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Landprämie für Medizinstudenten

Allgemeinmediziner mit eigener Praxis werden in weiten Teilen Sachsens immer seltener. Deshalb hat das Sächsische Sozialministerium ein Stipendium ausgeschrieben: Bis zu 600 Euro pro Monat bekommen Medizinstudenten nach bestandenem Physikum, wenn sie sich verpflichten, eine Patenschaft mit einem Hausarzt einzugehen und nach ihrem Abschluss mindestens vier Jahre in einem medizinisch unterversorgten Gebiet Sachsens praktizieren.

Von Thomas Matsche |
    Nur eine halbe Stunde Pause haben die Medizinstudierenden der TU Dresden bis zur nächsten Veranstaltung. Dann steht ein Praktikumsseminar auf dem Plan. Denn so kurz vor dem Physikum müssen sich die angehenden Mediziner so langsam Gedanken darüber machen, wie ihre Zukunft aussehen könnte.

    Vielleicht hilft dabei nun ein Beschluss des Sächsischen Sozialministeriums. Ab dem kommenden Wintersemester sollen 150 Studierende in den Genuss eines Stipendiums von bis zu 600 Euro monatlich kommen. Dafür müssen sie sich vertraglich verpflichten, nach dem Studium mindestens vier Jahre in einem medizinisch unterversorgten Gebiet Sachsens als Allgemeinmediziner zu praktizieren. Auf Deutsch: dahin zu gehen wo eigentlich kein Arzt hin will. In den Osten. Mit doppelt so vielen Patienten und einem Viertel weniger Geld als im Westen. Das Lockangebot findet Ines Pilz, Studierende der TU Dresden, trotzdem interessant.

    "Man bekommt ja so nicht viel Geld im Monat. Also von daher wäre es schon mal sehr attraktiv und da man sich sowieso mit dem Zukunftsgedanken noch gar nicht so auseinandergesetzt hat, bringt einen das vielleicht mal in so eine richtige Richtung in welche man überhaupt mal geht."

    Der 20-jährige Maximilian Hunger kann den Vertragsbedingungen hingegen nichts Positives abgewinnen.

    "Wenn man sich jetzt nur als Allgemeinmediziner dort bewirbt, finde ich das ein bisschen doof weil erstens weiß man jetzt noch nicht, was man macht und zweitens: Also ich finde es sind ja nicht nur Allgemeinärzte, die gebraucht werden sondern beispielsweise auch Internisten oder auch Chirurgen oder Orthopäden. Also ich finde Allgemeinarzt ist nicht nur das, was man braucht."

    Allerdings werden in den ländlichen Regionen Sachsens besonders Hausärzte gebraucht. Doch die werden innerhalb der Ärzteschaft am schlechtesten bezahlt. Was bedeutet, dass es kaum Nachwuchs gibt. So sind von den 2000 sächsischen Hausarztpraxen bereits heute 74 unbesetzt. Durch das Stipendium soll aber zumindest die allergrößte Not gelindert werden.

    Mit im Boot sind auch die gesetzlichen Krankenkassen, die mehr als die Hälfte der insgesamt 2,9 Millionen Euro beisteuern. Dazu Hannelore Strobel der AOK Plus zuständig für Sachsen und Thüringen.

    "Wir sind hier eher als in anderen Bundesländern wach geworden möcht ich mal sagen weil sich natürlich Versicherte, wenn die keinen Arzttermin bekommen oder ihr Hausarzt in den Ruhestand geht und keinen Nachfolger für seine Praxis findet immer konfrontiert mit Fragen und Vorwürfen: Wo finde ich jetzt einen Arzt? Tut was! "

    Ein anderes Projekt im Landkreis Torgau Oschatz habe bereits gut funktioniert. Da gab es für junge Mediziner bei der Übernahme einer Praxis 60.000 Euro vom Land. Fünf junge Ärzte haben sich infolge dessen im Landkreis niedergelassen. Wenn sich nun für das Stipendiumprojekt die maximal 150 Studierenden auch wirklich bewerben, sei man schon zufrieden, meint Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsens. Bis dahin gelte für das Auswahlverfahren das Müller-Prinzip: wer zuerst kommt mahlt zuerst. Gesucht werde deutschlandweit, jedoch ist Heckemann eher verhalten optimistisch, denn junge Mediziner setzten andere Prämissen.

    "Heute ist eine andere Generation. Man ist eher der Meinung man möchte primär leben und arbeitet um zu leben und nicht umgekehrt. Und dann möchte man lieber weniger arbeiten und nimmt dann notfalls auch weniger Geld in Kauf. Und gerade bei uns ist nun aber: wer hier eine Praxis übernimmt, der muss mehr tun."

    Deshalb vermutet Heckemann, dass sich wohl mehr Studierende aus der Region bewerben werden weil diese zum Beispiel Praxen aus der Familie übernehmen oder einfach stärker in der Region verwurzelt sind. Und falls man sich als Stipendiat dann doch umentscheiden sollte oder einfach eine Prüfung nicht schafft, dann müsse man zwar das Geld zurückzahlen aber immerhin zinsfrei. Also eigentlich eine gute Sache, findet auch die sozialpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag, Elke Herrmann. Jedoch gibt sie bei der Auswahl der Bewerber zu bedenken, dass sich vielleicht nicht jeder wirklich längerfristig binden will.

    "Also das heißt man muss genau hingucken wer nimmt dieses Darlehen? Ist das jemand, der auch motiviert ist, längere Zeit da zu bleiben und den beruf des Hausarztes auch wirklich für sich entdeckt hat? Also die dafür motiviert sind und die dann auch hier bleiben und die dann auch für Kassenpatienten offen sind. Das wünsche ich mir wirklich."

    Wie erfolgversprechend das Projekt am Ende ist, wird man in rund fünf bis acht Jahren sehen. Dann werden 40 Prozent der sächsischen Hausärzte in den Ruhestand gehen.