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Langlauf beim Datenturbo

Telekommunikation. - Das Mobilfunknetz wächst und wächst – und zwar so rasant, dass die Netzanbieter vor allem mit den Investitionen in die Infrastruktur arge Sorgen haben. Gerade wird in Deutschland wie in den meisten Industrienationen die vierte Generation ausgebaut – anders wäre der Hunger der Nutzer nach mobilem Breitbandinternet nicht zu stillen. Doch wie geht es weiter mit dem Mobilfunk – mit diesem Thema beschäftigten sich diese Woche rund 250 Mobilfunk-Forscher auf der Internationalen Konferenz für drahtlose Kommunikationssysteme ISWCS in Ilmenau. Tagungsleiter Professor Martin Haardt berichtet im Gespräch mit Manfred Kloiber über die kommenden Mobilfunksysteme.

Martin Haardt im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Haardt: Normalerweise braucht man für jede Generation zehn Jahre Vorlauf, um die Forschungsarbeiten durchzuführen. Das hatten wir bei der dritten Generation, bei UMTS, das hatten wir bei der vierten Generation, bei IMT advanced, und das haben wir jetzt natürlich auch bei der fünften Generation. Das heißt, wir haben gerade die vierte Generation eingeführt und starten jetzt die Forschungsarbeiten für die fünfte Generation.

    Kloiber: Und mit welchen Schwerpunkten beschäftigen Sie sich, um von der vierten zur fünften Mobilfunkgeneration zu kommen?

    Haardt: Gut, da muss man sich erst einmal anschauen, was sind die Herausforderungen, was sind die Anforderungen der Teilnehmer. Zunächst einmal natürlich eine Steigerung der Kapazität, die kommt dadurch zustande schon ganz allein, dass man jetzt die Flatrate Dienste hat und die User immer mehr Daten über die Netze schicken. Das heißt, man rechnet in zehn Jahren ungefähr mit einer Steigerung um den Faktor 1000. Und der setzt sich so zusammen: zehn Mal spektrale Effizienzsteigerungen, zehn Mal mehr Basisstation zum Beispiel, zum Beispiel ein zehnfach dichteres Netzwerk und zehn Mal mehr Spektrum. Und das sind natürlich eine ganze Reihe von Herausforderungen, denn man hat zum Beispiel unter 5 Gigahertz nicht mehr genug Spektrum, auch nicht genug zusammenhängendes Spektrum. Das wird ja für die Mobilstationen immer schwieriger, Blöcke von Spektrum sozusagen zusammenzulegen. Deshalb schaut man sich auch andere Spektralbereich an, beispielsweise Millimeter-Frequenzen, um die Frequenz 27 Gigahertz bis 30 Gigahertz. Eine andere Herausforderung sind kürzere Latenzzeiten, dass zum Beispiel Reaktionszeiten über die Mobilkommunikation dann geringer sind. Dann kann man sich ganz andere Applikationen vorstellen, sei es für Kommunikation zwischen Maschinen, also machine-to-machine, oder sei es auch für die drahtlose Regelung von Straßenkreuzungen. Das ist auch ein mögliches Applikationsbeispiel, oder auch die drahtlose Regelung von Prothesen.

    Kloiber: Sie haben jetzt drei Hauptaufgaben beschrieben: zehn Mal mehr Basisstationen, zehn Mal mehr Frequenzspektrum und zehn Mal bessere Ausnutzung dieses Frequenzspektrums. Die letzte Aufgabe, die scheint mir die schwierigste zu sein, oder?

    Haardt: Genau, die zehnfach erhöhte Spektraleffizienz ist sehr schwierig. Und das war auch ein Hauptthema beim International Symposium on Wireless Communication systems ISWCS in Ilmenau. Dort haben wir uns zum Beispiel über Mehrantennensysteme unterhalten, dass man zum Beispiel Mimo-Systeme einsetzt, mehrere Antennen auf der Sendeseite, mehrere Antennen auf der Empfangsseite. Und das soll natürlich verbessert werden, dass man mit mehreren Basisstationen sozusagen gleichzeitig eine Mobilstation oder mehrere Mobilstationen bedienen kann.

    Kloiber: Mimo, das müssen Sie noch einmal erklären. Ein Handy steht beispielsweise nicht nur mit einer Basisstation in Verbindung, sondern es empfängt seine Daten gleichzeitig von mehreren Basisstationen. Was bringt das?

    Haardt: Dadurch erhält man eine höhere Spektraleffizienz, und man kann natürlich dann auch die Interferenzen unterdrücken. Weil man sonst aus den Nachbarzellen auch Interferenzen bekommen würde. Und die wird natürlich durch das gemeinsame Senden verhindert.

    Kloiber: Nun gibt es ja fast sieben Milliarden Mobilfunkanschlüsse und acht Milliarden Menschen auf der Welt. Warum muss also die Kapazität des Netzes dann vertausendfacht werden?

    Haardt: Gut, es sind ja nicht nur Menschen, die mit der Mobilfunkkommunikation kommunizieren werden, sondern auch Maschinen. Maschinen werden dann auch immer mehr drahtlos angebunden. Und wenn sie an das Internet of Things denken, was ja auch mit verschiedenen drahtlosen Diensten verknüpft sein wird, braucht man dort immer mehr Verbindungen. Das heißt, wir können zum Beispiel den Kühlschrank drahtlos anbinden, wir können die Stereoanlage drahtlos anbinden, den Drucker drahtlos anbinden, und so weiter. Und man wird natürlich, wenn die Datenraten zur Führung stehen, immer mehr neue Dienste kreieren können, die die vorhandenen Technologien dann nutzen.

    Kloiber: Wenn Sie vom Kühlschrank oder von der Stereoanlage sprechen, die dann demnächst auch einen Mobilfunk Anschluss bekommen sollen, die haben ja den Vorteil, dass sie an der Steckdose hängen. Aber viele Dinge, die dann auch vernetzt werden, die arbeiten mit Batterie oder Akku. Und dann kommt es doch vor allem auf die Energieeffizienz des Sendesystems an. Auch eine Herausforderung, oder?

    Haardt: Richtig, Energieeffizienz ist eine sehr große Herausforderung, wo man sich natürlich auch neue Methoden überlegt hat, um das halt ökonomisch sinnvoll gestalten zu können. Zum Beispiel eine geringere Sendeleistung zu verwenden. Wenn Sie mehrere Sendeantennen haben, dann können Sie pro Antenne natürlich eine wesentlich geringere Sendeleistung haben, so dass sie insgesamt einen geringeren Energieverbrauch haben.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.