"Wir sind hier auf dem Gelände einer der größten Fischzuchten in Bayern. Und hier in einer Scheune haben wir die erste Insektenproduktion in Bayern aufgebaut."
Wolfgang Westermeier steht an einem frostigen Wintertag mit dicker Jacke und warmer Mütze in einer Scheune in Niederbayern in der Nähe von Landshut. Das Gebäude ist zur Hälfte leer. An der hinteren Wand stehen lediglich ein paar Rollwägen mit blauen Plastikkisten sowie ein riesiger Metallbottich.
"Ganz am Anfang ist die Futterküche, das ist quasi ein großer Mischtopf, da passen ungefähr so 1500 Liter Futter rein. Das heißt, da werden verschiedene Futterkomponenten, wie zum Beispiel aktuell Weizenkleie zudosiert, das wird mit der richtigen Menge Wasser und Mineralstoffe ausgemischt, sodass es für die Insekten ein gutes Futter ist. Das ganze wird dann ein Brei, der wird über ein Rohrsystem dann automatisch gepumpt in Kisten. Die Kisten sind ungefähr so 80 mal 60 Zentimeter groß, da drin leben die Insektenlarven."
In einer Klimakammer wachsen Millionen von Larven
Neben dieser Futterküche steht die Hauptattraktion: eine leise summende Klimakammer, etwa 15 Quadratmeter groß und zwei Meter hoch. Dort drin leben und wachsen Millionen von Larven der Schwarzen Soldatenfliege.
"Jetzt haben wir die Tür geöffnet, die geht automatisch auf, hier stehen jetzt verschiedene Rollwägen drinnen mit den Larven, die hier sind zum Beispiel heute für die Ernte vorgesehen, die sind jetzt sieben Tage alt. Man sieht, die sind jetzt alle vergraben im Substrat, auf der Oberfläche bewegt sich erstmal nichts, aber wenn man ein bisschen umgräbt, dann sieht man schon, dass die ganz aktiv sind und sich da sehr wohlfühlen und im Substrat richtig tummeln."
Sommerliche 30 Grad herrschen in der vollautomatisierten Klimakammer, denn die Larven mögen es warm. Die Insekten sollen als Futter die Tierhaltung umweltverträglicher und klimafreundlicher machen. Denn egal ob Fische, Hühner oder Schweine: Sie alle brauchen proteinreiches Kraftfutter. Das wird zurzeit in der Fischzucht teilweise aus Fischmehl hergestellt. In der Hühner- und Schweinezucht kommt reichlich importiertes Soja aus Südamerika oder den USA zum Einsatz. Bei dessen Anbau und Transport entstehen große Mengen an klimaschädlichem Kohlendioxid. Wolfgang Westermeier möchte mit seinem Start-up FarmInsect dieses Problem lösen. Der Biologe und Agraringenieur hatte daher die Idee, lokal produzierte Insektenlarven als Tierfutter einzusetzen. Das Konzept sieht so aus: Die Paarung und die Eiablage finden bei FarmInsect statt. Die Landwirte bekommen erst die Larven zugeschickt.
"Das ist durchaus ein filigraner Prozess, die Fliegen dazu zu bringen, sich zur richtigen Zeit zu paaren, die Eier da abzulegen, wo man sie sinnvoll ablegen kann, deshalb übernehmen wir diesen Teil."
Landwirte können die Larven mit Ernteresten, Grünschnitt oder auch Fallobst füttern
Die Fliegen mögen es tropisch warm und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Zudem legen sie in der freien Natur ihre Eier ausschließlich in dunklen Baumritzen ab. In den Käfigen liegen deshalb Ei-Fallen aus Holzlatten. Sobald die Eier daran kleben, werden die Fallen entnommen und in den Brutschrank verfrachtet. Wenn die Larven schlüpfen, fallen sie direkt auf ein nährstoffreiches Substrat und beginnen zu wachsen. Wenn sie fünf Tage alt sind, verschickt Westermeier die Larven zu den Landwirten. Dort werden sie auf Kisten verteilt und mit regionalen Reststoffen gefüttert. Die anspruchslosen Insekten mögen alles von Weizenkleie über Biertreber, Grünschnitt, Fallobst oder Erntereste. Je nachdem, was saisonal bei den Landwirten anfällt, bietet FarmInsect sogar Populationen an, die auf eine Nahrungsquelle spezialisiert sind. Innerhalb von nur einer Woche werden die Tiere etwa 1,5 Zentimeter groß und 100 Milligramm schwer. Jetzt können sie aus ihren Kisten herausgenommen werden.
Ein Roboter hilft bei der Insektenernte
"Das Befüllen und Entleeren der Kisten ist natürlich der arbeitsintensivste Teil dieser ganzen Mast, weil man natürlich mehrere hundert Kisten braucht, um auf eine signifikante Produktionsmenge zu kommen. Deswegen haben wir einen Box-Handling-Roboter, der diese Kisten automatisch aus dem Rollwagen rausnimmt, auf ein Sieb entleert, da werden dann die Larven vom Kompost getrennt und dann bringt der Roboter die Kiste direkt zu der Futterküche, wo sie mit frischem Substrat befüllt wird und wieder zurück in den Rollwagen."
Der Box-Handling-Roboter erinnert an einen kleinen autonom agierenden Gabelstapler und übernimmt die Plackerei. Etwa 3,5 Kilogramm Larven kommen aus einer Kiste. Eine Anlage erreicht damit rechnerisch eine Jahresproduktion zwischen 100 und 500 Tonnen Larven. Und was bleibt sonst noch übrig außer Larven? Komposterde.
"Der Kompost kann entweder direkt aufs eigene Feld ausgebracht werden, ist auch sehr gut für die Bodenqualität, weil er enthält ja noch diesen Chitinpanzer der Insekten und das wiederum regt das natürliche Immunsystem der Pflanzen an. Das heißt, man hat dann viel weniger Krankheitsbefall, braucht auch viel weniger Spritzmittel."