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Landwirtschaft
Sorgloser Umgang mit Reserveantibiotika im Kuhstall?

Durch eine Infektionswelle im Kuhstall kann ein Landwirt ein Vermögen verlieren. Für viele Bauern ist das ein Grund vorsorgend Antibiotika zu verabreichen - auch wenn die Tiere nicht krank sind. Dadurch gewöhnen sich Erreger an Medikamente und wirken irgendwann bei Menschen nicht mehr. Nun scheinen Milchbauern sogar immer mehr auf Reserveantibiotika zu setzen.

Von Philip Banse | 11.01.2016
    Milchkühe von Landwirt Schwarting stehen am 02.02.2015 in Stadtland (Niedersachsen) auf seinem Hof in einem Stall
    Milchkühe in einem Stall (picture alliance / dpa / Carmen Jaspersen)
    Milchbauern setzen immer mehr Reserveantibiotika ein, sagt Reinhild Benning von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch.
    "Wir beobachten, dass in jüngster Zeit in der Tierhaltung viele Antibiotika eingesetzt werden, insbesondere zum Trockenstellen der Kühe. Und hier sind laut Zahlen des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zehn Prozent der eingesetzten Wirkstoffe aus dem Bereich der Notfallantibiotika, der sogenannten Reserve-Antibiotika. Das erfüllt uns mit Sorge und wir denken, hier ist ein Umlenken notwendig."
    Reserve-Antibiotika sind Antibiotika, die von der Weltgesundheitsorganisation als besonders wertvoll eingestuft werden und wirklich nur im Notfall eingesetzt werden sollen, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken, weil sich zu viele Resistenzen gebildet haben. Reserveantibiotika können also für Menschen die letzte Rettung sein. Weil diese Reserve-Antibiotika also relativ selten eingesetzt werden, haben sich bisher relativ wenig Resistenzen gebildet, sprich: Sie wirken noch sehr gut. Das macht sie für Fleischproduzenten und Milchbauern besonders attraktiv, sagt Elisabeth Böse, Tierärztin im Ruhestand und Milchbäuerin auf einem Bioland-Hof mit 70 Kühen in Niedersachsen.
    "Die wirken einfach gut und die Pharmaindustrie hat großes Interesse daran sie zu verkaufen, weil sie wesentlich teurer und die Margen wesentlich höher sind. Wir hatten sogar den Fall, dass das gute alte Penizillin, das ja nur noch in China hergestellt wird, aus war, dass es nicht mehr zu bekommen war und auch keiner so recht Interesse daran gezeigt hat, das zu beschaffen."
    Massenhafter Einsatz von Antibiotika problematisch
    Auch auf ihrem Bioland-Hof setze sie Antibiotika ein, um Kühe zu behandeln, sagt die Öko-Bäuerin. Das Problem sei der massenhafte Einsatz von Antibiotika bei Tieren und der werde verursacht die den Markt, sagt sie, zumindest bei Milchbauern:
    "Wir, die Milchviehwirtschaft, wird gezwungen zu immer mehr Produktion. Wir haben ja einen dramatischen Preisverfall, sind ja mittlerweile bei 25 Cent, was nicht mal die Futterkosten deckt. Und der einzelne Bauer kann nur gegensteuern durch Mehrproduktion, damit er ein bisschen Geld aufs Konto kriegt. Damit werden die Ställe vollgestopft, sodass wir gigantische Stressfaktoren haben und entsprechend öfter werden die Tiere auch krank."
    Die Bundesregierung hält dagegen, sie habe das Arzneimittelgesetz kürzlich reformiert, der Antibiotikaeinsatz in Ställen gehe zurück. Das stimmt - aber nur, wenn man die eingesetzten Antibiotika nach Tonnen misst, kritisiert Reinhild Benning von Germanwatch.
    "Erfreulicherweise geht der Einsatz insgesamt gemessen an den Tonnen zurück. Aber gemessen an den Wirkstoffklassen legen einige Reserveantibiotika auch noch zu, das heißt, sie werden verstärkt im Stall eingesetzt."
    Reserveantibiotika wirken noch sehr gut
    Von Antibiotika, die kaum mehr wirken, braucht man große Mengen. Reserveantibiotika wirken noch sehr gut, man braucht wenig Menge, der Einsatz nach Tonnen sinkt, aber die Gefahr für den Menschen steige eher. Gefördert werde die Abgabe von Reserveantibiotika auch noch durch die Reform der Bundesregierung. Betriebe müssen melden, wie viele Antibiotika sie einsetzen, wer Grenzen überschreitet, muss was ändern. Wer jetzt Reserveantibiotika einsetzt, verabreicht aber mengenmäßig nicht viel, fällt also nicht auf. Ende dieses Jahres soll überprüft werden, ob das Gesetz gegen Antibiotikamissbrauch wirkt. Germanwatch fordert aus diesem Anlass: Die Bundesregierung müsse Anreize setzen, damit Tiere besser gehalten und so weniger krank würden. Dafür müssten Subventionen für Massentierhaltung gestrichen und Subventionen zu Betrieben mit guter Tierhaltung umgelenkt werden.