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Lang-LKW im Regelbetrieb
Jetzt kommen die Riesen-Brummis

Seit Jahresbeginn dürfen in Deutschland überlange Lastwagen regulär auf bestimmten Straßen fahren. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den Regelbetrieb mit einer Rechtsverordnung möglich gemacht. Und damit einen regelrechten Glaubenskrieg zwischen Kritikern und Befürwortern der Megaliner entfacht.

Von Thomas Wagner | 02.01.2017
    Ein Gigaliner der Spedition Krüger und Voigt fährt bei Zarrentin (Mecklenburg-Vorpommern) mit einer Sondergenehmigung von der Autobahn auf eine Landstraße.
    Ein Megaliner im Nordosten unterwegs (picture alliance / ZB / Jens Büttner)
    Er gibt den Fan. Florian Martens, Nutzfahrzeug-Experte des Fahrzeugherstellers Daimler:
    "Relativ geringe Investitionen für den Spediteur und den Hersteller – und trotzdem sind wir in der Lage, mit einem Lang-LKW bis zu 25 Prozent CO2 und Dieselkraftstoff zu sparen."
    Er gibt den Skeptiker. Winfried Hermann, grüner Verkehrsminister in Baden-Württemberg:
    "Also wir werden jetzt nicht den Verkehr auf der Straße reduzieren. Das ist eine Milchbubenrechnung. Wir werden auch keinen Beitrag zum Klimaschutz haben."
    Sie dürfen fahren, allerdings nur auf 11.600 Kilometern
    Die Streitobjekte, um die es geht, sind jeweils 25 Meter lang und damit über sechs Meter länger als herkömmliche Lastzüge: Lang-LKW, Megaliner – wie immer man die 25-Meter-Brummis nennen will – mit Ausnahme des Saarlandes und des Bundeslandes Berlin dürfen sie ab heute im Regelbetrieb Güter transportieren, allerdings nur auf 11.600 Kilometern des bundesdeutschen Straßennetzes, das meiste davon Autobahnen. So steht es in einer Rechtsverordnung des Bundesverkehrsministeriums. Und so haben es unter anderem Speditionen und Fahrzeughersteller gutgeheißen, darunter die Daimler AG. Nutzfahrzeug-Sprecher Florian Martens:
    "Sie bedeuten mehr Platz und weniger Stau. Denn zwei Lang-LKW ersetzen drei herkömmliche LKW. Das sind also weniger Fahrten auf den Autobahnen. Und dadurch reduzieren die Verkehrsdichte und den Kraftstoff-Verbrauch. Und dadurch gibt es weniger Emissionen."
    "Wenn es wahr wäre, dann wäre es überzeugend", kontert dagegen Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann. Dass zwei Lang-LKW das transportieren können, wozu drei reguläre LKW notwendig sind, klinge zwar beim ersten Hinhören ziemlich gut. Aber:
    "Man kann nur großvolumige Gegenstände dort transportieren. Es ist eigentlich nur eine Transportnische, kann man sagen. Es ist weniger als ein Promille der Transporte, die dort transportiert werden können. Deshalb ist es weder ein Beitrag zum Klimaschutz noch eine wirkliche Störung im System."
    Kein Super-GAU in Form eines Super-Staus
    Tatsächlich gehen die Meinungen darüber, wie viele Lang-LKW auf Deutschlands Autobahnen zukünftig unterwegs sein werden, gehörig auseinander. Bis zu 10.000 Gigaliner sagen die Gegner der Lang-LKW voraus – eine Größe, die die Befürworter als reichlich unrealistisch ansehen. Denn die Megaliner dürfen zwar länger, aber eben nicht schwerer sein als herkömmliche Lastzüge. Bis 40 Tonnen sind erlaubt – mehr nicht. Am bisherigen Modellversuch waren gerade auch mal ganze 159 dieser Lang-LKW beteiligt. Den Super-GAU in Form eines Super-Staus sieht deshalb nicht einmal Megaliner-Kritiker Winfried Hermann auf Deutschlands Autobahnen. Denn:
    "Inzwischen ist klar, dass diese Gigaliner nur auf speziell definierten Strecken fahren dürfen. Nicht: Überall fahren, sondern nur auf bestimmten Strecken – Zulieferer-Verkehr für bestimmte Firmen, die eben großvolumigen Transport brauchen. Insofern muss man sagen: Alle Seiten können ein bisschen abrüsten."
    Gleichwohl glaubt Hermann, dass mit dem Regelbetrieb für Gigaliner ein falsches verkehrspolitisches Signal gesetzt wird, durch eine Aufwertung der Straße als Güterverkehrsträger:
    "Eigentlich gehören diese Transporte viel mehr auf die Schiene. Und man müsste die Schiene verbessern und ausbauen, also den Schienengüterverkehr ausbauen. Und das geschieht von Bundesseite und von Bahnseite viel zu wenig. Und deswegen war ich auch der Meinung, dass mit diesen Lang-LKW die Drohung verbunden ist, dass noch mehr Güter auf die Straße kommen."
    Wer hat wohl recht?
    Ein Argument, dass wiederum die Befürworter der Lang-LKW so nicht stehen lassen wollen. Florian Martens von Daimler:
    "Wir sehen keinerlei Verlagerung von der Schiene auf die Straße durch die Lang-LKW. Warum? Weil die Schiene ohnehin schon völlig ausgelastet ist, was Güterverkehr angeht. Und zum anderen weil diejenigen Sachen, die sich vor allem für den Schienentransport eignen, für den Lang-LKW gänzlich ungeeignet sind."
    Wer hat wohl recht? Vielleicht bringt die detaillierte Auswertung des vier Jahre dauernden Feldversuches durch die Bundesanstalt für Straßenwesen Aufschluss. In Ergänzung dazu arbeiten Fachleute an einem zusätzlichen Gutachten, dass das baden-württembergische Verkehrsministerium und die Daimler AG gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Mit dem Ergebnis wird erst im Frühjahr gerechnet. Eines allerdings zeichnet sich nach Ansicht des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann jetzt schon ab.
    "Ich muss jetzt auch mal deutlich machen, dass es wichtig ist, dass man die Diskussion versachlicht, ob es wirklich ein Beitrag im Sinne des Klimaschutzes oder wirklich eine Bedrohung darstellt. Ich meine, ist wahrscheinlich übertrieben gewesen. Das ist vielleicht die Erkenntnis, die man heute schon sagen kann."