Was bei manchen Europapolitikern wie ein schweres Fatum über Europa hängt, ist für die landwirtschaftlichen Fachleute aus Deutschland und Osteuropa eher ein Segen. Beim Kongress der VDLUFA in Berlin werden die Landwirtschaften der osteuropäischen Länder für ihre immensen Anpassungsanstrengungen der letzten 10 Jahre hoch gelobt. Ihre Integration in die Alt-EU sei keinesfalls ein Problem für die westlichen Landwirte, erklärten übereinstimmend Landwirtschaftsexperte Wolfgang Münch von der Europäischen Kommission und Agrarforscher Klaus Frohberg aus Halle.
Denn ein Großteil der bis zu 8 Millionen Landwirte in den 10 östlichen Beitrittsländern arbeitet nur für den Unterhalt der eigenen Familie und stellt somit weder eine Marktkonkurrenz noch einen Subventionsfall dar.
Bezogen auf die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist die Statistik noch eindeutiger. In der Slowakei sind sogar 93 Prozent der Landwirte familiäre Selbstversorger, die dadurch dem Staat die Zahlung von Arbeitslosengeld ersparen. Die Landwirtschaft wirkt also als Ersatz für ein schwaches Sozialnetz der Länder. So ist der Anteil der östlichen Landwirtschaftsproduktion am Bruttoinlandsprodukt mit 4 bis 5 % zwar um die Hälfte höher als im Westen Europas. Eine geringere Produktivität führt jedoch dazu, dass insgesamt die Gestehungskosten im Osten nicht wesentlich unter denen des Westens oder sogar darüber liegen. Auch in Polen liegt die Zahl der bäuerlichen Selbstversorger mit 61 Prozent hoch, berichtet Agrarforscher Mariusz Fotyma aus dem ostpolnischen Pulawy. Fotyma, der als erster Pole zum korrespondierenden Mitglied der VDLUFA gewählt wurde, unterstützt die Forderung des deutschen Staatssekretärs im Landwirtschaftsministerium, Alexander Müller: Die EU-Subventionen sollten nicht mehr dem produzierenden Bauern und seinem Produkt direkt zugute kommen, sondern den ländlichen Raum als ganzes fördern.
"In Polen gibt es inzwischen keine Direktsubventionen in der Landwirtschaft mehr. Daher können wir eine Wende hin zur Förderung der ländlichen Entwicklung allgemein nur begrüßen. Was es in Polen allerdings gibt, ist die Erleichterung der Trennung von der Landwirtschaft. Das geschieht dadurch, dass der Staat für alle Landwirte die Rentenversicherung bezahlt; denn die Bauern konnten dafür nichts ansparen."
In seinem Referat erläuterte der Pole, dass die Nährstoffsituation in allen Beitrittsländern ausgeglichen ist oder sogar ein Mangel an einzelnen Mineralien besteht – im Gegensatz etwa zu Deutschland, wo ökologisch unklug ein erheblicher Kaliüberschuss in den Böden besteht. Ursache für Mängelerscheinungen ist der zu geringe Anteil der Fleisch- und Rinderproduktion, für welche beispielsweise in Polen günstige Kredite und Kapital für Investitionen fehlen. Die Länder der heutigen EU nutzten die Lage und konnten in 1999 1,2 Milliarden EURO Handelsüberschuss in der Landwirtschaft verzeichnen. Für den Slowaken Francisek Kotvas ist deshalb klar, dass eine Angleichung der östlichen Fleisch- und Pflanzenproduktion erfolgen muss.
"Eines kann man vom andern nicht trennen, eine Festschreibung des jetzigen Standes zwischen West und Ost kann deshalb kein Ziel sein. Schließlich brauchen wir die tierischen Abfälle wie Gülle als Naturdünger zur Stabilisierung der Fruchtbarkeit unserer Böden." -- Der Ungar Jakab Loch ist sich sicher: Das jetzige Ungleichgewicht bei den Subventionen in Ost und West muss in der erweiterten EU zugunsten einer strukturellen Neuordnung geändert werden, damit Osteuropas Landwirtschaft ein echter Partner werden kann..
"Unsere Produkte sind im Moment manchmal darum nicht konkurrenzfähig, weil bei uns die Subventionen 8 bis 12 Prozent betragen und hier in Westeuropa 40 bis 50 Prozent. Man dachte, dass man mit dem Entzug der Subventionen die Marktwirtschaft besser wirken lassen kann, aber jetzt sind wir in eine Situation geraten, wo dieser große Entzug der Subventionen schon problematisch ist."