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Landespolitik in Wales 
Wo Labour immer siegt 

In der walisischen Landespolitik gibt es einen klaren Gewinner und einen eindeutigen Verlierer: Die Labour-Partei regiert seit 20 Jahren, während die Konservativen keine einzige Wahl je gewinnen konnten. Vor dem Brexit rebelliert die walisische Regierung jetzt sogar gegen London.

Von Ann-Kathrin Jeske | 04.12.2019
Das Pierhead-Gebäude (links) und der moderne Senedd am Hafen von Cardiff
Die Gebäude der walisischen Nationalversammlung in Cardiff: 1997 stimmten die Waliserinnen und Waliser für ein eigenes Landesparlament (picture alliance / Photononstop/ Tibor Bognar)
Wenn man die Waliserinnen und Waliser auf der Straße fragt, was in Wales wirklich nicht funktioniert, dann ist diese Antwort sehr häufig: Die Straßen, Eisenbahnen und der öffentliche Nahverkehr seien in einem katastrophalen Zustand. Um mit der Bahn vom dicht besiedelten Süden des Landes in den ländlichen Norden zu gelangen, muss man je nachdem, wo man hin will, den Umweg über England nehmen. Es gibt nur eine Autobahn im Land. Und der Ausbau einer der wichtigsten Landstraßen verzögert sich weiter. Das führt auch im walisischen Landesparlament zu Diskussionen.
Straßenbauarbeiten - auf dem Weg ins Nirgendwo?
"Sie haben schon in Ihrem Parteiprogramm 2016 versprochen, dass die Fertigstellung der Schnellstraße längst beendet sein sollte, und trotzdem haben Sie das Datum für die Fertigstellung in diesem Jahr schon zum zweiten Mal verschoben. Herr Ministerpräsident, Sie sind doch mit Ihrer Regierung längst auf der Straße ins nirgendwo angekommen. Werden Sie sich dafür jetzt endlich bei den betroffenen Kommunen entschuldigen?"
Paul Davies ist Parteichef der walisischen Konservativen, Opposition im Landesparlament. Die Infrastruktur ist einer der größten Bereiche, der 1999 von London nach Cardiff geholt wurde und für den die walisische Labour-Regierung zuständig ist.
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe Wales - Selbstbewusst im Vereinigten Königreich.
"Ich glaube wir haben hier gerade den Titel des Wahlprogramms der Konservativen Partei gehört: Auf der Straße nach nirgendwo klingt für mich nach einer guten Zusammenfassung Ihrer Kampagne in Wales. Das Unternehmen, das die Straßenbauarbeiten durchführt, hat uns mitgeteilt, dass es aus Gründen des Naturschutzes länger dauern wird als geplant dieses eine Milliarde Pfund teure Projekt der Regierung fertigzustellen."
Das eine konservative Regierung niemals zur Priorität gemacht hätte, entgegnet Ministerpräsident Mark Drakeford. Heftige Wortgefechte und Zurufe von Hinterbänklern gehören im walisischen Parlament ebenso wie im britischen Unterhaus zum politischen Stil.
Die Konservativen verloren jede Wahl seit 1999
In Cardiff aber gibt es politisch einen klaren Gewinner und einen Verlierer. Für die Konservativen sind die Landeswahlen eine Aneinanderreihung politischer Niederlagen. Nicht eine einzige Wahl haben sie in Wales je gewonnen. Labour hingegen regiert durchgehend seit 20 Jahren – mal alleine, mal mit einem Koalitionspartner. Dieser Erfolg habe viel mit Labours Parteigeschichte in Wales zu tun, sagt Vaughan Roderick, der die walisische Politik seit 40 Jahren für die BBC beobachtet:
"Die Entstehung des walisischen Parlaments geht zu 100 Prozent auf die interne Politik der Labour-Partei zurück. Labour hatte in Wales schon immer zwei Flügel: einen nationalistischen Flügel, der die Macht dezentralisieren und nach Wales holen wollte. Und einen Flügel, der treu an der Seite des Vereinigten Königreichs stand."
Mitte der 90er-Jahre einigten sich diese Flügel darauf, ein Referendum darüber abzuhalten, ob Wales ein Landesparlament bekommen sollte. Der Grund: Viele Waliserinnen und Waliser fühlten sich aus London fremdgesteuert und vernachlässigt. Die Wende kam mit Tony Blair. Als mit ihm 1997 ein Labour-Politiker Premierminister wurde, wurde das Referendum noch im selben Jahr abgehalten. Die Wähler stimmten für das Landesparlament. Und Labour gewann die ersten Wahlen mit über 46 Prozent der Stimmen.
Einwanderung aus England verändert Wahlergebnisse
"Diese Dominanz gibt es heute nicht mehr", sagt Roderick, "obwohl Labour noch immer die größte Partei in Wales ist. Das liegt zum einen daran, dass es Einwanderung aus England gegeben hat. Um die 25 Prozent der Bevölkerung in Wales sind englisch und diese Menschen folgen englischen Wahlmustern."
Dennoch sei die Politik in Wales noch immer linker als in Westminster. Mit der Wales-Partei "Plaid Cymru" und den Liberaldemokraten kämpfen heute allerdings zwei weitere starke linke Parteien mit Labour um die Wähler.
Dennoch regiert Labour aktuell fast alleine. In einem Kabinett mit nur einer Liberaldemokratin. Wofür genau diese Regierung zuständig ist, das sei allerdings äußerst unklar, erklärt Roderick: "Das ist alles andere als eine klare Vereinbarung. Das ist nicht wie in Deutschland, wo es seine schriftliche Verfassung gibt, in der die Kompetenzen eindeutig verteilt sind."
Eine eigene Außenministerin für Wales
Nach dem Brexit werde die walisische Regierung von Westminster fordern, mehr Kompetenzen nach Cardiff zu holen, ist sich der Journalist sicher. Das bestätigt auch Eluned Morgan von der Regierung. Ihr Ministeramt ist der erste Schritt in diese Richtung, denn es ist neu geschaffen worden: Eluned Morgan ist Wales’ Außenministerin. Außenpolitik, das ist eigentlich eine Zuständigkeit, die klar in London liegt.
Wales' Außenministerin Eluned Morgan steht in ihrem Büro vor dem Fenster
Eluned Morgan ist Außenministerin von Wales (Deutschlandradio/ Ann-Kathrin Jeske)
Doch die walisische Regierung wollte schon vor dem Brexit ein Zeichen setzen: "Wir wollten mit dieser neuen Rolle eine Botschaft in die Welt senden: Wales ist eine europäische Nation, wir sind offen für Handel, wir sind eine offene Nation. Und egal, was der Brexit bringt, wir als walisische Regierung wollen uns international engagieren."