Archiv


"Land der Seele"

Die Region spielte im Fünf-Tage-Krieg zwischen Georgien und Russland eine eher beiläufige Rolle. Dabei ist auch Abchasien, im Nordwesten Georgiens an der russischen Grenze gelegen, seit Jahrzehnten abtrünnig und kämpft um seine Unabhängigkeit. UN-Friedensbeobachter der Mission UNOMIG überwachen einen nach wie vor brüchigen, seit 1994 geltenden Waffenstillstand zwischen den Parteien.

Von Gunnar Köhne |
    Der Krieg im Kaukasus ist vorbei. Fünf Tage lang kämpften georgische und russische Truppen um die abtrünnige Republik Südossetien - ein rund 4.000 Quadratkilometer großes Tal am Rande der südkaukasischen Gebirgskette. Ein von niemandem anerkanntes Schmugglerparadies, um das sich normalerweise kein Krieg lohnen würde. Und doch schlug Russland mit der ganzen Härte seiner Militärmaschinerie zurück, nachdem die Regierung in Tiflis Truppen in Marsch gesetzt hatte, um die Hauptstadt Tschinwali zu erobern und damit Georgiens Souveränität über Südossetien zu untermauern.

    "Friedensmission" zum Schutz der Osseten nannte Moskau den Einsatz von 6.000 Mann, 300 Panzern und zahlreichen Kampfflugzeugen gegen die hoffnungslos unterlegenen Georgier. Die Aggressoren seien bestraft worden und hätten schwere Verluste erlitten, so Präsident Dmitri Medwedew. Tatsächlich wollte das russische Führungsduo Medwedew/Putin mit Bombardements bis weit ins georgische Kernland wohl klar machen: Diese Region ist und bleibt russisches Einflussgebiet.

    Der Westkurs des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, der schon von einer NATO-Mitgliedschaft seines Landes träumte, hat damit einen deutlichen Dämpfer erhalten. Zur Enttäuschung der Georgier wollte niemand im Westen dem kleinen Land gegen den großen Nachbarn Russland beispringen. Auch die USA ließen es mit verbaler Solidarität bewenden. Sein Versprechen, Georgien wieder zu vereinen wird Saakaschwili nun wohl in absehbarer Zeit nicht einlösen können - falls er sich nach dieser Niederlage überhaupt noch lange an der Macht halten kann.

    Der Konflikt um Südossetien hat eine zweite abtrünnige Region Georgiens ins Interesse der Weltöffentlichkeit gerückt: Abchasien. In der Schwarzmeerprovinz wäre es um ein Haar zu einer zweiten Kriegsfront gekommen. Auch dort mussten die Georgier eine Niederlage hinnehmen: das nordwestlich gelegene Kodori-Tal, das georgische Truppen erst vor zwei Jahren von den Abchasen zurückerobert hatten, wurde von abchasischen und russischen Truppen nach kurzem Kampf eingenommen. Auch im Falle Abchasiens reichen die Wurzeln des Konflikts weit zurück in die Geschichte. Abchasien - ein Lehrstück über die politischen Wirren und Machtspiele in der Vielvölkerregion Kaukasus.

    "Land der Seele", heißt Abchasien in der Sprache seiner Bewohner. Ein paradiesisches Stück Schwarzmeerküste. Grün, wohin das Auge blickt, genährt vom feuchten, fast subtropischen Klima. Auf der einen Seite das Meer, auf der anderen Seite erheben sich majestätisch die Gipfel des Kaukasus.

    Abchasien ist dreimal so groß wie das Saarland. In den vergangenen drei Jahrhunderten wurde es abwechselnd von Türken, Russen und Georgiern beherrscht.

    Zu Sowjetzeiten nannte man das Land Rote Riviera. Alle Moskauer Staatschefs, von Stalin bis Gorbatschow, besaßen hier ihre Datschen. Auf der Krim lag der Sommersitz der sowjetischen Regierung; in Abchasien aber waren die Kremlführer privat.

    Heute erinnert nur noch wenig an die einstige Pracht. Die Seebrücken, an denen in guten Zeiten russische und türkische Kreuzfahrtschiffe anlegten, sind zusammen gebrochen. Die meisten der alten Kurhotels an der Hafenpromenade von Suchumi liegen zerschossen da. Zerstört seit dem blutigen Krieg gegen Georgien vor 15 Jahren.

    Im August 1992 marschieren georgische Truppen nach Abchasien ein. Georgien will den Unabhängigkeitswillen der Abchasen brechen. Diese wehren sich jedoch fanatisch, unterstützt von Söldnern aus anderen Kaukasusrepubliken und der Türkei.

    Auf beiden Seiten kommt es zu Morden und Plünderungen. Nach einem Jahr müssen die Georgier geschlagen wieder abziehen. Der brutale Bürgerkrieg fordert mehrere tausend Tote auf beiden Seiten.

    Abchasien erklärt sich daraufhin für unabhängig von Georgien. Als Reaktion darauf wurde das Land mit einer internationalen Blockade belegt. Keiner durfte hinaus, auch die Russen hielten die Grenze geschlossen und erlaubten nur wenigen eine Fahrt nach Moskau.

    Nach 15 Jahren Isolation sehen sich die Abchasen nun erstmals in ihrer Geschichte auf dem Weg zu einer staatlichen Unabhängigkeit. Das Land hat eine eigene Verfassung, Gesetzgebung, Hymne und Staatsflagge.

    Dass es völkerrechtlich dennoch immer noch Teil Georgiens ist, kümmert den Außenminister des De-facto-Staates nicht. Warum, fragt Sergej Schamba, wird uns versagt, was Kosovo zugestanden wurde - nämlich die Unabhängigkeit?

    "Nach dem Krieg waren wir mit den Georgiern kurz davor, eine Einigung über eine staatliche Konföderation zu erzielen. Die georgische Seite hat dann auf Zeit gespielt. 1999 haben wir schließlich ein Referendum durchgeführt. Darin hat sich die Mehrheit der Abchasen für eine staatliche Unabhängigkeit ausgesprochen. Seitdem können wir mit Georgien nur auf der Grundlage von zwei souveränen Staaten verhandeln."

    In einem der halbwegs heil gebliebenen sozialistischen Wohnblocks Suchumis sitzt Mira Inalipa, emeritierte Archäologieprofessorin, im Studierzimmer ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung und blättert in einem Fotoalbum. Erinnerungen an ihren Sohn, den Astrophysiker Adgur Inalipa, der im Alter von 40 Jahren im so genannten Unabhängigkeitskrieg fiel.

    Nach Ausbruch der Kämpfe in Suchumi 1992 hatte Inalipa spontan sein Universitätsinstitut in Moskau verlassen, um sein Land zu verteidigen. Dabei besaß er keinerlei militärische Ausbildung. Seine Mutter Mira Inalipa erinnert sich an den Tag als ihr Sohn fiel.

    "Mein Sohn wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Er sagte noch: Für mich ist vielleicht alles vorbei, aber wir werden siegen. Er fragt den Doktor nach seinen Überlebenschancen, aber noch mehr lag ihm das Schicksal seines Landes am Herzen."

    Die heftigen Kämpfe damals haben bis heute tiefe Spuren hinterlassen - nicht nur an den Häusermauern von Suchumi, die von Einschussnarben übersät sind. Für Abchasier wie Mira Inalipa ist eine Wiedereingliederung ihrer Heimat nach Georgien unvorstellbar:

    "Solange die Generation lebt, die diesen Krieg erlebt hat, wird es keine Versöhnung geben. Die Verluste auf abchasischer Seite waren viele höher als auf georgischer. Das ist unvergleichlich."

    Keine Rückkehr nach Georgien - und keine Rückkehr der 200.000 Georgier, die nach dem Krieg aus Abchasien fliehen mussten - das war die Hälfte aller Einwohner.

    Abchasien war früher ein Platz für viele Völker; von den 300.000 Einwohnern Abchasiens ist nur jeder dritte Abchase. Die übrigen sind Russen, Armenier und im Land zurückgebliebene Georgier.

    Die Abchasen fürchten nach einer Rückkehr der Georgier wieder zur Minderheit im eigenen Land zu werden. Lieber will man die Nachfahren von Abchasen aus der Türkei wieder ansiedeln. Tatsächlich kehren mehr und mehr abchasisch-stämmige Türken nach Abchasien zurück.

    Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts publizierte die russische Zeitschrift Moskowskije Nowosti Dokumente, die belegen, dass der sowjetische Geheimdienst KGB in den letzten Jahren der UdSSR Separatisten an den Rändern des Reiches massiv unterstützte. Wo immer Sowjetrepubliken nach Unabhängigkeit strebten, wurden dortige Minderheiten von Moskau mit Geld und Waffen versorgt. In Moldawien unterstützte Russland die abtrünnige Republik Transnistrien, im aserbaidschanischen Nagorny-Karabach die Armenier, in Georgien Süd-Osseten und Abchasen. Alle Bemühungen um eine Lösung dieser Konflikte werden von Moskau seitdem blockiert. Für den Kreml sind sie Faustpfand seines Herrschaftsanspruches.

    Seit 15 Jahren ist - wie in Südossetien auch - in dieser so genannten Konfliktzone Abchasien eine Friedenstruppe der GUS-Staaten stationiert. Sie allerdings besteht ausschließlich aus russischen Soldaten. Die Abchasen sehen die Russen als Beschützer, die Georgier jedoch als Besatzer.

    Ein Lager für georgische Flüchtlinge aus Abchasien in der Nähe der georgischen Grenzstadt Zugdidi. Es besteht aus unverputzten Wohnblocks an einer staubigen Strasse. Die georgische Regierung stellt deren Rückkehr nach Abchasien als "absolute Bedingung" für das Gelingen eines Friedensprozesses. Doch nach 15 Jahren in heruntergekommenen Unterkünften schwindet die Hoffnung der Vertriebenen jemals wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

    Das Heimatdorf der 69jährigen Tina Shvania liegt nur 50 Kilometer von der Flüchtlingssiedlung entfernt - doch an eine Rückkehr nach Abchasien ist für die Georgierin nicht zu denken. Die Witwe bewohnt in der Flüchtlingssiedlung zwei Zimmer ohne Bad und Küche. Die Wände sind feucht, es schimmelt. Von der georgischen Regierung erhält Shvania umgerechnet 50 Euro staatliche Unterstützung im Monat. Ansonsten fühlt sie sich von den Politikern - allen politischen Beteuerungen zum Trotz - im Stich gelassen:

    "Sehen Sie, wir leben hier seit 15 Jahren. Ich habe einen kranken Sohn, das Dach ist undicht, meine Augen sind krank und mein Mann ist vor fünf Jahren gestorben. Für mich ist es fast unmöglich unter diesen Bedingungen zu leben."

    Kritiker beschuldigen die georgische Regierung die Not der Flüchtlinge im Streit mit den Abchasen zu missbrauchen, statt für regendichte Dächer in den Unterkünften zu sorgen.

    Wiederholt hat Georgiens Präsident Saakaschwili den Abchasen eine weitgehende Autonomie angeboten, sogar den Posten eines Vizepräsidenten will er ihnen überlassen. Doch Suchumi hat abgelehnt. Seit den Kämpfen um Südossetien scheinen Gespräche zwischen beiden Seiten auf lange Sicht nicht mehr möglich.

    Fast alle Einwohner Abchasiens haben mittlerweile russische Pässe - für die Abchasen die einzige Möglichkeit, ihr Land verlassen zu können. Die 3.000 Mann starke Friedenstruppe, tönt es in diesen Tagen aus Moskau, habe auch in Abchasien die Aufgabe, die dort lebenden russische Staatsbürger zu schützen. Will sagen: Jeder Versuch Georgiens, Abchasien einzunehmen würde ähnlich beantwortet werden, wie im Fall Südossetiens.

    Tiflis hat angekündigt, die beiden abtrünnigen Provinzen Südossetien und Abchasien künftig als von Russland besetztes Territorium anzusehen. Etwas anderes habe der große Nachbar nie vorgehabt, sagt Georgiens Präsident Saakaschwili. Schon Russlands Ankündigung vom Beginn des Jahres, seine Beziehungen zu Abchasien und Südossetien zu vertiefen, interpretierte man in Georgien als "Strafaktion" gegen die eigenen NATO-Aspirationen. Aus georgischer Sicht, war dieser Schritt der Prolog zum Krieg der vergangenen Woche.

    In einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosty im März dieses Jahres bestätigte Wadim Gustow, Vorsitzender des Ausschusses für GUS-Angelegenheiten im russischen Föderationsrat:

    "Unser Präsident sagt eindeutig: Georgien will um jeden Preis in die NATO, wir aber wollen nicht, dass sich die NATO mit jedem Jahr mehr unseren Grenzen annähert. Wir legen unsere Karten offen: Heute erkennen wir sie nicht an, aber laut Entschluss der entsprechenden Strukturen sagen wir Abchasien und Südossetien, dass Russland ihr treuer Freund ist. Das sind nicht nur Worte, ihnen folgen Taten."

    Noch Ende Juni hatte es ein erstes Treffen zwischen dem georgischen Präsidenten Saakaschwili und dem neuen russischen Staatschef Medwedew gegeben. Dabei soll Saakaschwili ihm, einem Bericht der russischen Zeitung Komersant zufolge, einen Vorschlag im Konflikt um Abchasien unterbreitet haben.

    Das Angebot beinhaltet die Teilung der Region in einen russischen und einen georgischen Einflussbereich. Im Norden Abchasiens würde demnach Georgien eine Kontrolle durch abchasische Behörden und die Präsenz russischer Truppen akzeptieren. Dagegen fordere die Regierung in Tiflis, dass die russischen Soldaten sich aus den südlichen Grenzbezirken Gali und Otschamtschira zurückzögen und ehemalige georgisch-stämmige Bewohner der Region zurückkehren dürften. Beide Seiten dementierten jedoch über eine solche Lösung je gesprochen zu haben.

    Kurz vor Ausbruch des Krieges versuchte auch Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit einem Drei-Stufen-Plan einer Eskalation des Konflikts vorzubeugen: In einem ersten Schritt sollten beide Seiten einen Gewaltverzicht vereinbaren. Dann sollten als zweites Europa und Russland den Wiederaufbau in Abchasien fördern. Außerdem sollten georgische Flüchtlinge nach Abchasien zurückkehren können, die während des Bürgerkrieges in den 1990er Jahren geflohen sind. Erst als dritter und letzter Schritt sollte der Status der abtrünnigen Republik geklärt werden. Doch alle drei- Georgien, Abchasien und Russland - lehnten den deutschen Vorschlag ab.

    Abchasien scheint Russland nicht allein als Faustpfand gegen einen NATO-Beitritt Georgiens wichtig zu sein. Längst hat Moskau auch wirtschaftliche Interessen in der Schwarzmeerrepublik entdeckt. Seit der damalige russische Staatspräsident Putin Anfang dieses Jahres die einseitige Aufhebung der Blockade Abchasiens verkündete, geht es in Suchumi sichtbar bergauf.

    Die Eisenbahnstrecke Suchumi-Sotschi wird von russischen Bausoldaten wieder hergestellt und immer mehr Touristen entdecken die Schönheit der abchasischen Küste. Die meisten kommen aus Russland. Die abchasischen Behörden rechnen in diesem Jahr mit zwei Millionen russischen Besuchern. Die Vereinnahmung Abchasiens durch Moskau sei der größte Landraub seit dem zweiten Weltkrieg, polterte Georgiens Präsident Saakaschwili.

    2014 finden in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi Olympische Winterspiele statt. Sotschi, wo Präsident Medwedjew mit Bundeskanzlerin Merkel zusammen kommen wird, liegt gerade einmal eine halbe Autostunde von der abchasischen Grenze entfernt. Bei den geplanten Baumaßnahmen sollen Baumaterialien und Fachkräfte aus Abchasien eingesetzt werden. Die Aufhebung der Handelsschranken lockt indes nicht nur Touristen, sondern auch russische Investoren nach Suchumi.

    Einer von ihnen ist Andrej Saytsew. Der junge Moskauer Unternehmer fädelt in Suchumi Immobiliengeschäfte ein.

    "Ich hatte vorher noch gar nicht von Abchasien gehört. Ich mag die Menschen hier, und die Natur. Die politische Seite interessiert mich nicht sehr. Bevor man hier investiert, sollte man zu dem Ort eine emotionale Bindung aufbauen. Das ist mir gelungen."

    Die Immobilienpreise in Suchumi und Umgebung sind in letzter Zeit explodiert. Niemanden scheint es zu stören, dass viele Grundstücke vertriebenen Georgiern gehören.

    Der Wochenmarkt von Suchumi. Gehandelt wird hier wie überall in Abchasien in russischen Rubeln. Die Waren stammen aus Russland, darunter auch jede Menge Schmuggelgut; Industrie und Infrastruktur existieren in Abchasien fast nicht, die Wirtschaft ist ruiniert. Nicht einmal Tee wird mehr angebaut, dabei versorgte Abchasien früher die gesamte Sowjetunion mit Tee.

    Wie überall sonst im Kaukasus gibt es auch in Abchasien viele Verlierer und nur wenige Gewinner. 350 Millionen Dollar an Investitionen sollen in den nächsten Jahren aus Russland nach Abchasien fließen - doch viele einfache Abchasen fürchten, dass dies die notorische Korruption im Land nur weiter anfachen werde.

    Kritik an diesen Zuständen gibt es kaum in Abchasien. Die Journalistin Izida Chania und ihre Wochenzeitung "Nuzhnaya Gazete" sind eine Ausnahme. Mehrfach schon hatte sich Chania mit dem selbstherrlich regierenden Präsidenten Abchasiens, Sergej Bagapsch angelegt. Sie beschuldigt ihn durch bewusste Verknappung von Papier die kritische Presse zu gängeln. Außenpolitisch sieht Chania ihr Land zwischen Hammer und Amboss: die Georgier wollten sie zur Minderheit machen, die Russen zu einem Protektorat. Die Schuld sieht sie im Westen:

    "Leider sind wir von der internationalen Gemeinschaft durch deren Boykott nach dem Krieg in die Arme Russlands getrieben worden. Nur die Russen haben uns geholfen, darum blieb uns keine andere Wahl als Russland. Eine Folge ist, dass wir abchasischen unabhängigen Medien große Schwierigkeiten haben, gegen die russischen Zeitungen und Fernsehsender anzukommen, die hier den Alltag beherrschen."

    Von Versöhnung und Frieden ist in Abchasien und Georgien wenig die Rede. Eine Anerkennung gegenseitiger Schuld, sagen Konfliktforscher, wäre ein erster Schritt zu einer Friedenslösung. Doch noch immer hat sich Georgien nicht offiziell bei den Abchasen für den Angriff auf Suchumi vor 15 Jahren entschuldigt. Und die Abchasen sehen keinen Anlass, die Vertreibung der Georgier als Verbrechen zuzugeben. Die abchasische Regierung glaubt, bald so stark zu sein, dass sie jede Verbindung zu Georgien kappen kann:

    "Ich sehe mein Land in zehn Jahren attraktiv dastehen. Wir werden alle Chancen, die sich uns bieten, nutzen und durch Investitionen wirtschaftlich viel weiter sein als heute. Das kann ich Ihnen versprechen!"

    Unter Vermittlung der EU haben sich Russland und Georgien zu einem Gewaltverzicht durchgerungen. Doch welche Zukunft erwartet Abchasien? Nach Georgien zurückzukehren - diese Option erscheint derzeit genauso undenkbar wie ein erneuter Versuch der Regierung in Tiflis die Provinz gewaltsam zurückzuerobern.

    Wahrscheinlicher ist eine noch stärkere Anbindung des Landes an Moskau und eine noch größere militärische Präsenz Russlands in Suchumi. Doch damit rückt auch der abchasische Traum von Unabhängigkeit in noch weitere Ferne.