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Landschaftsschutzgebiete in Gefahr

Viele Bundesländer planen momentan Änderungen am Naturschutzrecht. Auch Hessen überarbeitet zur Zeit die Gesetze. Umweltschützer sehen allerdings schwarz. Unter anderem deshalb, weil die Landesregierung 15 große Landschaftsschutzgebiete in Mittelgebirgen aufgeben will.

Von Anke Petermann |
    Wenn Naturschützer in Südhessen vorführen wollen, wie die Hänge des Odenwaldes ohne Landschaftsschutz aussähen, fahren Sie ein paar Kilometer weiter südlich an die Badische Bergstraße. Beispiel Weinheim. Herwig Winter vom Vorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz Hessen deutet nach oben auf eine steinerne Abbruchkante oberhalb eines steilen abgefrästen Hangs. Früher war das auch mal eine dieser typischen sanften Kuppen:

    " Wenn sie jetzt weiter nach Süden fahren würden, Richtung Heidelberg, dann würden Sie sehen, dass sich ein solcher Steinbruch an den anderen reiht, und zwar immer oben an den Bergkuppen, da steht jetzt der blanke Fels. Wir haben die Befürchtung - wir haben ja den Vergleich zu Baden-Württemberg, wo es die letzten paar Jahrzehnte keinen Landschaftsschutz gab, wie sich die Landschaft da zum Negative entwickelt hat im Vergleich zum hessischen Teil, wo der Landschaftsschutz doch die schlimmsten Auswüchse verhindern konnte."

    Matthias Wilkes, CDU-Landrat im Kreis Bergstraße, hält es mit der Landesregierung und sieht kein Problem darin, dass das große Landschaftsschutzgebiet in seiner Region fallen soll. Dass Bergstraße und Odenwald sich als weitgehend intakte Kulturlandschaften präsentieren, schreibt der Vorsitzende des örtlichen Natur- und UNESCO Geoparks nicht dem Landschaftsschutz zu.

    " Dieser Erfolg ist ein Erfolg auch gerade der kommunalen Ebene, und Sie können davon ausgehen, dass die Kommunalpolitiker vor Ort und ich auch als Vorsitzender alles tun werden, dass uns alles das was wir an Naturschönheiten haben in verschiedenster Hinsicht, so wichtig ist, dass wir das erhalten und weiter zusätzlich schützen werden. Das ist die Anstrengung, die wir in der Region leisten müssen, und da können wir durch Gesetzgebung nicht viel mit wettmachen."

    Kommunalpolitiker als eifrigste Naturschützer? - Herwig Winter hat da so seine Zweifel. "Einige Bürgermeister hier am Rande des Ballungsraums Rhein-Neckar träumen den Traum einer Kleinstadt, dort wo jetzt noch ein Odenwalddorf ist", sagt der BUND-Mann:

    " Und dem schiebt zur Zeit der Landschaftsschutz noch einen deutlichen Riegel vor, wenn man in dem Zusammenhang bedenkt, dass die Gemeinde Waldmichelbach vor einigen Jahren die Entwicklung eines Golfplatzes mitten im Landschaftsschutzgebiet geplant hatte, der allerdings gescheitert ist."

    Unweit von Heppenheim geht Winter an Gärten und Bruchsteinmäuerchen vorbei den Hang hoch und zeigt dort das, was er den "napoleonischen Blick" nennt:

    " Da ist der Pfälzerwald, dazwischen die die Rheinebene und hier zu unseren Füßen die Bergstraße und wir stehen jetzt hier mitten im Weinanbaugebiet, für das die Bergstraße ja auch berühmt ist, und deshalb sind die Bauplätze in der Hanglage ja auch so begehrt."

    Und mit einem Bauboom rechnen die Naturschützer für den Fall, dass der Landschaftsschutz fällt. Laut CDU-Umweltminister Wilhelm Dietzel bleibt der Naturschutz in wertvollen Gebieten unangetastet, mit dem Gesetz sollen aber Doppelregelungen und Bürokratie abgebaut werden. Wie Dietzel so verweist auch CDU-Landrat Matthias Wilkes auf die Bedeutung der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die Lebensräume für seltene Tier und Pflanzen schützt:

    " Die Tierwelt macht nicht an Grenzen halt, und deshalb ist das vernünftig, diese Karte zu spielen, es wird kein Vakuum entstehen, sondern es gibt eine neue Schutzkategorie, die ernst genommen wird, die umgesetzt werden muss, und ich bin ganz sicher für den Landkreis Bergstraße und für den gesamten Geopark, dass wir dadurch keine Nachteile haben werden im Bereich der nachhaltigen Schutzbemühungen der Natur. "

    Doch Artenschutz ist nicht Landschaftsschutz, und in anderen Bundesländern sieht man durchaus die Notwendigkeit, neben Lebensräumen auch typische Landschaftsbilder zu bewahren.

    " Meiner Meinung nach ist es auch nicht so, dass es der hessischen Landesregierung darum geht, die Bürokratie zurückzuschrauben, sondern es geht der hessischen Landesregierung darum, möglichst alle Hürden aus dem Weg zu räumen, die irgendeiner Planungsabsicht - sei es Straßenbau, sei es Flughafenbau, sei es Wohnsiedlungsentwicklung - im Weg stehen könnten."

    Die Naturschützer haben vorsichtshalber mal bei der UNESCO angefragt, ob sie den Geopark weiterhin als nachhaltig anerkennt, wenn der Landschaftsschutz fällt. Die Antwort der Pariser Organisation steht noch aus.