Neugierige Stimmung im Kursraum 4 des Goethe-Institutes von Schwäbisch Hall. 17 Männer und Frauen suchen sich einen Sitzplatz, es erinnert irgendwie an einen ersten Schultag, nur dass die Schüler fast alle jenseits der 40 oder 50 Jahre sind:
"Ich darf Sie jetzt ganz offiziell herzlich willkommen heißen."
Regine Baumann, pädagogische Leiterin des Instituts, begrüßt die Ehrenamtlichen. Ab sofort werden die fünf Männer und 12 Frauen einmal pro Woche zwei Stunden abends die Schulbank drücken. Sie wollen Flüchtlingen während ihres Ehrenamtes Deutsch beibringen und damit deren Sprachfähigkeit fördern. Die Nachfrage nach den Kursplätzen war groß, sagt Regine Baumann:
"Das ist jetzt erst relativ kurzfristig angedacht worden und es waren sehr viele, die sich dafür gemeldet haben, 17 Teilnehmer wurden ausgewählt und die kommen heute das erste Mal."
Einige kümmern sich seit Monaten um ein gutes Ankommen der Asylsuchenden. Da wäre zum einen die Engagierte:
"Also ich gebe schon Deutsch für Ausländer, für Asylbewerber, und mich interessiert einfach, was man noch so tun kann, dass man die Verschiedenheit der Sprachen noch besser vermitteln kann."
Mit dabei ist auch eine junge Englisch-Studentin:
"Ich habe noch nie Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Ich erwarte und wünsche mir ein paar Inspirationen, ich möchte mich gern austauschen, ja ich bin sehr gespannt."
Und da wäre noch eine der rüstigen, tatkräftigen Rentnerinnen:
"Ich muss ehrlich sagen, ich bin totaler Neueinsteiger in der Flüchtlingshilfe, habe in der Vergangenheit viel ehrenamtlich gemacht und hab mich da jetzt ein bissl freigeschaufelt, weil mich das erstens interessiert, zweitens will ich das einfach, ich hab früher mal Lehramt studiert und von daher denke ich, dass ich da doch vielleicht geeignet wäre."
Gleich zu Beginn startet der Kurs mit einer Überraschung. Wie Deutsch klingt das ganz und gar nicht.
In die Schüler hineinfühlen
Wie fühlt sich das an, wenn man 20 Minuten lang überhaupt nichts versteht? Von einem Lehrer ständig aufgefordert wird zu antworten und man nicht die geringste Ahnung hat, worum es geht, in diesem Fall um die Sprache Yoruba aus Nigeria. Genau so fühlen sich die Flüchtlinge in den ersten Deutschstunden, erklärt Kursleiterin Karin Gardini Scheibler den Sinn der Übung:
"Zuerst einmal eine Selbstreflexion, eine Bewusstmachung, wie geht man um, wenn man den Erstkontakt in einer Fremdsprache hat, welche Gefühle, welche Bilder kommen, welche Gedanken kommen, um das mal zu sammeln und dann geht es weiter. Was kann ich davon übernehmen, wenn ich jetzt – also der Perspektivwechsel, dieses Interkulturelle, das ist das Spannende. Also was kann ich davon übernehmen, um dann in Kontakt mit Flüchtlingen, denen ich Deutsch beibringen will, keine Fehler zu machen. "
Die eigene Sprache infrage stellen
Die eigene Sprache infrage stellen, normale Redewendungen einfach mal hinterfragen – der Deutschkurs für Ehrenamtliche ist mehr als nur ein Sprachkurs für Laienlehrer. Sie sollen auch ein Gefühl für die Situation der Flüchtlinge bekommen, im Alltag eine ganz neue Sprache benutzen zu müssen, meint Kursleiterin Scheibler. Wenn Deutsche meinen, nur aufgrund ihrer Herkunft die deutsche Sprache vermitteln zu können, dann sei das falsch. Denn Deutsch sei sehr komplex.
"Die deutschen Strukturen zu vermitteln ist nicht einfach. Das kleinschrittig möglichst rüberzubringen, dass da auch ein Erfolgserlebnis kommen kann und jeden Tag ein Zuwachs ist, das bedarf schon einer gewissen Methode. "
Vor etlichen Jahren bot das Goethe-Institut noch Integrationskurse für die Flüchtlinge in Schwäbisch-Hall an, bis das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Finanzierung strich. Die jetzt begonnenen Deutschkurse für Ehrenamtliche sind der erste Schritt, sich in der derzeitigen Flüchtlingssituation wieder zu engagieren. Ermöglicht wurde das durch eine umfangreiche Spende aus Japan. Dafür entwickelte Regine Baumann extra einen eigenen Stundenplan.
"Wir haben ein Curriculum erarbeitet, dass natürlich auch mit interkultureller Kompetenz zu tun hat, mit der Themenauswahl, welche Schwerpunkte sollten gesetzt werden, hat es einen Sinn, die Dudengrammatik zu vermitteln oder braucht es eher eine Lernergrammatik, sinnvoll ist es Rollenspiele zu spielen und nicht irgendwelche Texte zu lesen, die keine Relevanz für die Leute haben."
Ungewisse Zukunft
Vier Termine sind erstmal für die hoch motivierten ehrenamtlichen Deutschlehrer angesetzt. Wie es danach weitergeht, weiß das Institut noch nicht. Vielleicht beschränkt sich die Weiterbildung auf die sogenannten Webinare im Internet, die Ende Oktober beginnen. Online können sich ab dem 20. Oktober nicht nur die Kursteilnehmer aus Schwäbisch Hall, sondern alle Interessierten die Grundlagen des Deutschlehrens aneignen. Die Teilnahme ist kostenlos.