraben zu kämpfen. Man konnte nur sehr flache Schalldämpfer einsetzen, die vor allem tiefe Tonlagen absorbieren. Die flachen Schallschlucker sind dafür umso schwerer. Sie bestehen aus Metallplatten, die frei schwingend aufgehängt sind, mit einer Dämmschicht dahinter. Dadurch verhindert man, dass der Raum mitschwingt und den dröhnenden Klangbrei erzeugt. Eine Besonderheit dieser Schallschlucker ist ihre Wirkung auf ein breites Frequenzband, so Professor Fuchs: "Auf einem Quadratmeter absorbieren wir alle hier wichtigen Frequenzen von 50 bis 500 Hertz." Das Ergebnis ist ein Raum, der klanglich einerseits noch dem Orchestergraben ähnelt, andererseits einem Tonstudio. Für die Musiker bedeutet das weniger Hörschäden, weniger Stress und für das Publikum schließlich einen klareren Klang.

    [Quelle: Cajo Kutzbach]