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Landwirte ringen um Subventionen

In Brandenburg haben Ökobauern und konventionelle Landwirte ganz unterschiedliche Erwartungen an die neue EU-Reform. Der Streit darüber, wie "grün" das neue Regelwerk ausfallen wird, hat in Brüssel gerade erst begonnen.

Von Axel Flemming | 19.01.2012
    Stefan Fürstenau ist Landwirt in Jakobshagen in der Uckermark, nordöstlich von Berlin. Sein Betrieb bewirtschaftet zurzeit 1550 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche mit Weizen, Roggen, Raps und Mais.

    "Ist nicht ganz wenig, aber ist auch nicht ganz viel. Ist schon – ich sag’ mal - ganz ordentliche Betriebsgröße. Und davon haben wir einen Teil Grünland, wo wir hauptsächlich Mutterkühe halten. Und momentan 650 Rinder bei uns im Betrieb. Dann haben wir noch eine Bullenmast, die wir hier betreiben, ja."

    Fürstenau ist zusammen mit seinem Geschäftspartner Wolfgang Kerwitz Chef der Agrarservice Jakobshagen GbR. Auch für Brandenburger Verhältnisse sind die beiden Großbauern. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat ausgerechnet, dass im Bundesland pro Betrieb durchschnittlich 125 Rinder im Stall gehalten werden und 206 Milchkühe. Größere Durchschnittbestände gibt es nur in Mecklenburg-Vorpommern. Die Europäische Union will die gemeinsame Agrarpolitik, genannt GAP, bis 2013 reformieren. Am 12. Oktober 2011 legte die EU-Kommission ein Paket von Rechtsvorschlägen vor. Damit will sie die GAP wirksamer machen im Hinblick auf eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Landwirtschaft und einen lebendigen ländlichen Raum.
    Die Vorschläge werden intensiv diskutiert, besonders in Ostdeutschland, wo die großen Agrarkomplexe finanzielle Einbußen befürchten. Die 5600 landwirtschaftlichen Betriebe in Brandenburg verfügen über eine durchschnittliche Betriebsgröße von 240 Hektar. Landwirt Fürstenau liegt mit fast 1600 Hektar deutlich über dem Schnitt. Vermutlich auch mit den Subventionen. Aber nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs darf die Höhe der Subventionen an Privatpersonen, und eine solche ist eine GbR, nicht mehr veröffentlicht werden. So fürchtet Fürstenau eine Begrenzung der Direktzahlungen. Die Kommission möchte gerne eine Kappungsgrenze bei 300.000 Euro ziehen, bei der Schluss sein soll mit den Subventionen. Ungerecht, findet Fürstenau, weil die Böden in der Uckermark eher karg sind.

    "Wir waren ja nach den alten Fördersätzen immer schon sehr benachteiligt hier bei uns in der Region, weil wir hier die geringsten Erträge oder mit die niedrigsten Erträge haben, und dafür auch die wenigsten Fördermittel gekriegt haben. Und anderswo, wo viel gewachsen ist, die haben viel Fördermittel gekriegt. Hat irgendwo nie gepasst. Naja und nu sollen halt Kappungsgrenzen geben, bzw. vorher schon Stufen, wo stark reduziert wird. Das fängt ja schon ab 150.000 Euro an. Dann werden schon die ersten 20 Prozent gekürzt. Ist schon für unsern Betrieb ein Einschnitt."

    Die EU-Kommission geht davon aus, dass in Deutschland gut 2800 Höfe über 150.000 Euro Basisprämie bekommen. Ab dieser Summe sollen die Subventionen gekürzt werden, die es nicht für die Erzeugung von Lebensmitteln, sondern für die Erhaltung der Kulturlandschaft gibt. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) rechnet aber nur damit, dass 100 Betriebe, vor allem im Osten, ab 2013 vermutlich wirklich Kürzungen erleiden werden. Das Volumen der Kappungen nennt sie "übersichtlich".

    "Was mich aber viel mehr daran stört, ist wieder eine systematische Veränderung, nämlich eine Abwendung von einer Förderung der Landwirtschaft unabhängig von der Flächengröße - weil das muss letztendlich der Betriebsinhaber oder die Betriebsinhaber selbst entscheiden - hin zu einer Arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Steuerung. Und das ist ein Weg, den wir eigentlich nicht gehen wollen."

    Eine Aktuelle Stunde im Brandenburger Landtag zur EU-Agrarpolitik zeigte sehr unterschiedliche parteipolitische Sichten auf die Kommissionspläne. Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) lehnte eine Kappung der EU-Subventionen ab.
    Er nennt diese Begrenzung diskriminierend und für die großflächig organisierte ostdeutsche Landwirtschaft von Nachteil. Der Minister lobte die Vielfalt der Betriebsarten:

    "Politik sollte nicht Betriebsgrößen vorschreiben. Ich hab’ überhaupt kein Problem, dass in einem Dorf eine große Genossenschaft existiert und mehrere Familienbetriebe. Das sichert Arbeitsplätze. Und nur so ist es möglich, dass wir in Brandenburg eine flächendeckende Landwirtschaft haben mit über 36.000 Arbeitsplätzen. Erstes Ziel muss es sein, dass diese Arbeitsplätze erhalten bleiben."

    Die ostdeutschen Agrarminister haben in einer gemeinsamen Stellungnahme die betriebsbezogene Obergrenzenregelung für Direktzahlungen – wie sie die Europäische Union ab 2013 plant - kritisiert. Die Umsetzung würde landwirtschaftliche Unternehmen in den neuen Bundesländern benachteiligen und zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen.
    Brandenburgs CDU favorisiert dagegen kleinere Betriebe.
    Generalsekretär Dieter Dombrowski sprach sich dafür aus, dass die Subventionen im Land bleiben und in Familienunternehmen gesteckt werden. Er griff die LINKE an, die einseitig auf Großbetriebe setze:

    "Was haben Sie eigentlich dagegen, dass die Europäische Union, das Europaparlament und der Kommissar die Direktzahlungen an den aktiven Landwirt knüpfen wollen? Das heißt, dass nur der Agrarsubventionen bekommt, der auch im Haupterwerb tatsächlich Landwirtschaft betreibt, und nicht irgendwo Seniorenheime und Ähnliches betreibt, wie wir’s ja haben?"

    Es konterte der LINKE Michael Egidius Luthardt:

    "Wir sind gegen die Kappungsgrenzen. Wir sind aber natürlich dafür, dass arbeitsplatzintensive Betriebe und Zweige auch eine Förderung bekommen sollen, denn das ist unser sozialer Anspruch."

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht in der EU-Förderpolitik eine einmalige Chance für einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. Ihre Abgeordnete Sabine Niels begrüßte auch die geplanten Kappungen der Subventionen, die ihrer Meinung nach bislang ungerecht verteilt werden. So erhielten im Jahr 2009 1,6 Prozent der deutschen Agrarbetriebe, die Großen nämlich, ein Drittel aller Fördermittel:

    "Es geht um die Verteilung von Steuergeldern. Wir fordern, dass nur noch jenen Landwirten öffentliche Gelder zustehen, die besondere gesellschaftliche Leistungen erbringen. Hierzu gehören neben der Erzeugung von gesunden landwirtschaftlichen Produkten auch die Schonung von Wasser, Boden und Klima und der Erhalt der biologischen Vielfalt."

    Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU wurde 1957 in den Römischen Verträgen beschlossen, um eine allgemeine Versorgung von bezahlbaren Lebensmitteln sicherzustellen. Damals herrschte noch Mangel, die GAP versuchte die Produktivität zu steigern.
    Aus dem Mangel ist längst Überschuss geworden, die finanzielle Unterstützung aus dem EU-Topf aber blieb. Die EU-Kommission plant nun, die Direktzahlungen an Landwirte mit hohen Subventionen künftig an den Faktor Arbeit zu koppeln.
    Mehr Arbeitsplätze sollen mehr Subventionen bringen.

    Die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landbau AbL begrüßt, dass dies erstmals so deutlich in einem Gesetzesvorschlag aufgenommen wurde. Den Mitgliedstaaten und Bundesländern müsste sogar die Möglichkeit gegeben werden, dass sie über diesen Vorschlag der Kommission hinausgehen. Der Faktor Arbeit sollte auch in kleiner strukturierten Betrieben und Regionen zur Berechnung der Zahlungen herangezogen werden, fordert die AbL. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner:

    "Das ist immer die Frage: Mit was bemisst man dann die Arbeitskräfte? Wie viel ist eine Arbeitskraft dann 'wert'? Und wenn es an dem oberen Rand eine Bemessung gibt, heißt es dann auch, dass ein Landwirt für die Bewirtschaftung einer Fläche nur einen bestimmten Betrag bekommen kann, auch wenn er mit sich und seiner Familie vielleicht mehr bewirtschaftet. Und deshalb ist es ein Einstieg in die Sozialpolitik, und ich setze allein bei meinem Haushalt 2/3, nämlich 3,7 Mrd. Euro für die landwirtschaftliche Sozialversicherung ein. Das ist eine Stützung der Sozialpolitik, und da gehört sie auch hin."

    Stefan Fürstenau und sein Mitgesellschafter beschäftigen sechs festangestellte Mitarbeiter ganzjährig in ihrem Betrieb in der Uckermark, dazu noch vier Arbeitskräfte in der Saison.
    Sie richten sich schon mit einer gewissen Bauernschläue drauf ein, sollte die Kappungsgrenze tatsächlich kommen:

    "Ja, da muss man sich Gedanken machen, ob man eben Betriebsteilung macht oder so 'ne Geschichten. Warum soll ein Landwirt, der größere Flächen hat, weniger Geld kriegen für den Hektar, wie einer, der nur 30/40 Hektar hat. Man muss einfach sehen, dass man die Geschichte am Laufen hält."

    So leicht will sich die EU-Kommission aber nicht austricksen lassen. Die Mitgliedstaaten sollen deshalb Regelungen erlassen, die verhindern, dass Betriebe "künstlich die Voraussetzungen" schaffen, um die geplanten Kürzungen zu umgehen. Ilse Aigner sieht derzeit mehr Fragen als Antworten:

    "Das heißt, wir haben nur einen hohen bürokratischen Aufwand, müssen den auch überprüfen und es kommt unterm Strich nichts raus. Ich bin dann auch gespannt, wie definiert wird, was gehört zu den Arbeitskräften? Wenn man einen Kindergarten bereitstellt für die Mitarbeiter, ist das dann auch zur Landwirtschaft mit einzubeziehen? Wie verhält es sich mit einem Eigentümer? Kann der sein eigenes Gehalt ansetzten oder nicht, wahrscheinlich? Und dafür ein Geschäftsführer schon; also, das wird auch sehr schwierig - in der Umsetzung, auch in der Überprüfung."

    Der Landesbauernverband Brandenburg sieht die Kopplung der Direktzahlungen an die Zahl der Arbeitskräfte als problematisch an. Präsident Udo Folgart will sie sich höchstens als Hintertür offen lassen, wenn Kappung und Degression, also stufenweises Abschmelzen der Subventionen, nicht zu verhindern sind.

    "Dass Betriebe, die auch der größte Arbeitgeber zum Teil in den Dörfern sind, dass die dann eben auch die Chance bekommen einen höheren Anteil zu bekommen. Aber das ist eher eine drittbeste oder viertbeste Lösung, weil die erstbeste Lösung wirklich dieser pfiffige Gedanke der entkoppelten Zahlung auch dazu führt, dass man eine standortgerechte Produktion organisiert."

    Die GAP kostet jeden Bürger der Europäischen Union nach EU-Berechnungen ungefähr 30 Eurocents pro Tag.
    Umgerechnet sind dies ungefähr 53 Milliarden Euro pro Jahr – das entspricht etwa 40 Prozent des Gesamthaushalts der EU.
    Der Anteil der GAP am EU-Haushalt sinkt zwar konstant: von 71 Prozent im Jahr 1984 auf veranschlagte 33 Prozent 2013.
    Aber Deutschland zahlt 20 Prozent in den großen Topf der EU.
    Und als Nettozahler geben die Deutschen mehr als sie herausbekommen. Bei den landwirtschaftlichen Direktzahlungen macht Deutschland noch den besten Schnitt mit über 13 Prozent, sagt Ministerin Aigner. Für Brandenburgs Bauernverbandspräsidenten Udo Folgart gehen die Reformpläne für die nächste Förderperiode von 2014 bis 2020 zu schnell, denn er hält die vorige Reform von 2007 noch nicht für vollendet. Die Direktzahlungen an landwirtschaftliche Unternehmen wurden damals schon gekürzt und für Umweltschutz, Wasser-Management und für klimapolitische Ziele eingesetzt.

    Dabei wurden die Zahlungen an landwirtschaftliche Großbetriebe, wie sie in Ostdeutschland vorherrschend sind, schon überproportional gekürzt. Musste Folgart anfangs noch erklären, dass die Betriebsgrößen in Ostdeutschland über denen im Westen liegen und dass das nicht nur mit der Zwangskollektivierung in der DDR zu tun hat, stößt er mittlerweile auf Verständnis, wenn er mit seinen westdeutschen Kollegen im Bauernverband redet:

    "...dass wir gerade die Frage Strukturwandel deutschlandweit zu bewerten haben, also, das heißt die Betriebe werden auch im Süden, im Südwesten Deutschlands größer, so dass die Frage der entkoppelten Direktzahlung tatsächlich so gesehen wird, die Leistungen, die vom Hektar her letztendlich kommen, die gleichen sind. Und insofern bin ich heilfroh, dass wir im Deutschen Bauernverband so 'ne Diskussion nicht hatten, das ist gut so. Und ich freue mich eigentlich auch, dass wir in der Kanzlerin, die ja auch ihren Wahlkreis im Nordosten Deutschlands hat, nämlich in Mecklenburg-Vorpommern, auch einen guten Fürsprecher dafür haben, dass man das mit Deutschland nicht machen kann. Und insofern haben wir national eine ganz gute Aufstellung."

    Schon lange vor der deutschen Energiewende sind aus Landwirten zunehmend auch Energiewirte geworden. So wird der Mais in Jakobshagen in der Uckermark nicht angebaut, um ihn an die Tiere zu verfüttern, sondern um ihn in Biogasanlagen zu verbrennen. Landwirt Stefan Fürstenau:

    "Der Mais hat ganz einfach den Vorteil, dass er die höchste Flächenproduktion bringt und auch die effizienteste Pflanze momentan ist, die wir hier in unseren Breitengraden eigentlich so anbauen können mit. Und das ganze System ist auch sehr gut mechanisierbar. Der Mais ist effektiver als alle Getreide- und Rapsarten, von der Wasserverwertung, von der Nährstoffverwertung. Und bringt dafür auch den meisten Ertrag und die meiste Trockensubstanz und demzufolge auch die höchsten Energiegehalt auf der Fläche."

    Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, zuständig für Energie, versuchte bei den Verhandlungen über die Agrarreform, Energiepflanzen wie Raps oder Mais über bestimmte Regelungen bei den Direktzahlungen gezielt zu fördern, quasi als ökologische Maßnahme. Durchgesetzt hat er sich damit nicht.
    Denn intensive Maiswirtschaft kann die Natur gefährden.
    So liefen nach diesem trockenen Sommer und anschließendem Starkregen Düngemittel in ein nahegelegenes Naturschutzgebiet der Uckermark, mit verheerenden Folgen. Ein Betroffener:

    "Da ist mein kleiner Sohn, noch im Herbst hat er gesagt ‚Mensch, da kann ich doch baden gehen, da sind ja gar keine Pflanzen drin. Das ist so schön weiß alles, das ist ja wie am Strand.’ Und dann ist er da reingegangen und es hat so komische Schaumbildung gegeben. Und dann hat er so komisch gerochen. Und dann habe ich gesagt, ‚Jasper, Du musst da sofort rausgehen, aus diesem Bach, das sieht überhaupt nicht gesund aus.’"

    Auch angesichts von Hungersnöten und weltweiter Unterversorgung kritisieren viele, dass die Landwirtschaft, statt Nahrungsmittel anzubauen, Pflanzen zum Verbrennen erzeugt. Zum Beispiel Nadja Flohr-Spence von der Organisation Slow Food Deutschland e.V..

    "Zum einen, weil die Fläche, auf der Brennstoff angebaut wird, kann nicht genutzt werden, um dort Essen anzubauen. Und es hungern ja eine Milliarde Menschen auf der Erde. Ob das einen direkten Zusammenhang hat, ist strittig. Aber das ist durchaus etwas, was wir uns überlegen sollten. Brennstoffe sind zwar schön, aber das ist keine nachhaltig Lösung Monokulturen in Brennstoffe zu stecken."

    Erstmals seit 25 Jahren musste Deutschland im vergangenen Jahr mehr Getreide importieren als exportieren.
    Ein wesentlicher Grund dafür ist der wachsende Bedarf von Biomasse zur Energiegewinnung. Wegen der Subventionen bauen Landwirte häufig lieber Pflanzen als Biomasse anstatt als Lebensmittel. Landwirt Fürstenau sagt schlicht, auch damit verdiene er sein Geld.

    "Genauso ist es. Wir haben ja nicht nur den ökologischen, sondern auch den ökonomischen Zwang bei uns, und wir müssen eben auch sehen, dass wir uns auf mehrere Standbeine stellen. Und da ist eben die Nahrungsmittelproduktion die eine Sache, die nachwachsenden Rohstoffe sind eben ein anderes Standbein. Dadurch, dass wir da verschiedene Märkte bedienen, haben wir auch verschiedene Einkommensquellen und dementsprechend ist das für uns auch eine Risikostreuung."

    Landwirte sollen künftig auch Geld für den Erhalt der Natur bekommen. Das sogenannte Greening sieht vor, die Zahlungen an ökologische Standards zu binden. Eine Fruchtfolge soll dauernde Monokulturen verhindern und Dauergrünland soll erhalten werden. Der Deutsche Bauernverband dagegen kritisiert in einer Pressemitteilung unter anderem die Ausweisung "ökologischer Vorrangflächen" zum Schutz von Umwelt und Artenvielfalt. Der Landwirtschaft würden rund 60.000 Hektar Agrarfläche durch Stilllegung verloren gehen.
    Landwirtschaftsministerin Aigner stößt ins selbe Horn:

    "Was sehr, sehr problematisch ist, ist die Frage einer Ökologisierungsfläche von sieben Prozent. Wenn es sich hier, so wie bei dem Vorschlag jetzt vorgesehen, um Naturelemente handelt, wie Büsche, Sträucher, Randstreifen usw. ist das auch in Ordnung. Aber das ist in einer Größenordnung von vielleicht ein bis zwei Prozent. Alles drüber hinaus müsste dann eigentlich Brache sein - nach dem jetzigen Vorschlag - und das halten wir in der Konstellation, wie wir sie haben - mehr Nahrungsmittelproduktion, die wir brauchen, mehr Futtermittelproduktion plus erneuerbare Energien - für den falschen Weg."

    Aber es gibt auch Widerstand gegen solche Bestrebungen in Brandenburg. Immerhin 690 Agrarbetriebe bewirtschafteten hier über 138.000 Hektar ökologisch. In keinem anderen Bundesland ist der flächenmäßige Anteil des Ökolandbaus so hoch.
    Unter dem Motto "Wir haben es satt: Bauernhöfe statt Agrarindustrie" bereiten 40 verschiedene Initiativen für Samstag eine große Demonstration anlässlich der "Grünen Woche" in Berlin vor. Jochen Fritz von der Kampagne "Meine Landwirtschaft" ist Diplom-Agraringenieur und gelernter Landwirt. Die EU-Agrarreform bietet für ihn die Riesenchance, eine Fehlsteuerung in der bisherigen Politik umzulenken.
    "Bauernhöfe heißt für uns nicht eine gewisse Größe, sondern es ist eine Frage der Wirtschaftsweise. Sind das Kapitalgesellschaften, die hier das schnelle Geld machen möchten. Oder sind das Familienbetriebe, die langfristig wirtschaften? Ich kann auch auf 2000 Hektar wie beispielsweise in Brodowin 50 Menschen anstellen. Das ist für uns bäuerliche Landwirtschaft, dass es eine Wertschätzung vom Land gibt."

    Nadja Flohr-Spence von Slow Food Deutschland e.V. gehen die EU-Pläne nicht weit genug:

    "Ich denke, dass sie kleinbäuerliche Landwirtschaft nicht ausreichend unterstützt, dass zu wenig getan wird, um junge Menschen in die Landwirtschaft reinzuholen und zu unterstützen, dass vieles so ein bisschen "Greenwashing" ist. Dass einfach nicht wirklich nach einem System gesucht wird, was eine nachhaltige Lösung für die Zukunft ist."

    Sowohl die Ökobauern als auch die Landwirte mit konventionellen Anbaumethoden machen sich Hoffnungen auf die kommende Reform. Der Streit darüber, wie "grün" das neue Regelwerk ausfallen wird, ist noch nicht beendet.
    Nach einer Debatte im Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat sollen die verschiedenen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen bis Ende 2013 verabschiedet werden, damit die GAP-Reform zum 1. Januar 2014 in Kraft treten kann.
    Fast 2 Jahre, noch viel Zeit, findet Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner:

    "Es ist überhaupt nichts in Blei gegossen. Es ist traditionell so, dass die Kommission einen ersten Gesetzentwurf vorlegt. Und wir stehen vor langen, meines Erachtens auch langwierigen, und auch harten Verhandlungen, und die dauern eher in Monaten. Und was rauskommt ist erst ganz am Schluss – meistens in der letzten Nacht – abzusehen."