"O heiliger Sankt Florian", soll der renommierte Geologieprofessor Max Semper gestöhnt haben, als der junge Alfred Wegener am 6. Januar 1912 seine Ideen auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung vorstellte: von Kontinenten, die über die Erde driften wie Eisschollen auf dem Wasser. Von einem Urkontinent, in dem einmal alle Landmassen vereinigt gewesen sein sollen. Dieser Wegener war gerade 31 Jahre alt, Privatdozent in Marburg und nicht mal Geologe. Er hatte Physik, Meteorologie und Astronomie studiert.
"Das Interessante war, dass Wegener sich als Physiker auf ein Gebiet begeben hatte, von dem er nur marginal Ahnung hatte. Und diese Tatsache wurde ihm schon negativ angekreidet, also er würde sich in Gebiete vorwagen, zu denen er nichts zu sagen hätte."
Reinhard Krause ist Wissenschaftshistoriker jener Forschungseinrichtung in Bremerhaven, die sich nach dem großen Revolutionär benannt hat: Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Denn die Polarforschung war Wegeners eigentliches Thema: Er hatte schon eine Grönlandexpedition sowie ausgedehnte Ballonfahrten hinter sich und stand mitten in den Vorbereitungen zu seiner zweiten Fahrt nach Grönland, als ihm - eher nebenbei - die Idee der Kontinentalverschiebung gekommen ist.
"Außerdem wissen wir durch einen Privatbrief, den er an seine damalige Freundin Else Köppen geschrieben hatte, 1910, dass ihm die Betrachtung eines neuen Atlasses die Idee eingegeben hat, Südamerika und Afrika passen ja erstaunlich gut zusammen, und er schreibt, dieser Idee will ich eines Tages nochmal weiter nachgehen."
Der Blick auf die Weltkarte und die Umrisse der Kontinente war allerdings nicht Wegeners einziger Anhaltspunkt. Schon vor ihm hatten Paläontologen an der Westküste Afrikas die gleichen Fossilien gefunden wie an der Ostküste Südamerikas. Schon vor ihm hatten Geologen deshalb vermutet, dass die Kontinente einst miteinander verbunden waren - allerdings glaubten sie, dass es einst eine Landbrücke von Afrika nach Südamerika gab, die später im Meer versunken ist.
"Gegen die Landbrücken hatte Wegener vermutlich nichts, aber gegen die Tatsache, dass diese Landbrücken später versunken sein sollen. Das widersprach seinem physikalischen Empfinden. Denn Kontinente können nicht einfach versinken, das war seine Auffassung, und deswegen kam er auf die Idee, dass die Kontinente ursprünglich zusammengehangen haben."
Wegener stieß auf Ablehnung, vor allem im deutschsprachigen Raum reagierte die Fachwelt mit Kritik und Häme. Die Skepsis war durchaus berechtigt. Denn Wegener hatte zwar auf der Weltkarte ein Puzzle zusammengefügt, konnte aber überhaupt nicht erklären, was die Kontinente dazu bringen sollte, über den Erdball zu driften. Er selbst spekulierte herum, ob möglicherweise die vom Mond ausgeübten Gezeitenkräfte eine Rolle spielen könnten, oder die Fliehkräfte, die durch die Rotation der Erde entstehen.
"Aber alle die Kräfte, die er angeführt hat, waren nicht hinreichend, um die Drifts zu erklären, das konnte man absehen."
Alfred Wegener kam 1930 auf seiner dritten Grönlandexpedition ums Leben. Den Durchbruch seiner Theorie hat er nicht mehr erlebt. Der erfolgte erst in den 1950er-Jahren, als neue Messungen in der Tiefsee beweisen konnten, dass sich der Meeresboden tatsächlich ständig neu bildet und die Kontinente auseinanderdrückt. Heute lässt sich die Bewegung der Kontinente mit Satellitenmessungen zentimetergenau nachweisen. Aus der Theorie der Kontinentalverschiebung ist die Plattentektonik geworden. Sie ist in der Lage – so wie es Wegener vor 100 Jahren formulierte
"die Großformen unserer Erdoberfläche durch ein einziges umfassendes Prinzip genetisch zu deuten".
Faltengebirge, Vulkane, Erdbeben, Inselbögen und Tiefseegräben – die Plattentektonik kann all diese Phänomene erklären. Und sie hat sich weiter entwickelt. Heute ist klar, der große Urkontinent Pangäa, der vor 250 Millionen Jahren auseinander brach, war nur ein Zwischenstadium. Vor ihm gab es andere Urkontinente. Die Landmassen zerfallen und vereinigen sich offenbar in regelmäßigen Zyklen. Inzwischen wissen die Geophysiker auch, dass die Ursachen der Kontinentaldrift sehr tief im Erdinneren liegen, von wo aus zähflüssiges Gestein nach oben strömt, während es an anderen Stellen der Erde wieder abtaucht. Nicht gesichert ist jedoch, wie diese sogenannten Konvektionsströme angetrieben werden. Auch andere Fragen sind noch offen: Wie tief genau reichen die Kontinentalschollen wirklich? Die Geophysiker gehen von 100 bis 200 Kilometern aus, aber diese Grenze zwischen der sogenannten Lithossphäre – also der festen Scholle und der Asthenosphäre – dem zähflüssigen Medium, auf dem die Platten der Theorie nach treiben – diese Grenze lässt sich seismologisch nur schwer fassen. Auch bei den Plattengrenzen gibt es immer wieder Überraschungen. Erst kürzlich haben Geophysiker eine bislang unbekannte Mikro-Kontinentalplatte im Gebiet von Tibet identifiziert.
"Das Interessante war, dass Wegener sich als Physiker auf ein Gebiet begeben hatte, von dem er nur marginal Ahnung hatte. Und diese Tatsache wurde ihm schon negativ angekreidet, also er würde sich in Gebiete vorwagen, zu denen er nichts zu sagen hätte."
Reinhard Krause ist Wissenschaftshistoriker jener Forschungseinrichtung in Bremerhaven, die sich nach dem großen Revolutionär benannt hat: Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. Denn die Polarforschung war Wegeners eigentliches Thema: Er hatte schon eine Grönlandexpedition sowie ausgedehnte Ballonfahrten hinter sich und stand mitten in den Vorbereitungen zu seiner zweiten Fahrt nach Grönland, als ihm - eher nebenbei - die Idee der Kontinentalverschiebung gekommen ist.
"Außerdem wissen wir durch einen Privatbrief, den er an seine damalige Freundin Else Köppen geschrieben hatte, 1910, dass ihm die Betrachtung eines neuen Atlasses die Idee eingegeben hat, Südamerika und Afrika passen ja erstaunlich gut zusammen, und er schreibt, dieser Idee will ich eines Tages nochmal weiter nachgehen."
Der Blick auf die Weltkarte und die Umrisse der Kontinente war allerdings nicht Wegeners einziger Anhaltspunkt. Schon vor ihm hatten Paläontologen an der Westküste Afrikas die gleichen Fossilien gefunden wie an der Ostküste Südamerikas. Schon vor ihm hatten Geologen deshalb vermutet, dass die Kontinente einst miteinander verbunden waren - allerdings glaubten sie, dass es einst eine Landbrücke von Afrika nach Südamerika gab, die später im Meer versunken ist.
"Gegen die Landbrücken hatte Wegener vermutlich nichts, aber gegen die Tatsache, dass diese Landbrücken später versunken sein sollen. Das widersprach seinem physikalischen Empfinden. Denn Kontinente können nicht einfach versinken, das war seine Auffassung, und deswegen kam er auf die Idee, dass die Kontinente ursprünglich zusammengehangen haben."
Wegener stieß auf Ablehnung, vor allem im deutschsprachigen Raum reagierte die Fachwelt mit Kritik und Häme. Die Skepsis war durchaus berechtigt. Denn Wegener hatte zwar auf der Weltkarte ein Puzzle zusammengefügt, konnte aber überhaupt nicht erklären, was die Kontinente dazu bringen sollte, über den Erdball zu driften. Er selbst spekulierte herum, ob möglicherweise die vom Mond ausgeübten Gezeitenkräfte eine Rolle spielen könnten, oder die Fliehkräfte, die durch die Rotation der Erde entstehen.
"Aber alle die Kräfte, die er angeführt hat, waren nicht hinreichend, um die Drifts zu erklären, das konnte man absehen."
Alfred Wegener kam 1930 auf seiner dritten Grönlandexpedition ums Leben. Den Durchbruch seiner Theorie hat er nicht mehr erlebt. Der erfolgte erst in den 1950er-Jahren, als neue Messungen in der Tiefsee beweisen konnten, dass sich der Meeresboden tatsächlich ständig neu bildet und die Kontinente auseinanderdrückt. Heute lässt sich die Bewegung der Kontinente mit Satellitenmessungen zentimetergenau nachweisen. Aus der Theorie der Kontinentalverschiebung ist die Plattentektonik geworden. Sie ist in der Lage – so wie es Wegener vor 100 Jahren formulierte
"die Großformen unserer Erdoberfläche durch ein einziges umfassendes Prinzip genetisch zu deuten".
Faltengebirge, Vulkane, Erdbeben, Inselbögen und Tiefseegräben – die Plattentektonik kann all diese Phänomene erklären. Und sie hat sich weiter entwickelt. Heute ist klar, der große Urkontinent Pangäa, der vor 250 Millionen Jahren auseinander brach, war nur ein Zwischenstadium. Vor ihm gab es andere Urkontinente. Die Landmassen zerfallen und vereinigen sich offenbar in regelmäßigen Zyklen. Inzwischen wissen die Geophysiker auch, dass die Ursachen der Kontinentaldrift sehr tief im Erdinneren liegen, von wo aus zähflüssiges Gestein nach oben strömt, während es an anderen Stellen der Erde wieder abtaucht. Nicht gesichert ist jedoch, wie diese sogenannten Konvektionsströme angetrieben werden. Auch andere Fragen sind noch offen: Wie tief genau reichen die Kontinentalschollen wirklich? Die Geophysiker gehen von 100 bis 200 Kilometern aus, aber diese Grenze zwischen der sogenannten Lithossphäre – also der festen Scholle und der Asthenosphäre – dem zähflüssigen Medium, auf dem die Platten der Theorie nach treiben – diese Grenze lässt sich seismologisch nur schwer fassen. Auch bei den Plattengrenzen gibt es immer wieder Überraschungen. Erst kürzlich haben Geophysiker eine bislang unbekannte Mikro-Kontinentalplatte im Gebiet von Tibet identifiziert.