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Langfristig im Vorteil

Die Krise Europas dominiert die täglichen Nachrichten. In Deutschland ist sie in den Auftragsbüchern noch nicht angekommen. Der deutsche Export boomt auch weiterhin – trotz Euro- und internationaler Staatsschuldenkrise.

Von Christoph Birnbaum und Friederike Schulz | 28.06.2012
    Wie von Geisterhand greift ein orangefarbener Roboterarm ein Messingteil, hebt es hoch und verschweißt es mit einem Verbindungsstück. Nach zehn Sekunden ist der Arbeitsschritt erledigt. Der Roboter legt das Metallteil in eine Kiste – fertig ist das Lenkmodul für die Fahrzeugachse eines BMWs. Der Roboterarm greift das nächste Stück, verschweißt es, legt es weg.

    Wer wissen will, wie viele hochkomplexe Einzelteile in einem PKW verbaut werden, ist bei der Firma Vorwerk Autotec in Wuppertal an der richtigen Adresse. Der mittelständische Automobilzulieferer baut Fahrzeugachsen für BMW, Porsche und Audi – Automarken im Hochpreissegment. Die Geschäfte gehen gut, der Umsatz wuchs allein im vergangenen Jahr um 22 Prozent. Der Grund? Die gute Auftragslage in der Branche, sagt Geschäftsführer Peter Cöllen.

    "Die Automobilkonjunktur und insbesondere die der hochwertigen Fahrzeuge ist seit mehreren Jahren sehr erfreulich und nimmt auch noch zu."

    Die Entwicklung neuer Bauteile findet an den deutschen Standorten Wuppertal und Wittenberg statt, produziert wird vor allem in Polen, Indien und China. Das Unternehmen expandiert, vor zwei Monaten hat Geschäftsführer Peter Cöllen die dritte Fabrik in China eröffnet. Auch die europäischen Standorte werden fortlaufend erweitert.

    "Wir haben gerade die Kapazität in Wittenberg-Lutherstadt um 50 Prozent aufgestockt. Wir expandieren in unseren polnischen Werken, wo wir ein Drittel Flächenerweiterung vornehmen. Wir expandieren in Indien, wir werden in diesem Jahr noch einen dritten Standort in Mexiko auf der grünen Wiese einweihen. Und so geht es weiter. Das müssen wir auch tun, weil die deutsche Autoindustrie erfolgreich ist. Wir müssen mitmachen, weil wenn wir es nicht machen, dann macht es der Wettbewerb, und dann haben wir sehr schnell den Anschluss verloren."

    Ein paar Kilometer weiter, in der Nähe der Universität hat die Firma Schmersal ihren Sitz. Das Unternehmen stellt Sicherheitsschalter für Maschinen her. Es zählt mit 1250 Mitarbeitern ebenfalls zu den Mittelständlern. Auf dem Werksgelände fahren Bagger hin und her, ein neues Fertigwarenlager wird gebaut. Das Alte ist zu klein. Denn auch bei Schmersal freut sich die Geschäftsleitung über gute Ergebnisse, sagt Marketingchef Steffen Hönlinger:

    "Das heißt in Zahlen ausgedrückt, dass wir von 2010 auf 2011 zweistellig gewachsen sind und auch dieses Jahr wieder ein zweistelliges Wachstum anpeilen und dieses Wachstum auch erreichen werden."

    Wenn es so weitergeht, könnte der Umsatz dann Ende des Jahres die 200-Millionen-Euro-Marke erreichen. Der Grund: Vor allem auf dem internationalen Markt steigt nach Einschätzung des Marketingchefs die Nachfrage nach Schaltern und Lichtschranken, die für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz sorgen.

    "Wir haben einige Zielbranchen im Fokus wie beispielsweise die Verpackungsindustrie, die Nahrungsmitteltechnik, Automobilbau, Werkzeugmaschinenbau im Allgemeinen. Das sind letzten Endes Branchen, die im Moment boomen. Stichwort Automobilindustrie, Stichwort aber auch demografische Entwicklung, im Bereich der Medizintechnik, der Chemie. Das sind sicher alles Faktoren, die insbesondere weltweit wirkend sich positiv auf unsere Geschäftssituation auswirken."

    Schmersal und Vorwerk Autotec – die beiden Mittelständler aus dem Bergischen Land sind keine Ausnahmen in ihren Branchen. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferindustrien boomen. Ebenso der Maschinenbau und die Chemie. Bester Beweis dafür sind die Tarifabschlüsse in diesem Jahr. Und auch das Handwerk ist mit den ersten sechs Monaten im Jahr 2012 mehr als zufrieden. Es waren die besten Monate seit Beginn der Umfrage des Zentralverbands des Deutschen Handwerks im Jahr 1992. Treibende Kräfte sind die Baunachfrage, die gewerblichen Aufträge und der private Konsum.

    Doch acht von 17 Euroländern befinden sich mittlerweile in einer Rezession, das heißt, die Wirtschaft ist seit mindestens zwei Quartalen geschrumpft. Und die zweitgrößte Volkswirtschaft in Europa – Frankreich – stagniert. Die deutschen Ausfuhren in den Währungsraum gingen deshalb auch im letzten Quartal um 3,6 Prozent zurück, die in die übrigen EU-Länder um 2,8 Prozent. Die Stimmung hat sich darum im Juni auch in vielen deutschen Unternehmen erstmals wieder verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist gefallen. Die Unternehmen beurteilten ihre aktuelle Lage zwar immer noch gut, ihre Geschäftsaussichten jedoch deutlich schlechter als in den vergangenen Monaten. Und auch der ZEW-Konjunkturindex ist in den letzten Tagen so stark eingebrochen, wie seit 1983 nicht mehr.

    Aber so sehr die Krise Europas die täglichen Nachrichten auch dominiert, noch ist sie in den Auftragsbüchern der deutschen Wirtschaft nicht angekommen: Sie sind so voll, wie schon lange nicht mehr. Der deutsche Export boomt auch weiterhin – trotz Euro- und internationaler Staatsschuldenkrise. Im März hat die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von knapp 100 Milliarden Euro exportiert. Das ist der höchste Monatswert aller Zeiten. Denn die Exportausfälle durch die derzeitige Lage in Europa werden - noch - mehr als ausgeglichen durch die florierenden Geschäfte in Übersee, vor allem in Asien, den USA und Südamerika. Der Umsatz außerhalb der EU kletterte im letzten Quartal um kräftige 6,1 Prozent.

    Das zeigt: Die deutsche Wirtschaft hat einem Rückfall in die Rezession getrotzt, zumal auch die Binnenkonjunktur immer noch gut läuft. Die geringere Inflation und gute Tarifabschlüsse lassen viele Bundesbürger mit einem höheren Einkommen als bisher rechnen. Auch deswegen halten sie die Zeit für größere Anschaffungen für günstig und zeigen sich in guter Kauflaune. Vor diesem Hintergrund geht die Gesellschaft für Konsumforschung davon aus, dass der Konsumklimaindex im Juli sogar noch weiter ansteigt.

    Doch ganz spurlos geht die Krise in Europa auch an Deutschland nicht vorbei. Einige Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren für die kommenden Monate eine Abschwächung der Wirtschaft. Und auch der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt verliert weiter an Tempo. Das zeigen die heute von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg veröffentlichten Zahlen: Zwar ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im Juni erneut gesunken. Auf 2,805 Millionen – das entspricht einer Quote von 6,6 Prozent. Doch der Rückgang ist deutlich geringer ausgefallen als im Schnitt der vergangenen drei Jahre.

    Das wissenschaftliche Forschungsinstitut der Bundesagentur, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), rechnet dennoch für das gesamte Jahr 2012 mit einem guten Durchschnitt von 2,84 Millionen. Denn auch die Jugendarbeitslosigkeit ist zurzeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Noch nie in der Geschichte der deutschen Nachkriegswirtschaft hat es so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gegeben. Die Zahl der Minijobber ist auf den Stand von vor acht Jahren gefallen – damals wurden die Minijobs gerade eingeführt.

    Ist das alles ein Wunder? Nein, meint Professor Roland Dörn, Konjunkturexperte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen:

    "Wunder sind ja eigentlich Dinge, die man nicht erklären kann. Man kann jedoch die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland sehr gut erklären. Deutschland hatte zwar durch die Finanzkrise einen sehr starken Wirtschaftseinbruch, einen sehr viel stärkeren Wirtschaftseinbruch als die meisten anderen Länder. Aber man hat sich davon sehr schnell wieder erholt."

    Und auch sein Kollege Professor Hilmar Schneider vom Institut für die Zukunft der Arbeit in Bonn ist sich sicher: Ein Wunder ist die Robustheit der deutschen Wirtschaft nicht, man kann die Gründe dafür sehr genau erklären:

    "Also, die Geschichte hat schon – sagen wir mal – 2005 angefangen. Da haben es aber viele noch gar nicht so begriffen. Das ist so nach und nach ins Bewusstsein eingesickert, und ich erinnere daran, dass es noch keine zehn Jahre her ist, das Deutschland als der kranke Mann Europas angesehen wurde, und da gibt es also berühmte Artikel im 'Economist' und anderen wichtigen Zeitschriften, die das sehr breit thematisiert haben, und wo man sich gefragt hat, was ist los mit den Deutschen. Und jetzt fragt man sich auch, was ist los mit den Deutschen. Aber unter umgekehrten Vorzeichen."

    Das gilt besonders für die Exportindustrie. Hier zeigen sich – wie bei den beiden Autozulieferern Schmersal und Autotech in Wuppertal - die besonderen Stärken einer Volkswirtschaft, die mit den Veränderungen in der globalisierten Weltwirtschaft Schritt gehalten hat. Vor allem was den riesigen chinesischen, indischen, aber auch brasilianischen Markt und seine Chancen angeht. Noch einmal Professor Roland Döhrn vom RWI-Essen:

    "Deutschland produziert sehr viel stärker als andere Länder in der EU die Waren, die momentan auch in den rasch wachsenden Märkten der Welt gefragt sind, und von daher ist auch eben Deutschland in der international sehr unsicheren Umgebung momentan sieht sich Deutschland einer relativ robusten Nachfrage gegenüber. Andere Länder leiden da mehr."

    Problemländer wie Griechenland oder Portugal beispielsweise. Aber auch Frankreich, dessen Wirtschaft in den letzten Monaten ebenfalls besorgniserregende Ertragseinbrüche zu verzeichnen hatte. Der neue französische Staatspräsident François Hollande versucht deshalb mit allen Mitteln, drohende Massenentlassungen zu verhindern. Durch Frühverrentungsprogramme etwa, oder indem er ankündigt, die Lebensarbeitszeit wieder zu verkürzen. Die hatte sein Vorgänger, Nicholas Sarkozy, nach deutschem Vorbild erst vor Kurzem erhöht.

    Hilmar Schneider vom Bonner Institut für die Zukunft der Arbeit bringt die Erfolge der deutschen Wirtschaft auch damit in Verbindung, dass Deutschland aus der Rezession im Jahr 2008 dank der damals im großen Stil praktizierten Kurzarbeiterregelung gut herausgekommen ist:

    "Als die Rezession vorbei war, da standen die Deutschen auf einmal mit vollen Belegschaften dar. Das hat’s davor noch nie gegeben. In allen Rezessionen davor haben die ihre Belegschaften abgebaut, und selbst wenn dann die Konjunktur wieder angezogen ist, hat es mitunter zwei Jahre gedauert, bis die Unternehmen wieder Leute eingestellt haben. Und diesmal hatten sie die gleich von Beginn an, und die waren ausgelastet, weil niemand sonst in der Welt hatte das so gemacht – auch die Amerikaner und die Briten und die Österreicher und wer auch immer haben ihre Leute entlassen in der Krise. Und die haben naturgemäß Schwierigkeiten, ihre Kapazitäten erst einmal wieder zusammenzustöpseln, wenn es dann wieder gut läuft. In der Zeit waren die Deutschen längst zur Stelle und die haben den Weltmarkt sozusagen regelrecht abgeräumt. Das war das Wunder."

    Nicht zuletzt deshalb, weil sich deutsche Unternehmen – früher etwa als französische oder aber amerikanische – mit ihrem Marktumfeld auseinandergesetzt haben – und der Frage, was das für ihre Wettbewerbsfähigkeit bedeutet. Etwa die Tatsache, dass Deutschland ein Hochlohnland mit einem stark regulierten Arbeitsmarkt ist. Noch einmal Hilmar Schneider:

    "Das hat insbesondere in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zu starken betriebsinternen Strukturveränderungen geführt, die Unternehmen in den USA noch gar nicht durchgeführt haben - bis heute nicht, weil sie dazu nicht gezwungen waren. Das heißt: Die Deutschen profitieren auch ein Stück weit davon, dass sie früher als andere gezwungen waren, sich mit globalem Wettbewerb auseinanderzusetzen."

    Und der zeichnet sich durch eine immer größer werdende Kundennähe aus und - gerade auch im Zeitalter der Globalisierung – durch immer mehr maßgeschneiderte Individualität der einzelnen Produkte. Mit Massenfertigung hat ein Hochlohnland wie Deutschland keinen Erfolg mehr auf dem Weltmarkt. Gefragt sind hoch spezialisierte Nischenprodukte.

    "Das ist das, worauf sich deutsche Unternehmen sehr früh schon konzentriert haben. Und da sind sie gut drin und das ist ihre Marktnische, die sie, ohne es wahrscheinlich bewusst vorhergesehen zu haben, aber sehr gut abdecken können. Und das wird das auch sein, worauf es in der Zukunft ankommt."

    Das gilt besonders für findige mittelständische Unternehmen, von denen es in Deutschland so viele gibt wie sonst nirgendwo. Sie können schneller auf Marktveränderungen reagieren als beispielsweise die nahezu militärisch organisierten "Leuchtturm"-Unternehmen im industriepolitisch zentralistisch regierten Frankreich.

    "Die großen Tanker, an deren Spitze ein Industriekapitän steht, die sind nicht mehr beweglich genug. Man sieht das zum Beispiel auch daran, dass selbst in dieser Phase 2006 bis 2008, wo der Arbeitsmarkt in Deutschland exorbitant geboomt hat, da haben alle großen Dax-Unternehmen unterm Strich, in der Substanz, Stellen abgebaut. Insgesamt ist die Beschäftigung aber stark gewachsen, und die kann nur da gewachsen sein, wo es um mittelständische und kleinere Unternehmen ging","

    meint Hilmar Schneider vom Bonner Institut für die Zukunft der Arbeit. Und Roland Döhrn vom RWI-Essen ergänzt:

    ""Das ist ja eine der Besonderheiten der deutschen Wirtschaft, dass kleinere Unternehmen einen deutlich höheren Beitrag zur Produktion, zur Beschäftigung und auch zum Export leisten, als das beispielsweise wiederum auch in Frankreich, aber auch in anderen europäischen Staaten der Fall ist, dass dort ein sehr lebhafter Mittelstand ist, dass es dort viele 'hidden champions', wie man so sagt, gibt, die in ihren – zugegeben – recht kleinen Marktsegmenten sogar aber auch Weltmarktführer sind. Also, das ist sicherlich auch eine der Stärken der deutschen Wirtschaft."

    Und die Mittelständler wachsen weiter - wie die beiden Autozulieferer Schmersal und Autotech in Wuppertal. Die Auftragslage ist derzeit so gut, dass sie sogar händeringend nach neuen Fachkräften suchen.

    In der Werkshalle des Automobilzulieferers Vorwerk Autotec sortiert eine Mitarbeiterin Hydrolager, die später im Motorraum eines Audis oder BMWs zu finden sind. In Wuppertal selbst arbeiten nur rund 200 der insgesamt 1500 Beschäftigten. Die meisten von ihnen sind Ingenieure, sie entwickeln die Produktpalette weiter, sind für die Qualitätssicherung zuständig, während die Produktion zum großen Teil nach Indien oder China ausgelagert ist wegen der geringeren Lohnkosten. Auch in Deutschland würde Geschäftsführer Peter Cöllen gern noch weitere Mitarbeiter einstellen – doch er findet einfach keine geeigneten Bewerber.

    "Wir haben derzeit schätzungsweise einen zusätzlichen Personalbedarf von 30 bis 50 Mitarbeitern, den wir nicht zufriedenstellend decken können. Das liegt in erster Linie daran, dass das technische Berufe sind, die leider nicht den Nachwuchs bringen, der wünschenswert wäre für unsere Branche. Denn wir sind eine sehr technische Branche, und wir brauchen unbedingt Ingenieure und Techniker, und von denen kann es nicht genug geben."

    Deswegen hat die Firma schon vor einigen Jahren Kontakte zur renommierten RWTH in Aachen geknüpft, um Studierende für Praktika zu gewinnen und für die Arbeit bei dem Automobilzulieferer zu begeistern. Auch auf Absolventenmessen ist das Unternehmen präsent und bemüht sich, den Nachwuchs für seine Produkte zu begeistern. Doch der wird immer wählerischer und lässt sich selbst mit dem Angebot, gegen Bezahlung die Diplomarbeit im Unternehmen zu schreiben, nicht mehr unbedingt ködern, erzählt der Geschäftsführer:

    "Wenn man nur zum Mittelstand gehört, dann hat man nicht automatisch die Attraktivität, die die großen Autohersteller für sich beanspruchen. Also, für BMW ist es eine Leichtigkeit, in Aachen die Ingenieurabsolventen zu rekrutieren, da tun wir uns schon sehr viel schwerer."

    Wuppertal ist auch nicht München, sagt der Geschäftsführer und guckt ein wenig zerknirscht aus dem Fenster auf die grünen Hügel des Bergischen Landes.

    Ein Problem, mit dem Vorwerk Autotec nicht alleine dasteht – auch die Firma Schmersal muss sich etwas einfallen lassen, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Sie bietet ihren Mitarbeitern zum Beispiel zahlreiche Betriebssportgruppen und eine kostenlose Mitgliedschaft in einem benachbarten Fitnessstudio. Seit Kurzem gibt es einen Werkskindergarten, damit die Suche nach einem Kitaplatz nicht zum Job-Hindernis wird. Dennoch: Auch bei Schmersal hat es die Personalabteilung nicht leicht, offene Stellen mit Fachkräften zu besetzen, berichtet Steffen Hönlinger:

    "Also, wir merken schon, dass es immer schwieriger wird. Die Menge lässt ein Stück weit nach und natürlich auch die Qualität, Stichwort Ingenieursstudium. Im Moment haben wir fünf offene Stellen hier in Wuppertal."

    Nachwuchssorgen in den Betrieben – das unterscheidet die deutsche Wirtschaft derzeit auch von anderen Volkswirtschaften in Europa, in denen besonders die Jugendarbeitslosigkeit besorgniserregend hoch ist. In keinem anderen Land gelingt es so gut, Jugendliche direkt aus der Schule in die Betriebe zu holen, wie in Deutschland. Nicht in Frankreich und auch nicht in den Krisenländern am Mittelmeer. Roland Döhrn vom RWI in Essen:

    "Das ist ein großes Problem, was zwei Ursachen hat: Eine Ursache ist eben das Fehlen eines solchen Ausbildungssystems, und das zweite Problem ist, wenn man dann noch sehr starre Arbeitsmärkte hat, in denen die Arbeitsplatzbesitzer sehr stark geschützt sind, dann haben es immer die, die neu in den Arbeitsmarkt hineinwollen, die haben dann ein besonderes Problem."

    In Deutschland mit seiner noch immer hohen Nachfrage nach Arbeitskräften scheint die europäische Krise noch nicht angekommen zu sein. Und doch: Die negativen Schlagzeilen über die Zukunft Europas häufen sich. Wie nachhaltig ist also das kleine, einsame deutsche Wirtschaftswunder in der EU, wenn drum herum die Krise immer größer wird?

    "Fakt ist, dass die deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb ziemlich gut aufgestellt sind. Das ist keine Garantie, dass das in zehn Jahren auch noch sein wird. Aber wer in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er weiß, wie das geht, wird wahrscheinlich nicht von heute auf morgen völlig vergessen, wie das geht. Da kann man sich in gewisser Weise also drauf verlassen, dass das, was in der Vergangenheit zum Erfolg beigetragen hat, auch in der Zukunft noch trägt."