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Landesschülertag
Thüringer Schüler dokumentieren Unterrichtsausfall

Die Landesschülervertretung vermutete, dass deutlich mehr Stunden ausfallen, als das Erfurter Kultusministerium öffentlich zugibt. Deshalb haben Schüler des Landes zwei Wochen lang erfasst, welche Stunden ausgefallen sind und vertreten wurden. Beim Thüringer Landesschülertag stellten die Schülervertreter eine eigene Statistik vor.

Von Henry Bernhard | 17.03.2014
    Leeres Klassenzimmer
    Jede fünfte Thüringer Klasse hat bei der Statistik mitgemacht und den Unterrichtsausfall erfasst. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
    Thüringer Landesschülertag: Fünf Mädchen aus der Salzmann-Schule in Schnepfenthal sitzen im Landtag in Erfurt und interviewen die Ministerpräsidentin und den Kultusminister. Sie sind erst mal aufgeregt, finden sich aber schnell wieder. Frage an Christine Lieberknecht:
    Rhia: "Der Altersdurchschnitt der Thüringer Lehrer ist bekanntlich ziemlich hoch. Deshalb auch oft der krankheitsbedingte Ausfall. Wie stellen sie sich in naher Zukunft eine Lösung vor?"
    Christine Lieberknecht: "Zunächst einmal können auch ältere Lehrer gut unterrichten. Aber es ist richtig: Wir brauchen auch jüngere Lehrerinnen und Lehrer in einer größeren Zahl. Und deswegen stellen wir in diesem Jahr 2014 400 neue Lehrerinnen und Lehrer ein, und im neuen Jahr sollen es noch mehr werden. Wir haben eine Größenordnung von etwa 500 vorgesehen."
    "Es gibt mehr vertretene Stunden als ausgefallene Stunden"
    Die Schülerinnen waren zufrieden, der Unterrichtsausfall an Thüringer Schulen spielte beim Landesschülertag nur eine untergeordnete Rolle. Paul Muschiol, Landesschülersprecher und Organisator der Ausfall-Statistik, gab aber am Rande erste Ergebnisse bekannt:
    "Da haben wir grundsätzlich festgestellt: Es gibt mehr vertretene Stunden als ausgefallene Stunden. Das Ergebnis ist aus unserer Sicht erst mal positiv. Wir haben sehr viele Rückmeldungen. Das heißt für uns zunächst: Sehr viele Schüler zeigen Interesse daran, dass Unterricht nicht ausfallen soll. Wir haben ja auch ein Kommentarfeld am Ende unserer Erfassung noch vorhanden gehabt. Und da schrieben viele Schüler: 'Ja, es interessiert mich schon, es fällt zu viel aus; wir möchten auch Unterricht haben.' Allein die Erkenntnis ist bei Schülern ja schon interessant."
    Zu den Zahlen: Jede fünfte Thüringer Klasse hat bei der Statistik mitgemacht, die Zahlen sind also durchaus aussagefähig. 4,3 Prozent aller Stunden sind ausgefallen, das ist überraschend wenig und deckt sich fast mit den Zahlen des Kultusministeriums. Problematisch ist eher, dass auf eine fachgerecht vertretene Stunde drei Stunden kommen, in der der Vertretungslehrer das Fach nicht unterrichten kann. Im besten Fall macht er dann Deutsch statt Mathe, oft schiebt er aber auch nur eine DVD ein.
    "Die Frage ist: Fällt dieser Unterricht langfristig aus und ist der Lehrer langfristig krank; und ist dann die Reaktion der Schulämter und des Ministeriums am Ende da, dass Unterricht vertreten wird oder ein anderer Fachlehrer kommt?"
    Das Problem: Thüringer Lehrer sind im Schnitt 52 Jahre alt. Alte Lehrer sind im Schnitt doppelt so lang krank wie junge. Ministerpräsidentin Lieberknecht zeigte vor den Schülervertretern aus ganz Thüringen Verständnis:
    "Es gilt aber: Wir brauchen mehr junge Lehrer, auch Lehrer, die ein Stück von dem Lebensgefühl vielleicht doch näher sind als diejenigen, die sie in guter pädagogischer Ausbildung und gutem Know-how sie über Jahre gebildet haben. Wir brauchen eben diese Mischung."
    Landesweite Lehrerreserve geplant
    Kultusminister Christoph Matschie will eine landesweite Reserve von 100 jungen Lehrern aufbauen, die für zwei Jahre als Springer dort vertreten, wo Lehrer länger krank sind. Im nächsten Schuljahr sollen erst mal 400 neue Lehrer eingestellt werden. Dass diese nur die ausscheidenden Lehrer ersetzen, erwähnten Ministerpräsidentin und Minister nur auf Nachfrage, nicht aber vor den Schülern.
    "Die 400, das ist der Ausgleich für die, die ausscheiden oder in die Altersteilzeit wechseln. Das ist die Lehrerschaft, die wir brauchen, um den Unterricht organisatorisch abzusichern. Die Lehrerreserve würde weitere Einstellungen notwendig machen; darüber gibt es aber keine politische Einigkeit mit der CDU; die will erst im nächsten Jahr damit beginnen."
    Und im nächsten Jahr gibt es ohnehin eine neue Landesregierung. Die Landesschülervertretung will jetzt die Ergebnisse der Ausfall-Statistik noch näher analysieren und mit dem Kultusministerium diskutieren. Landesschülersprecher Paul Muschiol hofft auf den Kampf der Parteien um Wählerstimmen.
    "Wir möchten das auch in den Diskurs reintragen. Und gerade im Hinblick auf die Landtagswahl ist das nochmal ein interessantes Thema. Vielleicht kann man da der ein en oder anderen Partei gerade zur Landtagswahl noch das eine oder andere Versprechen abringen!"