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Landwirtschaft contra Naturschutz

Vor allem bei Städtern kann es in unserer hoch technisierten Zeit leicht in Vergessenheit geraten: Mensch und Tier sind Konkurrenten um Nahrung, wo der Mensch intensiv Landwirtschaft betreibt, muss die Tierwelt zurückstehen und umgekehrt. Auf der Halbinsel Eiderstedt in Nordfriesland soll künftig die Tierwelt Vorrang erhalten, die Halbinsel soll Vogelschutzgebiet nach der EU-Naturschutzrichtlinie werden. Die Bauern dort sind gar nicht begeistert. Bei einer Versammlung in dem kleinen Ort Garding prallten die Meinungen in dieser Woche aufeinander.

Autorin: Annette Eversberg |
    Der Lärm war zuweilen ohrenbetäubend. Die Eiderstedter, unter ihnen Sönke Dierks und Dierk Jakobs, machten ihrem Ärger über die Pläne der Landesregierung Luft:

    Wir dürfen bald gar nichts mehr. Wir werden mit 10, 15 Mann kontrolliert, und selbständig ist da gar nichts mehr. Die Landwirte produzieren Nahrungsmittel, damit wir was zum Essen haben, und wir, die Gesellschaft, wollen gerne Naturschutz, Vogelschutz. Alles legitim, aber es kann doch nicht die Minderheit, diese Miniminderheit, die Klientel Landwirte dafür aufkommen und den Kopf herhalten müssen.

    Ärger empfanden auch die Kommunalpolitiker. Dr. Lothar Wischhusen, Bürgervorsteher von St. Peter-Ording brachte seine Einwände vor, denn das Vogelschutzgebiet soll auch die Rastvögel umfassen:

    Wir haben bei uns große Rastgebiete von Gänsen vor allen Dingen und anderen Vögeln. Die würden auch weite Teile unseres Ortes betreffen. Und da eben eventuelle Bebauung und die Errichtung von touristischen Einrichtungen.

    Die Forderung der EU, Eiderstedt zum Vogelschutzgebiet zu erklären, beruht auf Kriterien und den Fachgutachten von Naturschutzverbänden, wie dem NABU. Dr. Hermann Höttger:

    Es sind einige Arten, die es nur hier in Schleswig-Holstein oder bundesweit nur gibt. Das ist die Trauerseeschwalbe, das ist der Goldregenpfeifer, die Nonnengans oder Weißwangengans. Dann aber auch Uferschnepfe und Kiebitz. Das sind die Arten, auf die es hier ankommt.

    Allerdings konnten sich diese Vögel nur so ausbreiten, weil die extensive Weidewirtschaft auf Eiderstedt eine Landschaft geschaffen hat, in der die Tiere besonders gut brüten können. Deshalb setzt der NABU auf die Kooperation mit den Landwirten, weil ohne eine extensive Landwirtschaft die Vögel bedroht sind. Das hat sich aus ihrer Sicht bereits gezeigt, weil immer mehr Landwirte aus wirtschaftlichen Gründen Grünland in Ackerland umgewandelt haben. Umweltminister Klaus-Müller machte den Landwirten keine Versprechungen, sondern sagte klar und deutlich, dass man an einer Meldung von Eiderstedt zum Vogelschutzgebiet nicht vorbeikomme. Nur bei den Modalitäten könne man noch ansetzen:

    Wir haben keine Spielräume bei der Frage der Gebietsabgrenzung, wir haben aber sehr wohl Spielräume, zumindest wollen wir dafür kämpfen, mit den Eiderstedtern bei der Frage, wie dieses Vogelschutzgebiet umgesetzt wird, eben nicht durch eine Naturschutzgebietsverordnung. Sondern, wenn die Eiderstedter dies wollen, flächendeckend durch Vertragsnaturschutz.

    Dr. Olaf Bastian, Landrat des Kreises Nordfriesland, zu dem Eiderstedt gehört, stimmte in diesem Punkt der Landesregierung zwar zu, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen:
    Ich halte den vorgeschlagenen Weg der Vertragslösung für richtig, nur dann möchte ich ein verbindliches Schreiben der Kommission haben, dass es der Kommission später auch reicht.

    Daran hat der schleswig-holsteinische Bauernverband erhebliche Zweifel. Nach seiner juristischen Bewertung kennt die EU als Schutzkategorien nur das Biosphärenreservat, den Nationalpark und das Naturschutzgebiet. Stefan Gersteuer, Justiziar des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes:

    Wenn Sie Herr Minister, und das haben Sie heute Abend hier wiederholt, denjenigen vorwerfen, die sagen, kommt der Nationalpark über den Deich, die würden ein übles Spiel betreiben oder Panikmache, dann kann ich das überhaupt nicht verstehen. Vor dem Hintergrund der Aussage der Kommission, dass nur diese drei Schutzgebietskategorien uneingeschränkt geeignet sind, und der Tatsache, dass Sie sagen, ganz Eiderstedt muss Vogelschutzgebiet werden, dann ist das nicht ein übles Spiel, dann ist ganz nahe liegend, dass das über den Deich kommt. Und wenn Sie diese Befürchtung ausräumen, ist es ja gut, wenn Sie sagen, ich will keinen Nationalpark. Aber aus dem Kommissionsschreiben müsste man das so ableiten. Und bezüglich aller anderen Schutzinstrumente, Landschaftsschutzgebiet und Naturschutz äußert die Kommission erhebliche Bedenken. Gerade beim Vertragsnaturschutz.

    Insofern könne es nur eine Verordnung geben, die den Landwirten keinen Spielraum mehr lasse und die flächenhafte Bewirtschaftung unmöglich mache. Auch zum Nachteil der Vögel. Also müsse man sich erst um eine Änderung bemühen. Umweltminister Klaus Müller bekannte denn auch, dass man die Bundesregierung noch auffordern müsse, den Vertragsnaturschutz bei der Kommission durchzusetzen:

    Wir wollen gemeinsam mit Baden-Württemberg versuchen, im Bundesrat eine Mehrheit zu bekommen, dass das in Brüssel geändert wird, so dass das dann völlig legal und richtig dann ist.