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Landwirtschaft in Afghanistan

Die Internationale Agrarforschung hat Projekte mit Gemüsesorten und anderen Fruchtarten initiiert, um einen Beitrag zum Wiederaufbau der Landwirtschaft und zur Überwindung des Hungers in Afghanistan zu leisten.

Von Yvonne Mabille | 25.09.2003
    Es gibt nur wenige Regionen auf der Erde, in denen so viele verschiedene Wildarten, Kulturpflanzen und Ökosysteme existieren wie in Afghanistan. Diese Vielfalt hat, seit ihrer Entdeckung vor rund 100 Jahren, immer wieder Botaniker ins Land gelockt. Von Deutschland aus startete in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die berühmte Hindukusch-Expedition nach Afghanistan, um zu sammeln, was damals nur irgendwie an pflanzengenetischen Ressourcen für die deutsche Pflanzenzüchtung interessant zu sein schien.

    Heute, nach dem Ende des Krieges, suchen Wissenschaftler nach Wegen, wie der natürliche Reichtum wieder für die Landwirtschaft und die Bevölkerung Afghanistans nutzbar gemacht werden kann. Der italienische Botaniker Stefano Padulosi gehört dazu:

    Es ist sehr aufregend nach Afghanistan und überhaupt nach Zentralasien zu kommen. Man sieht dort so viele Sorten und auch noch so viele wilde Arten, wie Wälder von Granatäpfeln beispielsweise. Sie sind wirklich aufregend. Granatäpfel in allen Farben und Formen. Einige haben eine ganz schwarze Schale. Es gibt Walnusswälder, Apfel- und Birnenwälder. Alles noch wild.

    Allerdings ist der Krieg nicht spurlos an der Natur vorübergegangen. Vieles wurde verwüstet. Viele Bäume sind übernutzt und auch Obstbäume mussten als Brennholz herhalten, sagt Padulosi. Er arbeitet am Internationalen Agrarforschungszentrum für Pflanzengenetische Ressourcen, kurz IPGRI, in Syrien. Padulosi ist auf Pflanzen spezialisiert, die bislang von der Agrarforschung weitgehend unbeachtet geblieben sind, die so genannten vernachlässigten Pflanzen. Auf Wunsch afghanischer Bauern hat sich der Italiener zusammen mit afghanischen Kollegen Pistazien und Mandeln vorgenommen.

    Wir sind in die Wälder gegangen und haben die interessantesten Bäume markiert - mit den größten Nüssen, die am besten schmecken. Später sind wir noch mal hingegangen und haben junge Triebe von diesen Bäumen geholt, die dann auf andere Bäume aufgepfropft werden. Auf diese Weise sind die besten Wild-Typen aus dem Wald in Baumschulen gebracht worden. Dort wird das Material jetzt vermehrt, weiter selektiert und später an die Bauern verteilt. Es ist gutes Material, um Plantagen von Pistazienbäumen anzulegen.

    Während die Pistazien-Auswahl unter den Wildpflanzen - vornehmlich im Norden Afghanistans - vorgenommen wurde, haben sich die Wissenschaftler bei den Mandeln auf bereits domestizierte Sorten konzentriert, die auch früher schon im Anbau waren.

    Aber das Mandel- und Pistazien- Projekt beschränkt sich nicht auf den Bereich der Züchtung und Vermehrung von Pflanzmaterial. Es sind enge Kontakte zur Davis Universität in Kalifornien geknüpft. Die us-amerikanischen Kollegen versuchen, auch die Vermarktung der beiden Früchte anzuschieben. Bevor Afghanistan durch Kriege zerstört wurde, gab es regen Handel mit den Nachbarländern und darüber hinaus. Stefano Padulosi:

    Wir sind auf der Suche, wie wir die Märkte wieder in Gang bringen können, die in Folge des Krieges noch nicht wieder funktionieren - auch die lokalen Märkte. Dafür müssen wir darauf achten, was nach der Ernte passiert: wie die Früchte verpackt sind, wie das Saatgut gereinigt wird und was noch zur Kommerzialisierung dazugehört. Unsere Hoffnung ist, dass die berühmten Pistazien, die Mandeln und die andern Früchte Afghanistans schließlich wieder auf den Tellern des afghanischen Volkes landen. Zu dessen Wohl.

    Und wenn dann eines Tages die Mandelsorte ohne harte Schale, die sich mit leichtem Fingerdruck öffnen lässt, nach Europa gelangt, wird sie gewiss auch hier ihre Käufer finden.