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Landwirtschaft in der Schule

Bauernfeindliche Propaganda im Unterricht? Werden Schüler gezielt beeinflusst und bewusst falsch über die deutsche Landwirtschaft informiert? Ja, meint die CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz. Stein des Anstoßes ist ein Schulbuch, das auch im Saarland benutzt wird. Die Schärfe des Protestes mag parteitaktisch motiviert sein. Tatsache ist allerdings, dass das fragliche Schulbuch einen sachlichen Fehler enthält. Der ist weder Gutachtern noch Lehrern aufgefallen. Aber einer Familie!

Von Anke Petermann |
    Landwirtschaft spielt in der Schule keine große Rolle, sagt die 17-jährirge Franziska Marx, die das Gymnasium in Hermeskeil bei Trier besucht. Die letzte Unterrichtseinheit, verabreicht im Fach Geografie, liegt zwei Jahre zurück:

    " Wir haben über Agrarräume geredet, wir hatten aber auch einen Erdkunde-Lehrer, der selbst auf einem Bauernhof groß geworden ist und der hat uns das alles veranschaulicht und auch Beispiele gebracht - aus dem eigenen Betrieb. "

    Auf die Beschreibung der Agrarräume folgt im Schülerband "Seydlitz Geographie 3 Rheinland-Pfalz /Saarland" des Schroedel-Verlags ein Kapitel über die intensive Tierhaltung in Südoldenburg, Zitat: "Damit die Tiere auf engstem Raum leben können, werden Antistressmittel verabreicht, vorbeugende Impfungen sollen Massenerkrankungen wie Schweinepest ausschließen und Hormonbeigaben für schnellere Schlachtreife sorgen". Die 14-jährige Theresa Marx hat über Landwirtschaft im Unterricht noch nichts gehört. Aber Informationen sammelt sie schon - mit durchaus weit reichender Wirkung:

    " Im Fernsehen habe ich eine Dokumentation gesehen und das fand ich ziemlich hart, wie die Tiere in der Massentierhaltung gehalten werden, und seitdem esse ich kein Fleisch mehr. "

    Etwa zeitgleich bittet die 17-jährige Franziska eines Abends ihren Vater, einen Landschaftsbau-Unternehmer und Hobby-Gärtner in Kell am See:

    " Papa hör mich ab, und sie legt mir das Buch hin und beginnt dann so ähnlich, wie es da im Text steht, mir das praktisch vorzubeten. Und da habe ich gesagt, "Stop, Stop, das stimmt doch gar nicht, man darf in Deutschland nicht vorbeugend gegen Schweinepest impfen, man darf keine Hormone beifüttern und keine Anti-Stressmittel an Schweine und Kühe geben. Das ist alles falsch, und das kann man da nicht so auswendig lernen". Und da hat sie gesagt, "ja unser Lehrer hat auch schon komisch geguckt, aber dann gesagt wir müssten das lernen, weil das so im Lehrplan steht." Dann habe ich am nächsten Tag beim Direktor angerufen und gesagt, "das finde ich gar nicht gut, ich habe zu Hause schon genug Ärger, die eine isst kein Fleisch, die andere isst keinen Salat, wenn sie nicht weiß, wo der herkommt, und jetzt lese ich dann da noch, dass durch die Intensiv-Landwirtschaft die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt werden könnte. Das kann ja wohl nicht sein, und deswegen werde ich dafür sorgen, dass das rauskommt"."

    Doch dann dauert es noch über zwei Jahre, bis der Vorstoß von Klaus Marx Erfolg hat. Im März 2005 entschuldigt sich der Schroedel-Verlag, dass die Lehrbuch-Passage von 2002 nicht dem aktuellen Stand entspricht und sichert zu, das im geplanten Nachdruck zu korrigieren. Der erste Korrektur-Anlauf missglückt allerdings, denn klargestellt wird nur, dass Medikamente und Antistressmittel im Futter seit 2002 EU-weit verboten sind, von vorbeugenden Impfungen gegen Schweinepest ist immer noch die Rede, obwohl auch die nicht erlaubt sind. Und in den Internet-Arbeitsblättern samt Lösungshinweisen ist bei Pro und Contra Massentierhaltung weiterhin auch von "Hormonbeigaben für schnellere Schlachtreife" die Rede, womit illegale Praktiken stillschweigend zu regulären umetikettiert werden. Der CDU-Landtagsabgeordnete Dieter Schmitt, der den Stein politisch ins Rollen brachte, pocht auf die Korrektur der Korrektur und betont:

    " Der eigentliche Schaden ist ja schon entstanden. Nach den Ferien müssen die Lehrer jetzt informieren, dass die ominöse Passage gestrichen ist, es muss informiert werden, dass das falsch war. Zweitens ist die Landesregierung aufgefordert zu sagen, dass so etwas nicht mehr vorkommt, also muss man dann auch beim Gutachter-Ausschuss feststellen, dass der notwendige Sach- und Fachverstand vorhanden ist, das kann man ja auch gegen prüfen im entsprechenden Ministerium, das ist ja keine Kunst, da kann ja auch der Sach- und Fachverstand der Landwirtschaftskammer eingebunden werden, dass so etwas nicht vorkommt. "

    Drittens: Lehrer und Schüler sollten engere Kontakte zu Landwirten und Bauernhöfen unterhalten. Gefragt seien auch die Eltern, Angebote zu nutzen - vom Tag der offenen Hoftür bis zum Urlaub auf dem Bauernhof.