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Landwirtschaft im Zeichen der Globalisierung

Auf die Landwirtschaft kommt viel Veränderung zu. Die beschleunigte Globalisierung, die neue Runde der WTO Verhandlungen und deren Folgen und auch die Neuausrichtung der ländlichen Entwicklungspolitik mit ihren Konsequenzen ist ein Thema, das die Bauern beschäftigt. All das und mehr sollte bei der Herbsttagung der Agrarsozialen Gesellschaft gestern und heute in Göttingen zur Sprache kommen.

Von Carolin Hoffrogge |
    Wie erhalten wir Arbeitsplätze im ländlichen Raum? Das war die zentrale Frage auf der Tagung der Agrarsozialen Gesellschaft in Göttingen. Als Abteilungsleiter des Landwirtschaftsministeriums Schleswig Holstein hat Hans Joachim Pieper die Ideen der Norddeutschen mitgebracht. In 100 Bezirken haben sie Analysen machen lassen. Nicht von Wissenschaftlern aus dem Elfenbeinturm, sondern von der Dorfbevölkerung selbst. Die Frage lautete immer: was braucht ihr auf dem Land? Was muss passieren, damit Arbeitsplätze bei euch im ländlichen Raum erhalten bleiben? Herausgekommen sind:

    " Man hat die Markttreffs gegründet. Von diesen gibt es bisher 20 in Schleswig- Holstein. Da gibt es jetzt wieder eine Bankfiliale, da gibt es eine Poststelle, Sprechstunden der Verwaltung, da finden sich auch wieder Geschäfte ein. Der Tante Emma Laden, der weg ist, ist jetzt in diesen Dorftreffs wieder da."

    Bis zu 1200 neue Arbeitsplätze versprechen sich die Schleswig Holsteiner von ihrer breit angelegten Initiative, ihrer Maßnahme gegen den zunehmenden Strukturwandel auf dem Land, forciert durch die Globalisierung der Märkte. Wie hart diese Globalisierung zur Sache geht, erlebt auch Landwirt Jochen Dettmer täglich. Der 45-jährige bewirtschaftet seinen Hof in der Nähe Magdeburgs, in der Altmark. Um dem Existenzdruck zu entkommen, schlachtet er seine Rinder und Schweine für das Qualitätsfleischprogramm Neuland. Schlachtereien in Großstädten Berlin und Hamburg vertreiben seine artgerecht erzeugten Schweine- und Rinderhälften. Trotzdem kämpft Jochen Dettmer ums wirtschaftliche Überleben.

    " Realität ist, dass wir einen enormen Wettbewerbsdruck haben und wir mittlerweile Getreide zu 8 und 9 Euro den Doppelzentner produzieren müssen. Man kann das immer mal 1 oder 2 Jahre machen, aber der nachhaltige Anbau ist unter diesen Preisbedingungen kaum möglich. Das heißt die Folge wird sein - gerade in Sachsen- Anhalt - das ein Großteil der Flächen stillgelegt wird. Man kassiert Prämie und mulcht. Ich weiß nicht, ob das gesellschaftspolitisch gewollt ist und die Gesellschaft bereit ist dieses Geld auf Dauer zu bezahlen."

    Preisdumping ohne Ende befürchtet auch Hans Christian Bär als Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes.

    "Die Australier und Argentinier sind heute in der Lage Rindfleisch dort zu schlachten, das mit einem Strichcode zu versehen und das per Luftfracht oder wie auch immer auf schnellstem Wege nach hier zu verbringen. Dann ist bestenfalls noch ein Zollbeamter damit beschäftigt oder die Verkäuferin im Supermarkt. "

    Die Landwirte sollten weltweit von Kollege zu Kollege denken und nicht von Konkurrent zu Konkurrent, sagt Pfarrer Rudi Joop aus Enkenbach in Rheinland Pfalz. Seit 30 Jahren arbeitet Joop im agrarsozialen Dienst der evangelischen Kirche auf dem Land. Besonders die Landwirte in den Beitrittsländern der EU stehen unter einem enormen Druck. Sie müssen die Standards einhalten, den runden Apfel oder die rote Tomate nach Norm produzieren. Der schnelle Strukturwandel hat schon mehrere in den Selbstmord getrieben. Deswegen baut Pfarrer Joop ein breites Netz von kirchlichen Sorgentelefonen und bäuerlichen Beratungsstellen auf, in den Beitrittsländern.

    " Die neuen Nachbarn wie Rumänien, die Ukraine oder Russland. Hier eine Sensibilität zu wecken, für die Existenzprobleme auf dem Land, denn mit der zunehmendem Wohlstand wird es auch eine wachsende Zahl von Verlierern geben, von Menschen, die in äußersten Existenznöten sind."