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Land der Dichter, Denker und eisernen Sparer

Seit 1991 wurden sieben Thüringer Orchester aufgelöst oder fusioniert, genauso mehrere Schauspiel- und Musiktheaterensembles. Doch die Streichorgie geht weiter. Entsteht eine Kulturwüste?

Von Antje Hoffmann |
    Proben zur Komischen Oper "Il burbero di buon cuore". Das fast vergessene Werk von Vincente Martin y Soler, ein Zeitgenosse Mozarts, erlebte seine deutsche Erstaufführung Anfang dieses Jahres am Landestheater in Rudolstadt. Die kleine Bühne, 40 Kilometer von Jena und Erfurt entfernt, stemmt ohne eigene Sänger oder Musiktheaterregisseure ein Dreispartenangebot - und das sehr erfolgreich. Trotzdem ist das Rudolstädter Konzept ein Auslaufmodell, geht es nach dem Willen der Thüringer Landesregierung. Die will ihre Zuwendungen an das Haus um mehr als die Hälfte kürzen. Außerhalb des Theaters gibt es in der 25.000-Seelen-Gemeinde Rudolstadt kaum kulturelle Angebote. Deshalb ist die ganze Stadt wegen der Sparmaßnahmen in Aufruhr. Verantwortlich für das neue Finanzkonzept der Thüringer Bühnen ist der Landes-Kultusminister Jens Goebel. Er reagiert auf die Sorgen der Rudolstädter äußerst lapidar:

    "Also ich glaube, dass der finanzielle Rahmen, in dem wir uns bewegen, es durchaus zulässt, das Schauspielangebot in Rudolstadt auch in der jetzt gebotenen Form weiter vorzuhalten."

    "Sie sprechen von Schauspiel, Sie erwähnen das Orchester gar nicht mehr."
    "Ich spreche von Schauspiel."

    Anlass der Streichpläne ist die Schuldenlast des Freistaates. Konsolidierung steht auf dem Programm. Dabei macht der Kulturetat ganze 1,3 Prozent des Thüringer Landeshaushalts aus. Und bei der Streichorgie der Theatersubventionen geht es im Ganzen gerade einmal um ein Tausendstel dieses Etats. Alles in allem tragen die Bühnenkürzungen also nicht wirklich zur Hauhaltssanierung bei, gibt Minister Goebel zu, aber

    "man muss natürlich, wenn der Haushalt in seinem Gesamtausgabevolumen zurückgeht, funktioniert dies nur, wenn in allen Bereichen Potenziale zu Minderausgaben auch genutzt werden."

    Diese Potenziale sieht Goebel in der Thüringer Theaterlandschaft gegeben - und das, obwohl bei den Bühnen bereits seit Jahren massiv gespart wird. Seit 1991 wurden sieben Thüringer Orchester aufgelöst oder fusioniert, genauso mehrere Schauspiel- und Musiktheaterensembles. Doch so geballt wie jetzt kam es noch nie: Der Philharmonie Gotha/Suhl sollen die Landesmittel komplett gestrichen werden. Das Aus für gut 80 Orchesterleute. Die Bühnen in Eisenach und Nordhausen sollen nur noch 30 Prozent der bisherigen Zuschüsse erhalten. Das lässt Eigenproduktionen nicht mehr zu. Und das Nationaltheater Weimar darf sich künftig mit der Erfurter Oper um einen gemeinsamen Topf streiten. Langfristig wird es in Thüringen nur noch zwei bis drei Ensemble-Theater geben, erklärt der Kultusminister offenherzig. Der Rudolstädter Intendant Axel Vornam nennt das verantwortungslos:

    "Klar geht das auch. In Amerika zwischen der Ost- und Westküste sind 6000 Kilometer, da ist kulturell Wüste. Wenn man dann diese Geisteskultur haben will, dann kann man die natürlich haben. Dann machen wir hier auch Kulturwüste. Nun wuchern wir aber immer damit, dass Deutschland ein Land der Kultur ist, ein Land der Dichter und Denker und so weiter. Und wenn ich eine so reiche Kulturlandschaft ererbt habe, dann muss ich sie auch pflegen, dann muss ich mich auch darum kümmern. Mann muss sich einfach dafür entscheiden, ob man die Theater und Orchester weiter behalten will oder nicht."

    Diese Entscheidung scheint die thüringische Landesregierung längst getroffen zu haben. Der Theater-Finanzplan ab 2009 steht, und eine weitere Sparrunde ist bereits angekündigt. Kurze Hoffnung flammte auf, als Ministerpräsident Dieter Althaus Ende Oktober in einem Interview erklärte, die Kürzungspläne seien bloß Vorschläge, jetzt sei Zeit zu Diskussionen und man wolle nichts ohne die Akteure entscheiden. Doch das ist mittlerweile vier Wochen her und Claus Strulick, stellvertretender Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung stellt fest, dass seitdem nichts passiert ist:

    "Ich hatte gehofft, dass jetzt mit diesem Interview ein Stilwechsel stattfindet, dass man miteinander reden kann, dass man überlegen kann, was denn wirklich möglich ist. Die 'Thüringer Allgemeine' hat ja sofort in der Staatskanzlei nachgefragt, ob das denn bedeutet, dass auch diese Zahlen zurückgenommen worden sind. Darauf hat man sofort gesagt, die Zahlen bleiben, wie sie sind, auch die Einsparungen bleiben, wie sie sind. Und damit ist im Grunde überhaupt nichts gewonnen, denn ich weiß nicht, wie der Ministerpräsident sich das vorstellt: Gespräche gibt es nicht, Erklärungen gibt es nicht weitere, also bleibt alles genauso wie vorher."